Wie ungesund sind Geschmacksverstärker?
Geschmacksverstärker und die Abkehr von handwerklichem Kochen: Ihre Rolle in der Lebensmittelindustrie und Auswirkungen. Man muss schon genau hinschauen.
Unter dem Namen Glutamat oder der englischen Abkürzung MSG finden sich sogenannte Geschmacksverstärker häufig in Fertiggerichten und tarnen sich gerne als Hefeextrakt, wenn auf der Verpackung "ohne Geschmacksverstärker" steht.
Dieses Phänomen ist nicht neu. Schon 1902 kam Marmite, ein vegetarischer Brotaufstrich aus Hefeextrakt, in Großbritannien auf den Markt. Damals galt die britische Küche als einfach. Erst durch die Einwanderung asiatischer Kochkunst gewann sie an Substanz.
Bereits 1886 war mit Bovril eine Hefeextraktpaste mit Fleischextrakt auf den Markt gekommen. Beide stammen heute aus der industriellen Produktion des Waschmittel- und Lebensmittelkonzerns Unilever.
In der Schweiz, einem früher armen Land (siehe: Hütekinder, die verkauft wurden) musste man den Geschmack des Essens aufpeppen.
Aromat von Knorr war ein Pionier. Es befindet sich heute ebenfalls unter Unilevers Dach.
Die Nestlé-Tochter Maggi konterte mit dem Nachahmerprodukt Fondor. Für beide Hersteller industriell gefertigter Lebensmittel eröffneten die Geschmacksverstärker die Welt der Tütensuppen mit den bunten Bildern auf der Vorderseite.
Es wird getrickst
Die meist namensgebenden Zutaten sind in getrockneter Form nur in den geringsten noch zulässigen Mengen enthalten. Die wichtigsten Zutaten sind Stärke, Zucker, Aromen und eben Geschmacksverstärker. Auch bei Soßen für Nudeln oder Braten wird getrickst.
Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass in einer Bratensoße kein Bratensaft enthalten ist, wie es bei einer selbst gemachten Soße der Fall wäre, und dass die dunkle Soße aus der Dose ihre Farbe meist durch Zuckercouleur, also verbrannten Zucker, erhält.
Wer sich einen dieser schnellen Würfel oder Beutel aus den meterlangen Regalen nach Hause holt, muss vom Kochen nicht mehr Ahnung haben als die Kuh, deren beste Teile er gerade zubereitet. Doch der Geschmack dieser Fertigzutaten überzeugt viele Hobbyköche meist voll und ganz, weil sie und ihre Mitesser konsequent darauf konditioniert wurden.
Corona und Homeoffice
Die Hausfrau oder der Hausmann, die noch selbst und ohne industriell vorbereitete Zutaten kochen können, sind auch im Zeitalter von Corona und Homeoffice eher eine Seltenheit geblieben.
Wenn die Zubereitung von Fertigsuppen und -saucen das handwerkliche Geschick überstieg, rief man lieber den Pizza- oder Menübringdienst an, der einem auch das Öffnen der Eimer mit den Fertigzutaten abnahm und bei dem man die Zutatenliste nicht sehen konnte.
Was man in diesem Zusammenhang feststellen konnte, war der Verlust der handwerklichen Fähigkeiten in der Küche.
Wo man sie nicht erwartet
Geschmacksverstärker sind heute kaum noch wegzudenken. Ob sie ungesund sind, ist umstritten. Für die Lebensmittelindustrie sind sie eine grundsätzlich wichtige Zutat, so wichtig, dass ein Verbot von Geschmacksverstärkern unvorstellbar ist.
Letztlich geht es nur um die Information, dass der Einsatz dieser Geschmackshilfen ein Hinweis auf minderwertige Zutaten sein könnte, die zudem niemand in dem jeweiligen hochverarbeiteten Lebensmittel erwartet, wie zum Beispiel Separatorenfleisch, das aus tiefgefrorenen Schlachtresten von Geflügel oder Schweinen gewonnen wird.
Mittlerweile ist es möglich, Separatorenfleisch von Geflügel in Fertigprodukten analytisch nachzuweisen. Früher war dies nicht gerichtsfest möglich, und was nicht nachweisbar ist, wird in der Regel zur Kostensenkung eingesetzt.
Schulung der Geschmacksnerven
Neben Zusatzstoffen wie Salz und Zucker in Wurst-, Fisch- und Gemüsekonserven spielen natürliche Aromen, die z.B. aus Schimmelpilzen oder Lignin gewonnen werden, eine so wichtige Rolle bei der Schulung der Geschmacksnerven, dass Verbraucherinnen und Verbraucher inzwischen intensivere Aromen dem in pflanzlichen Bestandteilen meist vorhandenen Geschmack vorziehen.
Klassisches Beispiel ist das aus Waldmeister gewonnene Waldmeisteraroma, das nicht mehr überzeugt.
Wer Geschmacksverstärker konsequent vermeiden will, muss hochverarbeitete Lebensmittel meiden, solange er noch frisches Gemüse im Handel kaufen kann.
In den USA war dies über viele Jahre nicht möglich, weil sich dort der Lebensmittelhandel und die Systemgastronomie auf hochverarbeitete Lebensmittel konzentriert haben. Die gesundheitlichen Folgen sind unübersehbar und zeigen sich nun zeitversetzt auch in Deutschland.