Wie unsere Städte für Katastrophen anfällig wurden

Absperrung mit Schild "Hochwasser"

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Unwetter in Süddeutschland: Katastrophenalarm und Todesfall. Warum wir uns wie Zwergkängurus verhalten und was wir tun können.

Überflutete Städte, gerettete Bürger und ein entgleister ICE – ein schweres Unwetter hat an diesem ersten Juniwochenende 2024 in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Das lang anhaltende Hochwasser forderte sogar ein Menschenleben: Ein 42-jähriger Feuerwehrmann kam in Pfaffenhofen an der Ilm ums Leben, als das Boot, mit dem er im Einsatz war, kenterte. Ein weiterer Feuerwehrmann wird in Offingen in Schwaben vermisst.

Katastrophenalarm und Einsatz der Rettungskräfte

In mehreren Landkreisen, darunter Dachau und Kelheim, wurde der Katastrophenalarm ausgerufen. Zehntausende Einsatzkräfte kämpften gegen die Wassermassen, pumpten Keller aus und sicherten Deiche. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor weiteren Regenfällen und gab keine Entwarnung. Die Niederschlagsmengen sprengen alle Statistiken: In Bad Wörishofen wurden etwa 129 Liter pro Quadratmeter gemessen – weit über dem monatlichen Durchschnitt von 101 Litern.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) besuchten die betroffenen Gebiete, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte für Montag einen Besuch an. Die Politiker äußerten ihre Anerkennung für die Arbeit der Rettungskräfte.

Gefahr und Schäden

Die Unwetter brachten nicht nur Hochwasser, sondern auch Erdrutsche mit sich. Ein ICE bei Schwäbisch Gmünd entgleiste, glücklicherweise ohne Verletzte. Die wichtige Bahnstrecke zwischen Stuttgart und München musste vorübergehend gesperrt werden. Auch Straßensperren, wie auf der A9 bei Ingolstadt, sorgten für Behinderungen im Verkehr.

Die Schadenshöhe ist bisher nicht bezifferbar, doch die menschlichen Folgen sind bereits jetzt sichtbar: Tausende mussten ihre Wohnungen verlassen, viele ohne Gewissheit auf eine Rückkehr. In einigen Orten wurde die Stromversorgung unterbrochen, was die Kommunikation erschwerte und zusätzliche Risiken mit sich brachte.

Die Unwetter haben auch über die deutschen Grenzen hinaus für Einsätze gesorgt. Auch in der Schweiz standen Keller und Straßen unter Wasser.

Was das Unwetter mit Zwergkängurus zu tun hat

In den Seminaren von Niklas Luhmann in Bielefeld in den 1980er-Jahren spielten Zwergkängurus eine bedeutende Rolle. Sie waren das Paradigma, an dem sich schulen musste, wer von der modernen Gesellschaft etwas verstehen wollte.

Denn diese Tiere wiesen ein eigentümliches Sozialverhalten auf. Ließ sich doch beobachten, dass es unter den still vor sich hin grasenden Tieren gelegentlich und ohne erkennbaren Anlass zu großen Aufregungen und Prügeleien kommt, die sich gefährlich steigern, bis sich plötzlich wie auf Kommando alle Tiere in eine Reihe setzten und für eine Weile in dieselbe Richtung schauen.

Kein Grund, sich aufzuregen!?

Daraufhin beruhigen sich die Tiere und grasen wieder still vor sich hin. Luhmann erklärte, offensichtlich würden sich die Tiere durch eine Synchronisation ihrer Umweltwahrnehmung unter Ausschluss von Sozialwahrnehmung beruhigen. Alle sehen dasselbe, ein Stück Wiese, ein paar Büsche. Und da alle nebeneinandersitzen, sehen sie nicht sich selbst. Sie schauen sich nicht an und haben deswegen auch keinen Grund mehr, sich aufzuregen.

Der Klimawandel konfrontiert die moderne Gesellschaft mit einem strukturell ähnlichen Problem. Solange alle Mitglieder der Gesellschaft in dieselbe Richtung schauen, gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dringend etwas getan werden muss, um den Ausstoß an Treibhausgasen drastisch zu reduzieren.

Parallele zum Verhalten von Industriegesellschaften

Aber die Präferenz für bloß schnelle Effekte, die Existenz vielerlei Interessengegensätze und die unheilige Allianz von Industriegesellschaft und Ausbeutung fossiler, nicht erneuerbarer Energien spricht dann eher für helle Aufregung und nutzlose Reibereien.

Dabei liegt es doch eigentlich auf der Hand, welche Sprengkraft das Thema mittlerweile in sich birgt. War das Wetter die längste Zeit nur für Leute interessant, die im Freien arbeiten und ihren Lebensunterhalt mit Ackerbau und Viehzucht bestreiten, so hat sich das fundamental geändert. Seit 20 Jahren sind weder Himmel noch Erde, was sie zuvor gewesen waren.

