“Wie kein anderer?“

Die Zukunft Sonys liegt mitunter ziemlich im Dunkeln

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Gute Produkte, aber lädiertes Image: das einstige Vorzeigeunternehmen der Unterhaltungselektronik tut sich zur Zeit schwer damit, wieder eine klare Richtung zu finden.

“There’s not much light over at the Frankenstein Place”: Sonys “Rocky Horror Picture Show” auf der Berliner Funkausstellung (Bild: W.D.Roth)

Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin gibt es traditionell einige Unterhaltungselektronik-Unternehmen, die gleich eine ganze Messehalle anmieten. Loewe, JVC, Intel, Daewoo, Toshiba, LG, Samsung, Metz und Philips gehören diesem Zirkel an, Grundig dagegen seit dem Konkurs des ursprünglichen Unternehmens vor einigen Jahren nicht mehr. Und auch Sony wollte dieses Jahr aussteigen und die traditionelle Halle 18 nicht mehr anmieten. Doch man war zu spät, die Hallenmiete ließ sich nicht mehr stornieren.

Einem normalen Messeauftritt konnte oder wollte man sich dann allerdings nicht mehr leisten, stattdessen wurde offizielle Trauer ausgerufen: die gesamte Halle 18 wurde unter dem neuen Motto „Like no other“ mit einem Labyrinth aus schwarzen Stoffbahnen verhängt, in dem sich dann einige Inseln mit nicht weiter kommentierten Geräten verbargen. Eine nette Alternative zur Geisterbahn oder dem Märchenpark für Kinder, doch für fachlich interessierte Besucher ein Reinfall. Mancher bekam es in den dunklen Labyrinth auch mit der Angst zu tun, überlegte sich, ob die riesigen Stoffbahnen brennbar seien oder wann wohl die Bombe aus "Stranger in a strange land" gezündet werde.

“Im Dunkeln ist gut munkeln…“ – manchmal schaut man aber nur in die Röhre: Sonys Schlafzimmer-Röhren auf der Funkausstellung, die zum Walkman-Testen gedacht waren und an japanische Automatenhotels erinnerten. Kinder fühlten sich in der Stockbetten-Version Marke Abenteuerspielplatz allerdings wohl (Bild: W.D.Roth)

Das, was man bei Sony in Berlin vergeblich gesucht hatte, wurde stattdessen zunächst auf einem lokalen Kölner Fest und erst einige Wochen später in München im „M.O.C.“ präsentiert: die neuen Geräte. Und die konnten sich durchaus sehen lassen, doch diesmal kam keiner mehr: Münchens Verkehrsbetriebe streikten und das Geld fürs Taxi war den meisten Fachbesuchern zu teuer, zumal viele noch vom Berliner Messeauftritt enttäuscht waren. Da half auch die Begründung für die Berliner Installation "Wir wollen mehr an den Konsumenten heran" von Sony-Geschäftsführer Manfred Gerdes nicht weiter, der den anwesenden Journalisten persönlich Rede und Antwort stand. Denn der Konsument will momentan gar nicht mehr so recht an Sony heran.

Vor ein paar Jahren war Sony Trendsetter: der Walkman hat eine ganz neue Gerätegeneration begründet, die sich heute in Unmengen von tragbaren MP3-Spielern wieder findet. Die Mini-Disc (MD) hatte nach anfänglichen Startschwierigkeiten wegen mangelnder Audioqualität der ersten Kompressionsalgorithmen durchaus auch gute Chancen, die rauschende und umständliche analoge Kompakt-Kassette abzulösen und auch den Videorekorder hatte das Unternehmen einst deutlich vorangebracht – nicht nur technisch, sondern auch juristisch: Der heute fast vergessenen sogenannte Betamax-Prozess setzte durch, dass private Mitschnitte aus dem Fernsehen und Videoaufnahmegeräte im Privathaushalt legal sind, was Hollywood seinerzeit verhindern wollte. Doch dabei hatte Sony so viel Geld und Zeit auf diesem Nebenkriegsschauplatz investiert, dass sich statt Betamax oder dem technisch besten System Video 2000 das System VHS von JVC durchsetzte.

