Wie wirksam und sicher sind die neuen Vektor-Impfstoffe?
Seite 2: Zur Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffes
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Zur Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffes schreibt der Arzneimittelbrief:
Die angegebenen Werte zur Reaktogenität (lokale und systemische unerwünschte Arzneimittelereignisse = UAE nach 7 Tagen) basieren auf einer Auswertung von 5.145 Personen, deren UAE systematisch mittels Impftagebuch erfasst wurden. Dabei zeigt sich, dass die Vakzine von AstraZeneca in den ersten 7 Tagen um ca. 50 Prozent häufiger lokale und systemische UAE verursacht als der Meningokokken-Impfstoff in der Kontrollgruppe.
Arzneimittelbrief 2/2021
Im indirekten Vergleich mit den mRNA-Impfstoffen (z.B. der Covid-19-Vakzine von Moderna, Alterskohorte 18 bis 65 Jahre) scheint die zweite Dosis des Impfstoffes von AstraZeneca besser vertragen zu werden (lokale UAE 46,8 Prozent vs. 90,3 Prozent und systemische UAE 44,6 Prozent vs. 81,9 Prozent). Bei 168 Studienteilnehmern wurden schwerwiegende UAE beschrieben: 79 mit der Vakzine und 89 mit der Kontrolle.
Ein Proband in der Kontrollgruppe entwickelte eine hämolytische Anämie, ein Patient mit der Vakzine 14 Tage nach der Zweitimpfung eine transverse Myelitis (neuroimmunologische Erkrankung des zentralen Nervensystems). Zwei weitere Fälle von transverser Myelitis (zehn Tage nach der ersten Impfung und 68 Tage nach der Gabe der Kontroll-Vakzine) wurden durch ein unabhängiges neurologisches Expertengremium nicht im Zusammenhang mit der Impfung gegen SARS-CoV-2 interpretiert.
Es gab zudem auch noch eine weitere Diagnose von Multipler Sklerose im Arm mit dem AstraZeneca-Impfstoff, wobei die MRT-Befunde darauf hinwiesen, dass diese Erkrankung schon zuvor bestanden hatte. Insgesamt wurden mehr neurologische UAE mit den Vakzinen beobachtet als in der Kontrollgruppe (11,7 Prozent vs. 7,8 Prozent); meist handelte es sich dabei um Kopfschmerzen (9,3 Prozent vs. 6,1 Prozent).
Vier Probanden starben, einer in der Vakzine-Gruppe und drei in der Kontrollgruppe. Als Todesursachen wurden Verkehrsunfall, stumpfes Gewalttrauma, Tötungsdelikt und eine Pilzpneumonie genannt.
Über allergische Reaktionen wurde in den Studienprotokollen des AstraZeneca-Impfstoffs nicht explizit berichtet. Eine anaphylaktische Reaktion trat 64 Tage nach der Impfung auf, ein Zusammenhang ist somit nicht sehr wahrscheinlich.
Zum Problem des Auftretens von schweren allergischen Reaktionen nach Corona-Impfungen hatte ich in meinem Dezember-Artikel in Telepolis berichtet, dass in Großbritannien am ersten Tag der Impfung mit der Biontech-Pfizer-Vakzine zwei Fälle von schweren allergischen, anaphylaktischen Reaktionen bei Mitarbeitern des National-Health-Service aufgetreten waren, die deshalb behandelt werden mussten.
In der Januar-Ausgabe des Arzneimittelbriefs wird darauf hingewiesen, dass derzeit davon ausgegangen wird, dass die beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 zehnmal häufiger Allergien auslösen als etablierte Impfstoffe.
Studienergebnisse mit Sputnik V
Am 2.2.2021 wurde die erste Zwischenanalyse der Phase-III-Studie mit dem Sputnik V-Impfstoff im Lancet publiziert.
Reinhard Renneberg schreibt in seinem lesenswerten Artikel im Neuen Deutschland vom 19.2.2021, dass der Name des russischen Impfstoffes an den russischen Sputnik erinnern soll, der 1957 als erster künstlichen Erdtrabant in die Erdumlaufbahn gebracht worden ist.Dabei stehe der Buchstabe V für "Vakzine", aber auch für die Zahl 5 und versuche damit recht offensichtlich, an das Image der vier sowjetischen Sputniks anzuknüpfen, so Renneberg.
Wirksamkeit
Im Unterschied zum Impfstoff von AstraZeneca verwendet Sputnik V für die erste und zweite Impfung zwei verschiedene adenovirale Vektoren (rAd26 und rAd5). Damit soll verhindert werden, dass die bei der ersten Impfung gegen den ersten Vektor gebildeten Antikörper die Immunogenität der zweiten Impfung abschwächen. Das Lancet berichtet darüber, dass mit Sputnik V eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie in 25 Krankenhäusern und Polikliniken in Moskau durchgeführt worden ist.
In die Studie eingeschlossen waren Teilnehmer im Alter von mindestens 18 Jahren mit negativen SARS-CoV-2 PCR- und IgG- und IgM-Tests, die keine Infektionskrankheiten in den 14 Tagen vor der Einschreibung und keine anderen Impfungen in den 30 Tagen zuvor durchgemacht hatten. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip (drei zu ein) zugewiesen, um Impfstoff oder Placebo zu erhalten, wobei eine Schichtung nach Altersgruppen erfolgte.
