Willkommen im Überwachungskapitalismus

Digital – medial – (a)sozial: Wie Facebook, Twitter, Youtube & Co unsere demokratische Kultur verändern (Teil 2)

Die Medienintermediären sind zu wichtigen Verbreitungsplattformen sämtlicher sonstiger Medien- oder Informationsanbieter und damit zu wirkmächtigen Meinungsmultiplikatoren geworden. Sie sind, ähnlich den klassischen Medien, zu virtuellen Redaktionen geworden und damit zu "Gatekeepern" der veröffentlichten Meinung.

Ihre Auswahl-Algorithmen entscheiden nicht unwesentlich darüber, welcher Medieninhalt wie viele und welche Nutzer tatsächliche erreicht.

Was in die News-Feeds, also die Nachrichten von ausgewählten Kontakten gespült wird oder in den Trefferlisten von Suchanfragen oben steht, wird häufig unreflektiert als wahr und als nach vermeintlich objektiven Kriterien relevant eingeordnet. Vielen Nutzern ist das Wirken einer algorithmischen Sortierfunktion dabei gar nicht bewusst.

Von der Utopie, dass über das World Wide Web jeder und jede unzensiert das Grundrecht auf Pressefreiheit wahrnehmen könnte und dass so eine basisdemokratische, herrschaftsfreie Kommunikation möglich würde, sind wir weit entfernt.

Empirische Studie haben herausgefunden, dass "die Erwartung, dass soziale Medien neue Räume für inhaltliche Debatten eröffnen" sich nicht bestätigen lasse. Es handle sich eher um eine niedrigschwellige kurzfristige, problem- oder betroffenheitsorientierte, teilweise zwar sehr intensive, aber nicht nachhaltig und langfristig angelegte Beteiligung.

Ein virtueller Raum "öffentlicher Beratschlagung" entstand nicht.

Inwieweit soziale Netzwerke zur "basisdemokratischen" Mobilisierung von Massen für politische Ziele in der Lage sind, wurde oft auch am Beispiel des "arabischen Frühlings" diskutiert. Die Meinungen sind kontrovers.

Einerseits gibt es die Überzeugung, dass es ohne den Einsatz verschiedener sozialer Netzwerke nicht zu derart um sich greifenden Massenaufläufen gekommen wäre.

Dagegen spricht, dass die Massen auch noch zu den Aufmärschen und Manifestationen gekommen sind, nachdem vor Ort das Internet gesperrt wurde. Auf den arabischen Frühling folgte jedenfalls kein Sommer der Demokratie, sondern Bürgerkrieg und Tod, so Justus Bender in der FAZ.

Politische Bewegungen brauchen nach wie vor eine Organisation

Man kann über das Internet Unterschriften sammeln und Online-Petitionen oder spontane Zusammenkünfte, "Flashmobs", oder Demonstrationen organisieren, wie es etwa die "Querdenker" gezeigt haben. Um dauerhaft Themen in die öffentliche Debatte hineinzutragen, braucht es jedoch nach wie vor Organisationen, die Bewegungen strukturieren, also Parteien und Verbände oder NGOs.1

"Ohne ein Gefäß für Meinungsaustausch, das eine Autorität in der Öffentlichkeit besitzt, können Sie keine Meinung bilden. Im Netz gibt es im Grunde keine Öffentlichkeit", schreibt Alexander Kluge.2

Spätestens seit den Enthüllungen des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden müssten alle wissen, dass die gewonnene Freiheit der Information mit einem Verlust an Anonymität und einer neuen privaten und/oder staatlichen Macht über persönliche Daten erkauft wird.

Die angeblich "kostenfreien" Internet-Dienste von Facebook und Co. sind vor allem auch Datenkraken, die mit dem Sammeln und dem Verkauf von Nutzerdaten Milliarden an Gewinnen machen.

Die fünf Tech-Giganten sitzen auf einem weltweit einmaligen Datensatz. So gibt es auf Google jeden Tag 3,5 Milliarden Suchanfragen.3

Die chinesische Suchmaschine Baidu erkennt, wo sich eine Menschenansammlung bildet. In China gibt es die ersten Modellversuche wie Online-Daten nicht nur zur umfassenden Überwachung genutzt werden können, sondern – über ein Sozialpunkte-System – das soziale Verhalten der Bürger bewertet und mit Sanktionen oder Vergünstigungen gesteuert werden soll.

Auch in Frankreich, England und in den USA gibt es sogenannte Safe Cities mit einer automatischen Auswertung der Videoüberwachung.4

Was in China der Staat betreibt, machen in der westlichen Welt private Internetgiganten. Nahezu alle Dienste waren oder sind in Datenskandale verwickelt.

So steht Facebook nicht erst seit der Affäre um die Firma Cambridge Analytica, bei der mehr als 87 Millionen Facebook-Nutzer ausgespäht und nach ihrem persönlichen Profil ausgewertet wurden, massiv unter Kritik. Ähnliche Skandale gab es auch bei Twitter, YouTube und Google.

Nach dem Cloud Act und dem Foreign Intelligence Surveillance Act (Fisa) sind die US-amerikanischen Tech-Unternehmen zur Herausgabe ihrer Daten an die US-Geheimdienste verpflichtet.

Die Harvard-Ökonomin Soshana Zuboff hat dafür den passenden Begriff "Überwachungskapitalismus" eingeführt

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