Wirecard-Affäre verknüpft sich mit Ibiza-Affäre
Morgen soll der Produzent des österreichischen Regierungssturzvideos zu Verbindungen zwischen österreichischen Politikern und Jan Marsalek aussagen
Das Berliner Kammergericht hat diese Woche entschieden, dass der Privatdetektiv Julian H., der Produzent des Ibiza-Videos, das 2019 die österreichische Regierung zu Fall brachte, nach Österreich ausgeliefert wird (vgl. "Piefke Collusion" und Ibiza-Affäre: "Mindestens 400.000 Euro" für die kompletten Aufnahmen). Vorher - nämlich morgen - soll er aber noch vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages aussagen.
"Vier Zusammenhänge"
Diese Aussage hat der mit einem europäischen Haftbefehl unter anderem wegen des Verdachts der Erpressung gesuchte 40-Jährige über seinen Rechtsanwalt und ein grünes Mitglied des Untersuchungsausschuss selbst eingefädelt. Angeblich verfügt der im Dezember in Berlin Festgenommene über Informationen zu "vier Zusammenhängen", über die er aussagen möchte.
Dem Standard zufolge wird er dabei unter anderem behaupten, im Juli 2017 den damaligen FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus getroffen zu haben, der ihm erzählte, er sei gerade aus Russland zurückgekehrt und habe den damals noch politisch gut vernetzten und inzwischen untergetauchten Wirecard-Vorstand Jan Marsalek dort auf einer Yacht getroffen. Gudenus, der seine politische Karriere nach dem Ibiza-Video beenden musste, weist das von sich. Außerdem soll es in der Aussage um eine Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Wirecard-Vorständen und dem österreichischen Innenministerium gehen. Neben Marsalek ist auch der ehemalige Wirecard-Vorstand Markus Braun österreichischer Staatsbürger.
"Sorgfältig geplant"
Bevor der Ibizafilmer an der Reihe ist, wird heute die aus den USA eingeflogene Hedgefondsmanagerin Fahmi Quadir vor dem Untersuchungsausschuss auftreten. Sie sagte der Berliner Zeitung vorab, die Wirecard-Manager hätten "genaue Pläne [gehabt], wie Wirecard zerschlagen werden sollte". "Jeder der einzelnen Schritte, wie das Geld aus dem Unternehmen herausgezogen werden soll", sei "sorgfältig geplant" gewesen. Dieser Plan sei jedoch gestört geworden, als die US-amerikanischen Behörden Marsaleks engen Vertrauten Ray Akhavan wegen Betruges anklagten.
Mit ihm fiel der Wirecard-Manager Reuben Weigand. Weigand soll aber nicht der letzte Dominostein gewesen sein, der in den USA umkippte: Quadir zufolge laufen dort "zahlreiche Ermittlungen", die "geheim [sind], um den Tätern keine Anhaltspunkte zu geben". Außerdem arbeite die US-Justiz "mit Insidern zusammen, die als Kronzeugen mitwirken". Ihrem Eindruck nach gehen die US-Behörden "viel entschiedener vor als die deutschen": "Sie wissen, wie man Geldwäsche bekämpft - und sie werden es auch im Fall Wirecard mit aller Härte machen."
Merkel ist am 23. April dran
Einen ganz ähnlichen Eindruck gewann der resignierte Linken-Abgeordnete Fabio De Masi. Seinen Worten nach geht man in Deutschland nur "amateurhaft" gegen Geldwäsche vor. Und seiner gegenüber der Berliner Zeitung offenbarten Meinung nach gab es nicht nur Politiker und Behördenmitarbeiter, "die ihre Hand über Wirecard gehalten haben", sondern auch "Leute aus den Geheimdiensten": "Nicht nur Russen, sondern Österreicher, und es gab auch belegte Kontakte Marsaleks zur CIA."
Mitglieder der Bundesregierung sollen dem Untersuchungsausschuss erst im April Rede und Antwort stehen. Am 20. April ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier dran, am 22. April Finanzminister Olaf Scholz, und am 23. April Kanzlerin Merkel. Von ihr wollen De Masio und andere Untersuchungsausschussmitglieder wissen, warum sie in China noch zu einer Zeit für Wirecard warb, als sie bereits über Verdachtsmomente unterrichtet gewesen sein könnte (vgl. Wirecard-Skandal: Wem bleibt der Schwarze Peter?).
Auffälliges Desinteresse
Bislang mussten in der Affäre nur Behörden- und Firmenmitarbeiter Konsequenzen ziehen, aber noch keine Politiker: Felix Hufeld, der ehemalige Präsident der Finanzaufsicht Bafin (die sich Quadir zufolge auffällig uninteressiert an Informationen über mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gezeigt hatte), Hufelds Vize Elisabeth Roegele, Edgar Ernst, der bald ausscheidende Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Ralf Bose, der ehemalige Leiter der Abschlussprüferaufsichtsstelle Apas, und Hubert Barth, der Ex-Geschäftsführungsvorsitzende der Wirtschaftsprüferfirma Ernst & Young (EY).
Diese Wirtschaftsprüfergesellschaft "mauert" dem Untersuchungsausschussmitglied Matthias Hauer von der CDU bislang, weshalb nun ein EY-Sonderermittler eingesetzt werden soll. Auch Klagen der Wirecard-Geschädigten Commerzbank und DWS könnten hier mehr Licht ins Dunkel bringen. Auffällig ist aber schon jetzt, dass es bereits zu Zeiten, als Wirecard noch allgemein bejubelt wurde, einzelne Stimmen gab, die warnten. Diese Stimmen konnten sich damals aber nicht gegen die Apparate durchsetzen.
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