Will Biden mit Saudi-Arabien ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten starten?

US-Präsident Joe Biden und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz geben sich im Al-Salam-Palast in Dschidda den berühmt gewordenen Faustgruß am 15. Juli 2022. Bild: Saudi Press Agency / CC BY 4.0 Deed

Washington scheint gewillt, Riad bei seinen nuklearen Ambitionen gegen den Iran zu helfen. Ein gefährlicher Kurswechsel. Es gibt aber Auswege. Einordnung.

Zwar hat Israels Gaza-Krieg die Normalisierungsgespräche zwischen Saudi-Arabien und Israel, aufbauend auf den sogenannten Abraham Accords, auf Eis gelegt. Aber das Interesse Riads an einem Deal besteht weiter.

Denn gekoppelt daran ist eine nukleare Unterstützung und ein Sicherheitspakt vonseiten der Vereinigten Staaten. Normalisierung mit Tel Aviv wäre der Preis für das grüne Licht der USA für ein Atomprogramm.

Das wäre wiederum ein fataler Kurswechsel von Washington. Seit einem Jahrzehnt verhandeln die beiden Länder über die Grenzen eines solchen Programms, doch ohne Ergebnis.

Das hat dazu geführt, dass Saudi-Arabien immer wieder androhte, dass man sich Atomwaffen besorgen werde, falls der Iran sich auf demselben Weg befinde.

Riskanter Kompromiss

Die Biden-Regierung scheint nun mehr und mehr gewillt, einen riskanten Kompromiss einzugehen, um einerseits China auf Abstand zu halten (das mit dem Saudi-Iran-Deal in US-Gefilde vorgedrungen ist) und andererseits die US-Interessen in Hinsicht auf die Verbündeten Saudi-Arabien und Israel abzusichern.

Doch dafür müssten einige Hürden genommen werden. Einerseits gibt es Auflagen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die eingehalten werden müssen. Danach dürfen keine Urananreicherungs- und Verarbeitungstechnologien von Saudi-Arabien betrieben werden – man nennt das auch den "Goldstandard", dem auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Taiwan folgen.

Doch das soll, wie vermeldet wird, umgangen werden, indem das Land mit der IAEA eine Zusatzvereinbarung schließt, nach der zum Beispiel eine Zentrifugenanreicherungsanlage in Saudi-Arabien errichtet werden kann, die sich aber unter US-Kontrolle befindet, während Inspektoren Zugang gewährt wird.

Die militärische Komponente

Aber damit ist die Gefahr nicht unbedingt gebannt. Denn die Saudis haben immer wieder klargestellt, dass ein Nuklearprogramm auch eine militärische Komponente in Hinsicht auf regionale Vorherrschaft mit Blick auf den Iran besitzt.

Was wäre zum Beispiel, wenn sich die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien verschlechtern und Riad die Nuklearanlagen verstaatlicht? Ein durchaus vorstellbares Szenario.

So haben US-Parlamentarier erst letztes Jahr den Abzug der US-Truppen wegen des Ölstreits gefordert, während Joe Biden im Wahlkampf sagte, er würde Saudi-Arabien "den Preis dafür zahlen lassen und sie tatsächlich zu dem Paria machen, der sie sind".

Wenn die Vereinigten Staaten von ihrer langjährigen nuklearen Politik abweichen und einen Weg zu saudischer Urananreicherung ermöglichten, würde es das Problem der Verbreitung von Kernwaffen ("Proliferation") verschärfen und einen Dominoeffekt erzeugen. Daher ist größte Vorsicht geboten.

VAE, Türkei, Ägypten könnten nachziehen

Die Emirate würden die Bedingungen ihres Nuclear Cooperation Agreements (NCA) wahrscheinlich neu verhandeln, warnt jedenfalls Samuel Hickey vom Center for Arms Control and Non-Proliferation. Die Türkei und Ägypten könnten nachziehen und sich möglicherweise an Russland und China wenden, um Anreicherungsanlagen zu bauen.

Die Region würde in einen nuklearen Wettlauf abgleiten.

Sollte die Biden-Regierung die Bedingungen für die Urananreicherung im Fall Saudi-Arabien lockern, würde das im US-Kongress wahrscheinlich Empörung auslösen, wie der Guardian feststellt.

Der Kongress könnte Bidens Saudi-Plan einen Strich durch die Rechnung machen. Denn die nukleare Unterstützung durch die USA bedarf der Zustimmung des Kongresses, und bei einem Verteidigungspakt könnte das unter bestimmten Bedingungen ebenfalls der Fall sein.

Nicht nur "Goldstandard" fordern

Aber eine Ablehnung durch die parlamentarischen Gesetzgeber ist keineswegs in Stein gemeißelt. Daher ist die Sorge, die von verschiedenen Seiten geäußert wird, berechtigt.

Um ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten zu verhindern (wenn sich Saudi-Arabien atomar aufrüstet, würde der Iran nachlegen und andere regionale Akteure in die Spirale mitziehen), wäre es zudem nicht nur ratsam, den "Goldstandard" bei einem Deal anzuwenden und eine Urananreicherung für Saudi-Arabien wie für andere Staaten zu unterbinden (für die zivile Energienutzung kann sich Riad wie andere Länder auch bei z.B. europäischen oder deutschen Produzenten von angereichertem Uran kostengünstig bedienen), sondern das Problem bei der Wurzel zu packen.

Denn was treibt Riad überhaupt Richtung Atomwaffen? Die Antwort ist, siehe oben, eindeutig: Man will mit dem Iran mithalten, falls der in Zukunft meint, über Atomwaffen verfügen zu müssen. Es ist ein Mittel der Abschreckung.

Das Gleiche gilt für den Iran. Wenn der Irak Atomwaffen besessen hätte wie Nordkorea, wären die USA 2003 dort niemals eingefallen. US-Truppen hätten das Land nicht zerstören und über viele Jahre militärisch besetzen können. Das weiß natürlich auch der Iran.