Blick auf Hochwasser

Heute ist jedes Satellitenbild eine öffentliche Angelegenheit, eine Nachricht: die neueste Momentaufnahme in der Lebensgeschichte unseres Planeten. Holzschnittartig gesagt: Die Durchschnittstemperaturen steigen weiter; die so genannten Starkregenereignisse werden zunehmen und es wird, verstärkt noch durch die Bautätigkeit des Menschen, öfter zu Hochwasser kommen. Es wäre naiv, anzunehmen, dies bliebe ohne Konsequenzen für Architektur, Städtebau, Freiraumplanung.

Dass sich Dörfer und Landschaften durch Solarzellendächer verändert haben, dass feingliedrige Altbaufenster den robusten und luftdichten und wärmeschützenden Glasentwicklungen der einschlägigen Industrie weichen mussten, dass Stück um Stück Häuser dick und dicht verpackt werden: All dies sind dabei lediglich Teilaspekte.

Denn die klimatische Perspektive wirkt als Elementarisierung, sie ist die Sichtbarmachung einer kreatürlichen Situation. Das Klima erweist sich als eine Art "Ort", an dem die künstlichen, von Naturwissenschaft und Technik generierten Bilder unmittelbar auf das Lebensgefühl der Zeitgenossen durchgreifen.

Städte kühlen nicht mehr ab

Exemplarisch sei hier ein Aspekt adressiert, der namentlich in den Städten zu Buche schlägt – die Hitzeperioden: In vielen Quartieren kühlt die Luft nachts nicht mehr ab. Während im Umland an einem sehr heißen Sommertag gegen Mitternacht die Temperatur auf, sagen wir, 18 Grad sinkt, verharrt sie in den dicht bebauten Innenstädten bei 28 Grad.

Und dieses Problem verschärft sich, weil die Hitzewellen nicht mehr bloß zwei bis drei Tage dauern, sondern Wochen. Wenn es nachts während der Ruhephase heiß bleibt, fehlt die Erholung – und das kann vor allem für alte und kranke Menschen tödliche Folgen haben.

Und jetzt die Lösung

Lösungsansätze dafür sind bekannt: mehr Grün, mehr Wasserflächen, Erhalt und Ausbau der Frischluftkorridore, um dem Aufheizen der Metropolen entgegenzuwirken und die kühle Luft aus dem Umland ins Urbane zu leiten. Doch das Freihalten von sogenannten Kaltluftschneisen, das heißt, größeren zusammenhängenden Grünräumen, die sich weit in die Stadt hinein verzweigen, steht unter enormen Konkurrenzdruck durch andere Nutzungen (aktuell etwa für den Wohnungsbau).

Seit unsere Vorfahren die Höhlen verlassen haben, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, lernten sie durch Versuch und Irrtum, wie sich ihre Wohnstätten verbessern lassen. Bereits im Neolithikum sicherten sich die Jäger und Bauern gegen Überschwemmungen und Schneemassen mit Pfahlbausiedlungen.

In heißen Gebieten entwickelten die Baumeister Verfahren, kühlende Luftzirkulation im Haus zu befördern, wie 1799 bei dem berühmten "Palast der Winde" im indischen Jaipur, wo der Luftaustausch durch 1.000 kleine Fenster in der Fassade den Haremsdamen des Maharadschas den Fächer ersparte.

Palast der Winde. Bild: Chainwit / CC-BY-SA-4.0

Und die Eskimos mit ihren Iglus wussten bereits vor Tausenden von Jahren, dass die Kugel die Form mit der geringsten Oberfläche bei größtem Volumen ist und damit am besten geeignet, Wärmeverluste zu minimieren.

Griechische Inseln sind beliebte Reiseziele, und ihre Städte bieten beeindruckende Postkartenmotive. Das strahlende Weiß der Häuser hat einen besonderen Grund: Die Farbe reflektiert Sonnenenergie, sodass Oberflächen nicht aufheizen und es auch in Innenräumen kühl bleibt.

Heute werden Dächer und Straßen in Athen und sogar in Los Angeles, New York und Ahmedabad weiß gestrichen, um die Auswirkungen zukünftiger Hitzewellen abzumildern und den CO₂-Ausstoß zu senken, der durch die Nutzung von Klimaanlagen erzeugt wird.

Auch grüne Dächer können Temperaturen reduzieren, doch ist ihr Potenzial abhängig von einigen Faktoren, die nicht immer gewährleistet sind. Sie benötigen ausreichend Bewässerung, eine geringe Luftfeuchtigkeit und stetigen Luftwechsel. Zudem ist ein begrüntes Dach wesentlich teurer als ein reflektierendes.

In der Mittelmeerregion gibt es traditionell einfache Methoden der Kühlung durch natürliche Luftzirkulation. Es handelt sich um die Tradition der Innenhöfe, die noch heute in den südspanischen Regionen, vornehmlich in alten Patrizierpalästen, lebendig ist.