Willkommen im Dschungel
Nintendos "Donkey Kong Country Returns" für Wii
Nach „New Super Mario Bros” im Vorjahr schickt Nintendo dieses Jahr mit „Donkey Kong Country Returns“ eine weitere Fortsetzung eines 2D-Klassikers ins Rennen. Auch das Spiel mit dem wohl bekanntesten Videospiel-Affen präsentiert altbewährte Konzepte im modernen Gewand.
Einst entführte er das Mädchen Pauline und rollte Fässer, um deren Retter Mario abzuhalten. Letzterer hieß seinerzeit noch Jumpman und war der vom Spieler gesteuerte Held des Spielautomaten Donkey Kong. Der namensgebende Affe hatte dagegen nur die Rolle des tumben Widersachers. Immerhin gehört der 1981 eingeführte Automat zu den erfolgreichsten Arcade-Maschinen überhaupt und bescherte zwei Spielhallennachfolger.
Der Gorilla schaffte es in den achtziger Jahren auf diverse andere Plattformen wie Nintendos LCD-Minispiele Game & Watch und die ColecoVision-Konsole. 1994 kam neben einem Gameboy-Titel schließlich das vom britischen Studio Rare entwickelte Donkey Kong Country für Nintendos SNES heraus. Das Jump-And-Run setzte besonders grafisch neue Maßstäbe. Die Entwickler renderten die Figuren und Hintergründe auf Silicon-Graphics-Workstations vor und schafften so eine für damalige Verhältnisse revolutionäre 3D-Grafik. Die dritte Dimension bezog sich dabei nur auf die Optik, das Spiel selbst war ein 2D-Jump-And-Run.
Nach zwei Nachfolgern in den beiden Folgejahren wurden die Hauptrollen für den Affen weniger. Auf dem Nintendo 64 gab es mit Donkey Kong 64 ein dreidimensionales Jump-And-Run, ansonsten hatte er vor allem Auftritte als Teilnehmer von Renn-, Sport- und Kampfspielen wie Mario Kart und Super Smash Bros.. Auf dem GameCube erhielt er immerhin die Hauptrolle im mit speziellen Bongos ausgelieferten Musikspiel Donkey Konga. Donkey Kong Jungle Beat nutzte dieselben Bongos für ein innovatives, aber recht kurzes Jump-And-Run.
Mit Donkey Kong Country Returns kehrt der Affe nun zu seinen bekanntesten und erfolgreichsten Wurzeln der SNES-Zeit zurück. Da Rare 2002 von Microsoft übernommen wurde, beauftragte Nintendo seine Tochter Retro Studios mit dem Titel. Die amerikanische Firma hat zuvor die gelungene "Metroid-Prime"-Trilogie für GameCube und Wii entwickelt. Anders als diese Titel, die der Spieler aus der Sicht der Heldin Samus Aran als 3D-Action-Adventure erlebt, bleibt der Donkey-Kong-Titel dem zweidimensionalen Gameplay des Originals treu.
Ähnlich wie bei New Super Mario Bros. fühlt sich der Gamer um fünfzehn Jahre in der Zeit zurück versetzt – und das im Guten. Er steuert den Affen auf der Suche nach den gestohlenen Bananen durch clever gestaltete, zweidimensionale Levels. Die Widersacher sind diesmal nicht die Kremlinge aus den SNES-Titeln, sondern böse Tikis, die andere Dschungelbewohner mit Hypnose kontrollieren. Auch wenn es etwas mehr Handlung als früher gibt, spielt sie eine untergeordnete Rolle.
Der Spieler startet in „Donkey Kong Country Returns“ wie in alten Jump-And-Runs: Der Affe betritt das Level, muss das Ziel erreichen und dabei möglichst viele Gegenstände einsammeln. Das alte Gaming-Motto: Besiege oder meide alles, das sich bewegt und sammle alles ein, das dies nicht tut, gilt weitgehend. Die Level sind überwiegend geradlinig und fühlen sich so an wie damals.