Viel Technik, wenig Besucher: Sony-Messe in München (Bild: W.D.Roth)

Heute dagegen ist Sony eher für Kopierschutzschikanen (Kopitus interruptus) bekannt geworden – fast unvermeidlich bei einem Konzern, zu dem neben Unterhaltungselektronik, also Hardware, auch Film und Musikindustrie, also die zugehörige Software gehören. So manche innovative Entwicklung wurde hier hausintern abgewürgt, man stand sich selbst voreilend im Weg, was dann No-Name-Hersteller aus Korea oder China freute. Ein MP3-Spieler, der aber gerade nicht MP3, sondern nur das hauseigene System Atrac verarbeiten konnte, war unverkäuflich. Auch das neue System Hi-MD, dessen Datenträger mit einem Gigabyte nun fast das Zehnfache der alten MD speichern konnten, kam gegen Flash-Speicher oder CD und DVD auf der anderen Seite nicht mehr an.

Danach setzte Sony auch noch zu lange auf die hauseigenen Trinitron-Bildröhren, als alle Welt von Bildröhren nichts mehr wissen wollte und nur noch von Flachbildschirmen sprach und musste diese schließlich von Samsung zukaufen.

Inzwischen ist man zur Einsicht gekommen und präsentiert MP3-Spieler, die auch tatsächlich MP3 abspielen und nicht nur irgendein anderes Format. Ebenso gibt es nun von Sony MD-Rekorder, deren USB-Schnittstelle es nicht nur erlaubt, vor einem Interview Musik vom Computer auf das MD-Gerät zu laden, um sich auf der Fahrt zum Interview in Stimmung zu bringen – es ist jetzt auch möglich, das Interview über die USB-Schnittstelle digital auf den Computer zu transportieren, um es dort zu schneiden. Zugegeben genau das, wofür man sich ein solches Gerät kaufen würde, denn zum Musikhören benötigt man keinen MD-Rekorder, da reicht ein billigerer MD-Player, doch zuvor hatte die Kopierschutz-Fraktion genau diese Funktion blockiert und etliche empörte Kunden zurückgelassen, die nicht einsahen, dass sie nicht einmal ihre eigenen Mikrofonaufnahmen ohne Schikane überspielen durften.

“Bohnen in die Ohrn?“. Nein, Bohnen für die Ohren: Dies ist ein MP3-Spieler, der direkt über USB befüllt werden kann (Bild: W.D.Roth)

Dass die Weigerung, das MP3-Format zu akzeptieren, ein Fehler war, ist dem Hersteller inzwischen klar – bei der Blueray-Disc hat man jedoch keine Bedenken, da sie einerseits qualitativ besser als der Konkurrent HD-DVD sein soll – was aber schon bei Video 2000 kein zugkräftiges Argument war – andererseits aber auch in der Playstation 3 stecken wird. Mit 100 Millionen verkauften PS1 und 90 Millionen verkauften PS2 sieht Sony hier keine Gefahr, dass die PS3 zum Flop wird.

Sony wird immer neue Formate entwickeln, das ist ja auch gut, es ist aber überlegenswert, ob man ein Format mit brachialer Gewalt durchsetzen kann oder ob man am Markt erfolgreiche Formate akzeptiert.

Manfred Gerdes, Geschäftsführer Sony Deutschland

Die neuen Sony-Geräte fallen dabei teilweise durch ein Design auf, dass mal besonders edel, mal einfach auch nur ausgefallen ist. So haben einige der MP3-Player die Form von Feuerzeugen oder Handgranaten und die Designkamera DSC-T5 mit Zeiss-Objektiv, 5 Millionen Pixel und dreifachem optischen Zoom besteht auf der Rückseite praktisch nur aus Display und ist nur 15,3 mm dick. Das Entertainmentsystem KAV-F 65 WL soll wiederum Kabelsalat im Auto vermeiden, indem der Monitor in 10 Metern Umkreis über Funk drahtlos angesteuert werden kann. Was dann allerdings passiert, wenn der Fahrer neben einem an der Ampel einen anderen Filmgeschmack hat (Drive-by Porn), und wie die Kinder das finden, muss sich noch zeigen. Mehrere Funkkanäle sollen unfreiwillige feindliche Übernahmen des Programms jedenfalls verhindern.

