Will Biden mit Saudi-Arabien ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten starten?

Seite 2: Alle Optionen sind auf dem Tisch

Die ständigen Drohungen vonseiten der Vereinigten Staaten gegen den Iran ("All Options Are on the Table"), die militärischen Interventionen in der ölreichen Region und die Stützung von US-freundlichen Regimen erzeugen im arabischen Raum weiter ein Klima, in dem der Wunsch nach Atomwaffen als Abschreckung überhaupt erst aufkommen kann.

Nutzen können die Staaten Atomwaffen ohnehin nicht – außer, sie sind suizidal veranlagt. Jeder Versuch würde dazu führen, dass die Länder umgehend pulverisiert würden.

Gibt es eine Lösung aus dem Nuklear-Dilemma für den Nahen Osten? Ja, die gibt es und sie liegt seit Langem auf dem Tisch, auch wenn die allermeisten nie davon gehört haben werden. Denn in der massenmedialen Debatte in den USA, wie auch in Europa, wird sie so gut wie nie angesprochen.

Eine Ausnahme macht ein Leitartikel der New-York-Times-Redaktion von Mitte 2021. Überschrift: "One Way Forward on Iran: A Nuclear-Weapons-Free Persian Gulf".

Atomwaffenfreie Zone

Darin fordert man eine Atomwaffenfreie Zone ("Nuclear Weapons Free Zone") für die Region. Die Idee wird schon seit den 1970er-Jahren breit diskutiert. Es hat Konferenzen und Gespräche bis hinauf zu den Vereinten Nationen im Jahr 2019 dazu gegeben. Solche Zonen existieren auch bereits, in Afrika, Lateinamerika und in Zentral- und Südostasien.

Die Bereitschaft im Nahen Osten für eine Atomwaffenfreie Zone ist auch allgemein vorhanden. Die arabischen Staaten fordern sie schon seit Jahrzehnten. Das schließt den Iran ein, der nachdrücklich dafür eintritt.

Der Globale Süden, die G-77, also 134 "Entwicklungsländer", was den größten Teil der Welt darstellt, steht ebenfalls hinter dem Vorschlag. Auch aus Europa gibt es keine Einwände.

Wir wissen auch, dass eine solche Zone funktionieren kann. So stellte der US-Geheimdienst fest, dass die internationalen Inspektionen von Irans Nuklearprogramm erfolgreich gewesen sind. Das war vor dem Abschluss des iranischen Abkommen, dem sogenannten Joint Agreement on Nuclear Weapons (JCPOA).

Iran hält sich an Abmachung

Im Jahr 2015 stimmte der Iran dem Nuklear-Deal zu, in dem von Teheran verlangt wird, die Menge an spaltbarem Material zu begrenzen und die Urananreicherung auf einem niedrigen Niveau zu halten, um daraus keine Atombombe herstellen zu können.

Der Iran hielt sich an die Vereinbarung. Die USA traten unter Präsident Donald Trump dann unilateral aus dem Deal aus (gegen den Einspruch der anderen Unterzeichnerstaaten und des Sicherheitsrats) und verhängten harsche Wirtschaftssanktionen gegen das Land.

Erst daraufhin sah Teheran keinen Anlass mehr, sich an die Abmachungen zu halten. Was Saudi-Arabiens atomare Ambitionen verstärkte, siehe oben.

Iranische Regierungsvertreter haben seitdem immer wieder klargestellt, dass man bereit sei, das Abkommen wiederzubeleben. Doch Washington blockiert bis heute eine Wiederaufnahme.

Vetos der Vereinigten Staaten

Der Deal könnte also wieder in Kraft treten, wenn die USA das zulassen würden – die EU-Länder versuchen es jedenfalls, aber wollen Washington nicht verärgern. Widerwillig haben sie sich den Sanktionen angeschlossen.

Ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten könnte aber auch tiefgreifender und langfristig verhindert werden. Doch die USA blockieren auch die schon angesprochene Atomwaffenfreie Zone für die Region, wie sie von den arabischen Staaten, den meisten Ländern der Welt und internationalen Gremien gefordert wird.

US-Präsident Barack Obama legte zum Beispiel 2015 sein Veto dagegen ein, als bei einem Treffen zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrags darüber abgestimmt wurde.

Aber warum sind die USA dagegen? Ist es nicht eine Win-win-Situation? Tatsächlich gibt keinen stichhaltigen Grund, dagegen zu sein. Es würde die volatile Region stabilisieren helfen und gefährliche atomare Eskalationsprozesse, wie der Fall Saudi-Arabien zeigt, unterbinden.

Unverhandelbar

Aber die Atomwaffenfreie Zone Naher Osten hat einen Haken. Sie würde Israel, den engsten Verbündeten der USA in der Region, einbeziehen und von dem Land das gleiche wie von allen anderen fordern.

Auch wenn nicht offiziell anerkannt, ist es ein offenes Geheimnis, dass Israel ein Arsenal an Atomwaffen besitzt, das dann unter das Verdikt fallen würde. Diese Büchse der Pandora will niemand in Washington öffnen.

Auch die New York Times nicht in ihrem Leitartikel. Dort fordert man nur eine Atomwaffenfreie Zone "Persischer Golf". Die Begründung: Israels Atomwaffen seien "nonnegotiable", unverhandelbar.