Für die Untersucher, Probanden und alle Studienmitarbeiter war die Studie verblindet. Der Impfstoff wurde intramuskulär in einem Prime-Boost-Regime verabreicht (0,5 ml/Dosis): Ein 21-Tage-Intervall bestand zwischen der ersten Dosis (rAd26) und der zweiten Dosis (rAd5), wobei beide Vektoren das Gen für das SARS-CoV-2-Glykoprotein S in voller Länge trugen.
Der primäre Endpunkt war der Anteil der Teilnehmer mit einer PCR-bestätigten Covid-19 ab Tag 21 nach Erhalt der ersten Dosis. Alle Analysen schlossen Teilnehmer mit Protokollverletzungen aus: Der primäre Endpunkt wurde nur bei Teilnehmern bewertet, die zwei Dosen Impfstoff oder Placebo erhalten hatten.
Die Resultate der Phase-III-Studien von Sputnik V werden im Lancet-Artikel so zusammengefasst (eigene Übersetzung):
Zwischen dem 7. September und dem 24. November 2020 wurden 21.977 Erwachsene nach dem Zufallsprinzip der Impfstoffgruppe (n=16.501) oder der Placebogruppe (n=5476) zugeordnet. 19.866 erhielten zwei Dosen Impfstoff oder Placebo und wurden in die primäre Ergebnisanalyse einbezogen. Ab 21 Tagen nach der ersten Impfstoffdosis (Tag der Dosis 2) wurden bei 16 (0, 1 Prozent) von 14.964 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe) und 62 (1,3%) von 4902 in der Placebo-Gruppe Covid-19 bestätigt und daraus eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent errechnet.
Denis Logunow und Mitarbeiter im Lancet
Sicherheit
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (UAE) wurden bei allen Teilnehmern bewertet, die zum Zeitpunkt der Datenbanksperre mindestens eine Dosis erhalten hatten, und seltene unerwünschte Ereignisse wurden bei allen Teilnehmern registriert, die zwei Dosen erhalten hatten und für die alle verfügbaren Daten im Fallberichtsformular zum Zeitpunkt der Datenbanksperre überprüft wurden.
Die meisten gemeldeten unerwünschten Ereignisse wurden als Grad 1 (7485 entsprechend 94 Prozent von 7966 Gesamtereignissen) eingestuft. 45 entsprechend 0,3 Prozent von 16.427 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe und 23 entsprechend 0,4 Prozent von 5435 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe hatten schwerwiegende Nebenwirkungen. Keine dieser UAW wurde ursächlich mit der Impfung in Verbindung gebracht, was durch einen unabhängigen Ausschuss für Datenüberwachung bestätigt wurde.
Während der Studie wurden vier Todesfälle gemeldet (drei entsprechend weniger als 0,3 Prozent von 16.427 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe und einer entsprechend weniger als 0,1 Prozent von 5435 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe, von denen keiner mit dem Impfstoff in Zusammenhang gebracht wurde.
Abschließend heißt es in dem Lancet-Artikels (eigene Übersetzung):
Ein heterologer rekombinanter Adenovirus (rAd)-basierter Impfstoff, Gam-Covid-Vac (Sputnik V), zeigte ein gutes Sicherheitsprofil und induzierte starke humorale und zelluläre Immunreaktionen bei Teilnehmern in klinischen Phase-I/II-Studien. Hier berichten wir vorläufige Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Gam-Covid-Vac aus der Zwischenanalyse dieser Phase-III-Studie.
Somit zeigte diese Zwischenanalyse der Phase-III-Studie mit dem Impfstoff Sputnik V (Gam-Covid-Vac ) eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent gegen Covid-19, wobei dieser Impfstoff in einer großen Kohorte von den Probanden gut vertragen wurde.
In einem Kommentar von zwei englischen Wissenschaftlern – ebenfalls am 3.2.2021 im Lancet veröffentlicht – wird der Arbeit von Denis Logunov und Mitarbeiter ausführlich gewürdigt.
Es wird auf den zentralen Aspekt der Entwicklung von Sputnik V hingewiesen, dass die Verwendung von zwei verschiedenen Serotypen von Adenoviren, die im Abstand von 21 Tagen appliziert werden, eine eventuell bereits bestehende Adenovirus-Immunität in der Bevölkerung überwinden soll.
Von den bisher wichtigsten Covid-19-Impfstoffen habe bisher nur Sputnik V (Gam-Covid-Vac) diesen Ansatz verwendet. Bei anderen, wie beim Impfstoff von AstraZeneca, wird für beide Dosen das gleiche Vektormaterial verwendet. Der frühere Impfstoff gegen Ebola, der auch am Gamaleya-Institut in Moskau entwickelt wurde, war ähnlich aufgebaut, mit einem Adenovirus und einem vesikulären Stomatitis-Virus als Trägerviren.
Der die große Leistung der russischen WissenschaftlerInnen anerkennende Kommentar im Lancet schließt mit den Worten (eigene Übersetzung):
Die Entwicklung der Sputnik V-Vakzine wurde international dafür stark kritisiert, überhastet und nicht transparent genug gewesen zu sein. Aber das Ergebnis, das jetzt hier veröffentlicht wird, ist eindeutig, und das wissenschaftliche Prinzip der Impfung konnte demonstriert werden. Das bedeutet, dass ein weiteres Vakzin jetzt zur Verfügung steht, um die Inzidenz von Covid-19 einzudämmen.
Jan Jones und Polly Roy, Lancet 3.2.2021
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