Winterkrieg 1939/40: Was die Ukraine aus Finnlands Kampf gegen Russland lernen kann

Seite 2: Der Winterkrieg: Finnlands Kampf gegen die Sowjetunion

Der Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion begann 1939, nachdem sich die Regierung in Helsinki geweigert hatte, einem Gebietsaustausch mit der Sowjetunion zuzustimmen. Führende finnischen Diplomaten und Militärs wie Carl Gustaf Emil Mannerheim plädierten für die Annahme der Vorschläge aus Moskau, weil sie diese für überschaubar hielten. Doch auf Druck ultrarechter Kräfte brach die finnische Regierung die Verhandlungen ab.

Um zu verstehen, warum der Gebietsaustausch der Sowjetunion einen Krieg wert war, muss man bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zurückblicken.

Finnland und Russland: Eine komplexe Beziehung

Bis 1917 war Finnland ein autonomer Teil des russischen Zarenreiches. Nach der Oktoberrevolution riefen die Finnen ihre Unabhängigkeit aus, die von den Bolschewiki auch anerkannt wurde.

Wie in vielen Teilen des ehemaligen Zarenreiches brach auch in Finnland ein Bürgerkrieg aus, der vom Deutschen Reich im Krieg gegen Russland ausgenutzt wurde. Die kaiserliche Armee baute Hilfstruppen aus finnischen Freiwilligen auf. Ab Februar 1918 intervenierte Deutschland im finnischen Bürgerkrieg auf der Seite der "weißen Truppen", die dann die russische Hauptstadt Petrograd, heute Sankt Petersburg, bedrohten.

Finnlands Weg zur Unabhängigkeit und die Folgen

Mit dem Frieden von Brest-Litowsk von 1918 endete zwar der Krieg mit Deutschland, der Krieg mit den Finnen ging aber weiter. An der Seite westlicher Interventionstruppen kämpften finnische Soldaten bis 1920 gegen Sowjet-Russland. Mit dem Vertrag von Dorpat/Tartu endete dieser Krieg.

Das schwache Russland musste damals territoriale Zugeständnisse an Finnland machen. Ost-Karelien und das Gebiet um Petsamo an der Eismeerküste gingen an Finnland.

Finnlands Rolle im Zweiten Weltkrieg

1939 war der Zweite Weltkrieg bereits ausgebrochen und die Sicherheit sowjetischer Gebiete stand ganz oben auf der Agenda. Die zweitgrößte Stadt des Landes, Leningrad, wie sie damals hieß, lag nur knapp 30 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt und damit in der Reichweite der Artillerie.

In Moskau musste man davon ausgehen, dass von Finnland aus eine Bedrohung für das Land entstehen könnte. In Finnland gab es für das faschistische Deutschland große Sympathien, auch Frankreich und Großbritannien waren zu dem Zeitpunkt keine verlässlichen Partner. Sie hatten es zuvor den Deutschen erlaubt, sich Teile der Tschechoslowakei einzuverleiben. Dann blieben sie tatenlos, als die Wehrmacht in Polen einrückte.

Finnland und die Sowjetunion: Der Weg zum Frieden

Nachdem die Finnen die Verhandlungen abgebrochen hatten, ließ Stalin dann einen Invasionsplan ausarbeiten. Die weitere Geschichte ist bekannt: Der anfängliche Plan scheiterte grandios. Mit einem zweiten Anlauf gelang der Durchbruch durch die befestigte Mannerheim-Linie.

Frankreich und Großbritannien drohten damit, Expeditionskorps in den Kampf gegen die Sowjetunion zu schicken, woraufhin Moskau von seinen Maximalzielen absah. Aber der finnische Oberbefehlshaber Mannerheim musste erkennen, dass keine Hilfen aus Paris und London zu erwarten war. Er drängte schließlich die Regierung in Helsinki, den Krieg umgehend zu beenden.

Friedensverhandlungen in Moskau: Ein Wendepunkt für Finnland

Der Historiker Michael Jonas, der an der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg, und am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) lehrt und forscht, schrieb dazu:

Während Stalin sich bereits der Marionettenregierung Kuusinen entledigt hatte, um die Wiederaufnahme von bilateralen Verhandlungen überhaupt erst zu ermöglichen, entsandte Helsinki seinen russlandpolitischen Routinier Paasikivi zu geheimen Sondierungen nach Moskau. Deren Ergebnis, fixiert im Moskauer Frieden vom 12. März 1940, lag in finnischer Sicht zwar weit jenseits der ursprünglichen Moskauer Forderungen, spiegelte aber den Geist und Gehalt der ursprünglichen Verhandlungen.

Finnlands strategische Entscheidungen nach dem Winterkrieg

Wie richtig der Kreml die Lage einschätzte, zeigte sich in den Jahren danach. Die finnische Gesellschaft hatte schon im Ersten Weltkrieg einen Hang zum Deutschen und sie akzeptierte sogar erniedrigende Knebelverträge aus Berlin. Nach dem Winterkrieg schloss Finnland wieder ein Bündnis mit Deutschland, erlaubte die Stationierung von Truppen und erlaubte den Deutschen die Nutzung von Häfen.

Der Fortsetzungskrieg: Finnlands Rolle im Weltkrieg

Im sogenannten Fortsetzungskrieg machten die Finnen gemeinsame Sache mit den Deutschen und marschierten in der Sowjetunion ein. Während die Feldzüge in Richtung Murmansk verloren gingen, beteiligten sie sich erfolgreich an der Blockade von Leningrad. Mehr als eine Million Menschen verhungerten damals in der Stadt, auch weil die Finnen die sowjetischen Versorgungslinien über den Ladogasee angriffen.

Ein "Großfinnland", von dem finnische Nationalisten träumten, konnte nicht verwirklicht werden. Stattdessen ging der Krieg für sie verloren. Im Juni 1944 begann die sowjetische Offensive in Ostkarelien und wieder drohte die komplette Besetzung Finnlands. Weil Finnland aber auch nicht oberste Priorität für den Kreml hatte und die militärischen Kapazitäten im Kampf gegen Deutschland benötigt wurden, ließ man von der vollständigen Besetzung ab.

Der Waffenstillstand und seine Folgen für Finnland

Auf dieser Grundlage schlossen beide Seiten schließlich einen Waffenstillstand. Für Finnland bedeutete dies aber kein Ende des Krieges. Das Abkommen mit der Sowjetunion sah vor, dass die deutschen Truppen Finnland verlassen mussten. Das führte schließlich zum Lapplandkrieg mit Deutschland, der Anfang 1945 endete.

Den endgültigen Frieden mit der Sowjetunion und Großbritannien erreichten die Finnen erst 1947. Er wurde zu noch härteren Bedingungen geschlossen als nach dem Winterkrieg. Nun musste Finnland auch das Gebiet um Petsamo wieder an die Sowjetunion abtreten. Damit verlor das Land seinen einzigen eisfreien Hafen am Nordmeer.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.