Die superflache DSC-T5 und ein für sie entwickeltes Unterwassergehäuse (Bild: W.D.Roth)

Auch ein eigenes Navigationssystem will Sony nun auf den Markt bringen: "NAV-U" soll für knapp 700 Euro bereits mit einer 2,5 GB Festplatte mit den Straßenkarten von 21 Ländern bestückt sein. Der Unterschied zu anderen Navigationssystemen sollen frühzeitige Abbiegehinweise sein, die lange vor dem Erreichen der Abzweigung ertönen und so Hektik beim Fahren verhindern sollen.

Bei DVD-Videorekordern hat Sony dieselben Taktiken wie andere Hersteller (Es fehlt der direkte digitale Link vom Satellit zur DVD), bei HDTV reduziert sich das Problem der Materialbeschaffung insofern, als es von Sony zum Preis der früheren normalen Camcorder nun auch HDTV-fähige Videokameras geben wird – notfalls muss man sich seine HDTV Filme also selber drehen. Auch die passenden Schnittlösungen soll es gleich dazu geben. Ob Tante Erna allerdings wirklich gewillt ist, jedes ihrer Fältchen hochauflösend in 16:9 wieder zu finden, wird sich noch zeigen.

Die neue Semiprofi-Digitalkamera DSC-R1: Auf den ersten Blick auffallend ist der nicht fest montierte, sondern schwenkbare Monitor (Bild: W.D.Roth)

Die interessantesten Produkte scheint es jedoch im Kamerabereich zu geben: nachdem Sony im Jahr 2000 mit der DSC-P1 die erste digitale Taschenkamera im früheren Pocket-Format herausgebracht hatte, waren die Modelle dazwischen nur technisch ausgefallener oder Weiterentwicklungen der DSC-P1, trafen aber nicht immer den Geschmack des Kunden. Mit der DSC-R1 wird es von Sony gegen Jahresende jedoch eine technisch sehr interessante neue Kamera mit 10,3 Megapixeln Auflösung geben, die mit einem dieser Auflösung gewachsenen Zeiss-Objektiv erstmals Brennweiten mit Kleinbild-Äquivalenzwerten von 24 bis 120 mm bietet und damit trotz Digitaltechnik weiter in den Weitwinkel Bereich vordringt.

Dabei wird der Sensor immerhin die Größe von einem Bild auf APS-Film haben, was geringere Schärfentiefe und vor allem weniger Sensorrauschen zur Folge haben wird. Auch die Aufnahmegeschwindigkeit und der Fokusbereich der neuen Kamera sind sehr professionell. Dafür wird sie allerdings auch fast ein Kilogramm wiegen und im Gegensatz zu anderen digitalen Nicht-Spiegelreflexkameras keine Videofunktion haben.

Nicht mehr alleine auf das hauseigene Speichersystem „Memorystick“ fixiert: Auch Compact Flash kann eingesetzt werden (Bild: W.D.Roth)

Noch interessanter könnte die erst in etwa einem Jahr zu erwartende erste digitale Spiegelreflexkamera von Sony werden: Sie soll, was sonst nur die Olympus E1 bot, eine Monitorfunktion haben, also ein Monitorbild auf dem LC-Display vor der Aufnahme. Das Manko der digitalen Spiegelreflexkameras, nur ein optisches Sucherbild zu haben, wäre damit ausgemerzt (Mehr Pixel und weitere Winkel). Die Frage, warum allerdings nicht umgekehrt auch Kameras ohne Spiegelreflexfunktion mit Wechselobjektiv angeboten werden, was digital ja im Gegensatz zu analogen Sucherkameras keine Probleme mit unpassenden Sucherbildausschnitten verursacht, kommt auch Sony nicht beantworten.