Wilder Westen im Norden
Seite 2: Risikokapitalgesellschaften wollen schnelle Profite
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Ein erheblicher Teil der Risikokapitalgesellschaften sind jedoch solche, die einzig und allein auf den schnellen Profit aus sind. Nach dem romantischen Künstler John Bauer (1882 bis 1918) wurde im Jahr 2000 ein freies Gymnasium in Jönköping benannt, das Grundstein für die erste Kette freier Schulen wurde. Sie wurde 2008 vom dänischen Risikokapital-Konzern Axcel erworben. Was John Bauergymnasiet hieß, wurde in JB Gymnasiet umbenannt und in die JB Education AB eingegliedert, die sogleich auf Wachstum und Gewinnoptimierung getrimmt wurde. Nach Recherchen des Fachjournalisten Kent Werne erwirtschafteten die Schulen in den Jahren 2009, 2010 und 2011 einen Gewinn von 228 Millionen Schwedischen Kronen, mussten aber 266 Millionen SEK an JB Education AB abführen.
Damit nicht genug. JB Education AB gehört zur Gänze der Instruo Holding AB in Stockholm, die wiederum zu 100 Prozent der Education Invest A/S mutmaßlich mit Sitz in Dänemark gehört, die wiederum zu 100 Prozent der Axcel Management A/S in Kopenhagen gehört. Eine Wirtschaftsauskunftei schreibt über letztere: "The firm primarily invests in companies which has a Danish or Swedish base and international potential. It prefers to take a majority stake in its portfolio companies. The firm seeks to take a board seat and seeks to exit its investments within a period of three to seven years." Genauso kam es.
Was im Einzelnen ablief, wird im Geflecht der Firmen wohl verborgen bleiben. Jedenfalls kündigte JB Education AB im Mai 2013 die Einstellung des gesamten Geschäftsbetriebes an und ging im Juni in Konkurs. Die dänische Axcel erklärte, sie sehe sich nicht in der Lage, die aufgelaufenen Verluste von mehr als 1,15 Milliarden SEK zu tragen. Fazit: Die Gewinne wurden abgeschöpft, Verluste womöglich sogar willentlich herbeigeführt, denn mit geburtenschwachen Jahrgängen beginnt der Gesamtmarkt zu schrumpfen.
Nunmehr muss der Staat mit insgesamt 139 Millionen SEK für die JB-Lehrergehälter gerade stehen, und mehr als 10.000 Schüler werden aus ihrer Schullaufbahn gekickt. In aller Eile gelang es staatlichen Stellen, den Großteil der JB-Einrichtungen an andere Betreiber zu übergeben – an völlig neu gegründete Firmen, darunter die eines früheren JB-Verantwortlichen, aber auch an den größten Bildungskonzern des Landes AcadeMedia AB. .
Gerade dieser wird oft als "guter" Schulträger bewertet, obgleich auch er einer Risikokapitalgesellschaft gehört. Allerdings ist der Eigner EQT Teil der Aktivitäten der vielköpfigen Wallenberg-Familien, der bedeutendsten Wirtschaftsdynastie Schwedens, und bekundet eine "langfristige, verantwortliche und nachhaltige" Geschäftspolitik. AcadeMedia AB bedient mit etwa 300 Einrichtungen 44.000 Kinder und Schüler sowie 20.000 Erwachsene, beschäftigt fast 8.000 Menschen und tätigt einen Jahresumsatz von knapp 2,7 Milliarden SEK. Was in Schweden kaum wahrgenommen wird: Der letztliche Eigner war bislang eine Marvin Holding Limited mit Sitz auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Ob sich dies ändern wird, ist noch nicht ruchbar: Im Zuge der globalen Kontroversen um Steuerparadiese entschied EQT, dass ab Januar 2012 "zukünftige Fonds" von anderen Orten aus als Guernsey betrieben werden sollen … Luxemburg, den Niederlanden oder Großbritannien.
Die Politik wacht auf
Mit dem rücksichtslosen Gebaren von JB und Axcel zeigte sich nicht nur die Öffentlichkeit empört. Selbst dem Bildungsminister Jan Björklund von der liberalen Folkpartiet war dies zu viel: "Das hier ist ein typisches Beispiel dafür, wie es nicht laufen darf. Schulen zu betreiben, ist keine kurzfristige Tätigkeit. Deshalb planen wir noch in diesem Jahr umfassende Veränderungen des Schulgesetzes."
Es bleibt abzuwarten, ob Björklund, der gerade die Umwandlung der Universitäten von staatlichen Einrichtungen in private Stiftungen und damit eine De-facto-Privatisierung vorbereitet, seinen Worten Taten folgen lassen wird. Handlungsbedarf besteht ohnehin. Denn das Gesamtbild aller Schulen hat sich zusehends verdüstert, wie die Skolinspektion in ihrem letztverfügbaren Bericht für das Jahr 2011 ausführte: "Die Mehrheit der Grundschulen und Gymnasien … zeigt Mängel in ihren Unterrichtsergebnissen. Der Unterricht ist nicht immer in Übereinstimmung mit den nationalen Zielen."
Gustav Fridolin von der grünen Miljöpartiet, die die Liberalisierung dereinst unterstützt hatte, zeigte Reue: "Alle Parteien waren naiv, als diese Regeln … eingeführt wurden. Wir verstanden nicht, was sich daraus entwickeln würde." Und Stefan Löfven, Vorsitzender der Sozialdemokraten SAP, beklagte: "Das Schulwesen hat sich zum Wilden Westen in Schweden entwickelt." Ob die Debatte über das Schulwesen hinaus andere von Auswüchsen der Liberalisierung betroffene Bereiche erfassen wird, bleibt abzuwarten. Möglich ist dies durchaus – im September 2014 stehen Reichstagswahlen an.