Wie gefährlich ist Covid-19?
Ein Grundproblem ist das Fehlen verlässlicher und vergleichbarer Daten
Ein Problem beim neuen Coronavirus könnte sein, dass die Infektion bei vielen Menschen so harmlos ist, dass sie eine Erkrankung gar nicht bemerken. Nach chinesischen Daten könnte ein Drittel der durch Tests positiv, aber asymptomatisch Infizierten zur Kategorie der "stillen Träger" gehören.
Zur Unsicherheit kommt hinzu, dass die PCR-Tests offenbar auch viele falsch positive Ergebnisse liefern. Sie könnten nach einer Studie, die Tests in China untersuchte, die Hälfte oder mehr als bestätigt Infizierten falsch identifizieren, umgekehrt wäre es dann vielleicht möglich, dass es auch falsch negative Ergebnisse gibt. Festzuhalten ist, dass die wissenschaftliche Grundlage zur Beurteilung der Coronavirus-Pandemie noch sehr unsicher ist, es auch weiterhin sehr unklar ist, wie gefährlich er wirklich ist, schon allein deswegen, weil zu wenige Menschen überhaupt getestet wurden.
Die WHO stellte allerdings schon vor einer Woche fest, dass sich Covid-19 mit einer Inkubationszeit von 5-6 Tagen langsamer verbreitet als die normale Influenza mit 3 Tagen, allerdings scheint die Viralität mit 2 oder 2,5 pro Infiziertem höher zu sein. Kinder, die bei Influenza wichtige Spreader sind, werden von Covid-19 nach der WHO kaum betroffen und wenn dann von Erwachsenen angesteckt. Die Sterblichkeit ist noch nicht wirklich bekannt. Die Fallsterblichkeit beträgt derzeit bei den bestätigt Getesteten 3-4 Prozent, wird aber im Verhältnis zu allen Infizierten deutlich weniger sein. Bei der Influenza liegt die Fallsterblichkeit bei etwa 0,1 Prozent.
Eine Studie, die die Situation in Wuhan und bei Japanern untersuchte, die aus Wuhan ausgeflogen wurden, kam zu einer geschätzten Infektionssterblichkeit zwischen 0.04% und 0.12%, was deutlich geringer wäre als die meist angenommene Fallsterblichkeit 3-4 Prozent. Die Wissenschaftler schätzen, dass fast 2 Millionen Einwohner von Wuhan, also 20 Prozent der Bevölkerung, infiziert wurden. Durch die scharfen Maßnahmen in Wuhan sei die Ansteckungsrate von anfänglich 5,2 Prozent auf 0,58 Prozent gesenkt worden. (Angaben zu Fall- und Infektionssterblichkeit korrigiert.)
Entscheidende Größe: Zahl der asymptomatischen Infizierten
In China wurden bis Ende Februar über 40.000 Menschen positiv getestet und in Quarantäne gesteckt, ohne Symptome gezeigt zu haben. Das sollen geheime Daten zu zeigen, die SCMP einsehen konnte. Aber sie wurden seltsamerweise nicht als bestätigte Infizierte gezählt, so dass die damals genannte Zahl von 80.000 wegen der asymptotisch Infizierten eigentlich zu niedrig war. Daraus leitet sich aber auch die Prozentzahl der Todesfälle ab, die danach zu hoch war. Normalerweise zeigt ein Infizierter innerhalb von durchschnittlich 5 Tagen Symptome, was aber auch bis zu drei Wochen dauern kann. Normalerweise wird die Inkubationszeit auf 14 Tage gesetzt.
Es herrscht Konfusion international über die Statistiken. Die WHO betrachtet alle positiv Getesteten als bestätigte Fälle, auch wenn sie keine Symptome zeigen. Das macht auch Südkorea so, während China ab dem 7. Februar nur Menschen mit Symptomen als bestätigte Fälle aufführte. Das hat den Vorteil, dass die Zahl der Infizierten gedrückt wird, aber dafür wird die Quote derjenigen, die schwer erkranken oder sterben, in die Höhe getrieben. Erhöht wird dadurch also die Gefährlichkeit des Virus. Welche Strategie die chinesischen Behörden verfolgten, ist unklar. Deutschland, die USA. Großbritannien oder Italien testen nur die Menschen, die schon Symptome zeigen oder mit einem Infizierten in Kontakt standen. Damit wird die Pandemie systematisch unterschätzt und die Bedrohung womöglich überschätzt.
In Südkorea, wo bislang 338.000 Tests ausgeführt und alle engen Kontakte mit bestätigten Infizierten getestet wurden, waren auch mehr als 20 Prozent der asymptomatischen Erkrankten ohne Symptome. "Südkorea hat gegenwärtig eine wesentlich höhere Rate asymptomatischer Fälle, vielleicht aufgrund unseres ausführlichen Testens", sagte Jeong Eun-kyeong, der Direktor der südkoreanischen Gesundheitsbehörde. Asymptomatische Fälle weisen bei Tests dieselbe Virenbelastung wie symptomatische Fälle auf. In Italien geht ein Immunologe davon aus, dass 50-75 Prozent der Infizierten asymptomatisch seien, also keine Symptome zeigen.
Die WHO vermutet, dass Infizierte ohne Symptome bei der Ausbreitung keine große Rolle spielen. Eine letzte Woche in Science veröffentlichte Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams kam jedoch zum Ergebnis, dass nicht getestete Fälle mit leichten und keinen Symptomen bis zum Shutdown am 21. Januar in Wuhan fast 80 Prozent der bestätigten Fälle infiziert haben. Die nicht dokumentierten Infektionen würden "oft leicht, mit begrenzten oder keinen Symptomen einhergehen und daher unerkannt bleiben. Abhängig von ihrer Ansteckbarkeit und Zahl können sie einen weit größeren Anteil der Bevölkerung dem Virus aussetzen, als dies sonst geschehen würde."
Südkorea als Vorbild?
In Südkorea erwiesen sich, Stand 23. März, von den 338.036 auf Covid-19 Getesteten 8.961 als Infizierte. Bei 315.447 verlief der Test negativ. Vom 22. auf den 23. März stieg die Zahl der bestätigt Infizierten um 64, die der Toten um 7. Von den 64 neuen Fällen waren 14 "importiert". Seit dem 22. März testet Südkorea jeden einreisenden Europäer. Von den 1442 am 22. März aus Europa eingereisten Personen, seien 152 symptomatisch gewesen. Sie wurden in eine Quarantäne-Station auf dem Flughafen gebracht und getestet.
Die anderen 1290 Reisenden seien asymptomatisch gewesen. Dennoch wurden sie in eine temporäre Unterkunft transferiert, um sie zu testen. 6 konnten die Unterkunft verlassen, weil der Test negativ ausfiel, weitere Ergebnisse stehen noch aus. Auch wer negativ getestet wurde, muss in Quarantäne gehen oder unterliegt, bei Ausländern auf kurzen Reisen, einer "verstärkten aktiven Beobachtung". Bestätigte leichte Fälle werden in Behandlungszentren überstellt, schwere kommen in Krankenhäuser mit einem Notfalltransport. Die Reisestationen werden vom International Traveler Information System (DUR/ITS) an die medizinischen Dienste übermittelt. Soweit zum asiatischen Weg. Gestern hatte Alexander Unzicker gefragt, warum Europa nicht mehr von Asien lernt: Epidemiologisch wirksame Maßnahmen in China.
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