Es gibt reichlich Bekanntes: Selbstverständlich liegen überall Bananen herum, die für den Gorilla das Äquivalent sind zu Marios Münzen und Sonics Ringen. Auch sind die KONG-Buchstaben zurück und die Währung für Extraleben sind Luftballons. Ebenso gibt es Kanonenfässer und Lorenfahrten.
Alle Zutaten sind weitgehend bekannt. Die große Stärke von „Donkey Kong Country Returns“ liegt – wie schon bei den SNES-Titeln – darin, wie die Entwickler sie für ein interessantes Levels-Design nutzen. In der Hinsicht ist es das genaue Gegenteil zu Micky Epic (vgl. Mickys Kontrastprogramm) von Disney Interactive, das zahlreiche neue Ideen zu uninspirierten Level kombiniert.
Eine der größten Stärken ist das Moment des Unerwarteten: Anfangs sind die Level noch relativ statisch, aber mit der Zeit gewinnen sie an einer Dynamik, die Ihresgleichen sucht. Dass der Boden unter den Füßen des Protagonisten anfängt einzustürzen, ist nicht wirklich neu. Retro sorgt aber beispielsweise mit Fallen in Ruinen oder Flutwellen am Strand immer wieder für Überraschungen und hält den Spieler in Aktion.
Reaktionsvermögen ist eine der Haupttugenden, die dem Spieler abverlangt wird. Wenn er bei einer rasanten Lorenfahrt den Gegner am Bildschirmrand im Visier hat, um den Sprung zu timen, kann es durchaus vorkommen, dass plötzlich die Schienen vor ihm wegbrechen und er blitzschnell anders reagieren muss. Das ist allerdings nie vom Zufall abhängig, sondern die Umgebung und alle Gegner verhalten sich bei jedem Versuch exakt gleich. Bei kniffligen Passagen hilft somit wiederholte Übung.
Schwierige Stellen gibt es reichlich. Das Spiel beginnt sehr zahm, aber bereits in der dritten Welt merkt der Spieler, dass „Donkey Kong Country Returns“ auch im Schwierigkeitsgrad an die alten Spiele anknüpft. In manchen späteren Levels kommt durchaus das Gefühl auf, dass Retro ihn übertrumpfen will.
Dabei gilt stets das Motto „schwer, aber fair“. Der Spieler merkt bei jedem verlorenen Leben, dass er einen Fehler gemacht hat, den er beim nächsten Versuch vermeiden kann. Anders als bei „Sonic Colours“ (vgl. Viele Farben: Blau) fühlt er sich nie um ein Leben betrogen. So kommt eigentlich nie Frust auf. Zwar schmerzen die verlorenen Leben, aber die Entwickler haben zahlreiche Möglichkeiten eingebaut Extraleben zu sammeln. Auch sind die Checkpoints, an denen der Spieler nach einem Fehlversuch startet, fair verteilt.
Sollte ein Spieler an einer Stelle partout nicht weiter kommen, darf er nach einigen verlorenen Leben Super Kong zu Hilfe rufen. Dieser beendet analog zu den Super-Assistenten in „New Super Mario Bros“ und Super Mario Galaxy 2 (vgl. Mario, grüß mir die Sterne!) das Level für den Spieler. Das Level gilt danach zwar nicht als geschafft, aber der Spieler darf auf der Karte voran schreiten und es später erneut versuchen.
Das reine Durchspielen des Levels ist ohnehin nur ein Teil der Herausforderung. Für jedes gibt es drei zusätzliche Ziele. Das erste ist das Einsammeln der vier KONG-Buchstaben in einem Durchlauf. Zusätzlich sind in jedem Level diverse Puzzleteile versteckt, die der Spieler allerdings nicht in einem einzigen Anlauf finden muss, um das Ziel zu erreichen. Die anspruchsvollste Aufgabe und eindeutig auf Hardcore-Gamer zugeschnitten ist der Time Trial, für den ein knappes Zeitlimit den Druck deutlich erhöht.
