Wie hat sich der Islamische Staat auf das Ende des "Kalifats" vorbereitet?

NIcht nur in Raqqa oder Mosul wird gekämpft, auch in anderen Teilen des Irak oder von Syrien wie hier in al-Tanf sind noch IS-Kämpfer am Werk.

Die Gruppe dürfte nicht wirklich geglaubt haben, ein Territorium mit Großstädten lange kontrollieren zu können. Mosul und Raqqa werden demnächst eingenommen sein

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Während in Raqqa die kurdischen SDF bereits erste Stadtviertel eingenommen haben, ist das Ende des Islamischen Staates in Mosul nach fast neunmonatigen Kämpfen besiegelt. Siegessicher hatte der irakische Regierungschef al-Abadi bereits vor einigen Tagen das "Ende des Fake-IS-Kalifats" verkündet.

Erwartet wird, dass Mosul, wenn auch teilweise zu einer Ruinenlandschaft geworden, in wenigen Tagen vom IS befreit sein wird. Nach Berichten sollen sich vielleicht noch 200-300 Kämpfer, vermutlich aus dem Ausland, in einigen Bezirken der Altstadt aufhalten. Tausende sollen bei den Kämpfen getötet worden sein, Hunderte haben sich in Selbstmordmissionen in die Luft gesprengt. Auch die letzten Verbliebenen werden vermutlich bis zuletzt kämpfen und sich nicht ergeben.

Berichte, dass die irakischen Streitkräfte, zu denen auch offiziell die schiitischen Milizen gehören, aus Mosul flüchtende Männer, auch männliche Jugendliche, aussondern, schlagen, foltern, verschwinden lassen oder exekutieren, nehmen zu. Der Verdacht besteht, dass diejenigen, die bis zuletzt in Mosul waren, zumindest mit dem IS sympathisiert haben, oder dass IS-Kämpfer versuchen, sich unter die Flüchtlinge zu mischen, um zu entkommen. Zuletzt berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch darüber.

Bekannt ist nicht, dass die irakische Justiz den Vorwürfen nachgeht. Misshandlungen, Folter, Exekutionen und andere Repressionen werden so dafür sorgen, dass der IS im Untergrund oder andere sunnitische bewaffnete Gruppen gedeihen können. Aber abgesehen davon, ist die große Frage, was die IS-Führungsebene für die Zeit nach dem Fall von Raqqa und Mosul und der territorialen Auflösung des "Kalifats" geplant hat. Es muss allen klar gewesen sein, dass sich der IS als territoriale Macht, der Städte und Regionen beherrscht, nicht auf Dauer halten können wird. Man muss also davon ausgehen, dass der IS trotz aller Propaganda sich nicht nur in Raqqa oder Mosul auf die Offensiven vorbereitet, sondern auch auf die militärische Niederlage vorbereitet hat.

Sicher ist, dass es weiter Zellen in Syrien und im Irak geben wird, die nicht nur wie etwa in den "befreiten" Gebieten und Städten Iraks weiter Anschläge und Angriffe auch im größeren Stil ausführen, sondern auch versuchen werden, die sunnitische Bevölkerung hinter sich zu bringen und Finanzierungsquellen zu behalten oder zu erschließen. Absehbar ist, dass die schiitische Mehrheit über die Regierung, die Behörden und die Sicherheitsorgane die sunnitische Minderheit weiter diskriminieren wird, was al-Qaida erst nach dem Sturz von Saddam Hussein aufleben ließ.

Die irakischen Kurden hingegen haben schon lange eine andere Position und über die Verfügung von Ölressourcen auch andere finanzielle Möglichkeiten. Angestrebt wird von der Regionalregierung, ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten. Vermutlich wäre eine Aufteilung des Irak eine gute Möglichkeit, eher Frieden zu schaffen, wenn auch die Ressourcen einigermaßen fair verteilt würden. Aus unterschiedlichen Gründen werden die Groß- und Regionalmächte aber versuchen, ein Auseinanderfallen zu verhindern.