Optisch ist „Donkey Kong Country Returns“ sehr schön. Die SD-Grafik sticht freilich im HD-Zeitalter nicht so hervor wie seinerzeit die ungewohnt dreidimensional anmutende Gestaltung. Für Wii-Verhältnisse gehört sie dennoch zur Oberklasse und ist vor allem abwechslungsreich und lebendig. Die Dynamik spielt eine große Rolle: Oft wird ein Objekt, das eben noch nach Zierde im Hintergrund aussah, zum Hindernis im Spielgeschehen.
Die Steuerung ist präzise und weitgehend sehr gut. Eine Ausnahme bildet allerdings das Schütteln für einige Aktionen. Für die Trommelattacke, die Gegenstände zertrümmert und einige Gegner betäubt, passt es. Dass es auch zum Pusten – der Gorilla darf damit brennende Gegner ausblasen oder Geheimnisse beispielsweise in Pusteblumen entdecken – und für die Rollattacke zum Einsatz kommt, erschwert den Umgang mit dieser Art der Steuerung. Die Aktion beim Schütteln hängt von der Position des Control Sticks auf dem ebenfalls geschüttelten Nunchuk ab. Im Eifer des Gefechts stürzt der Affe schon mal mit einer Rollattacke in den Abgrund, statt den Angreifer mittels Trommeln zu lähmen.
Wie bei „New Super Mario Bros“ gibt es auch in „Donkey Kong Country Returns“ einen Coop-Modus, der allerdings auf zwei statt vier Spieler beschränkt ist. Diddy Kong unterstützt Donkey Kong auf seiner Mission. Der Zweispielermodus ist gewöhnungsbedürftig, da die Level auf einen Spieler zugeschnitten sind und zu zweit oft eher schwieriger als einfacher werden, da schon alleine nicht triviale Timing noch untereinander abgestimmt werden muss. Zudem bringt Diddy den größten Nutzen, wenn er auf Donkey Kongs Rücken sitzt, da sein Jetpack das Springen vereinfacht.
Im Einzelspielermodus kommt der kleine Begleiter ebenfalls zum Einsatz, jedoch darf der Spieler nicht zwischen den Figuren wählen, sondern steuert immer Donkey Kong. Unterwegs findet er Fässer, aus denen er Diddy befreit, der ihn anschließend begleitet. Außer dem Jetpack bringt der Freund zusätzliche Lebensenergie. Er ist im Solospiel somit am ehesten vergleichbar mit Marios Power-ups.
„Donkey Kong Country Returns“ zeigt mehr noch als „New Super Mario Bros“, wie viel Spaß gute Retrospiele machen. Seine größte Stärke ist das herausragende Level-Design. Das gilt sowohl für die Abwechslung als auch die Herausforderung. Der Schwierigkeitsgrad ist besonders nach heutigen Standards teilweise extrem hoch, aber immer fair. Mit Übung lassen sich alle Stellen gut meistern. Einhergehend mit der Herausforderung steigt auch das befriedigende Gefühl, ein Level tatsächlich geschafft, nicht wie in vielen neueren Games nur durchgespielt zu haben. Der Spieler findet Extraleben ebenso zahlreich und einfach, wie er sie an schwierigen Passagen verliert.
Insgesamt ist das Spiel auf geübte Gamer zugeschnitten, vergisst aber den Rest nicht. Wer sich an einer Stelle zu oft die Zähne ausbeißt, darf zur Frustvermeidung auf Super Kongs Hilfe zurückgreifen. Wem der ohnehin hohe Schwierigkeitsgrad dagegen nicht ausreicht, findet mit den Zeitherausforderungen absolute Hardcore-Gaming-Kost. Retro bleibt dem Erbe von Rares „Donkey Kong Country“ treu und hat ein großartiges, anspruchsvolles 2D- Jump-And-Run geschaffen.
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