Wirecard-Skandal: Wem bleibt der Schwarze Peter?

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz wollte das Unternehmen angeblich mit Coronageld retten und kritisiert nun den Bafin-Chef, der wiederum einen seiner Mitarbeiter angezeigt hat

Den Informationen der Bild-Zeitung nach wollte Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Skandalkonzern Wirecard mit Mitteln aus dem Corona-Hilfstopf retten. Dabei beruft sich die Zeitung auf ein ihr vorliegendes vertrauliches Dokument aus dem Juni 2020. Im Bundesfinanzministerium war gestern für Fragen dazu niemand erreichbar.

Reformbedarf

Stattdessen gab Finanzminister Scholz eine öffentliche Stellungnahme ab, mit der er indirekt den Bafin-Chef Felix Hufeld angriff: Der Insiderhandel mit Wirecard-Informationen, den es in der Aufsichtsbehörde gegeben haben soll, belegt dem SPD-Kanzlerkandidaten zufolge "den Reformbedarf, der dort herrscht". Weil Scholz außerdem ankündigte, demnächst Ergebnisse einer Untersuchung dazu vorzulegen, mutmaßen unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und die Wirtschaftswoche, dass Hufeld bald seinen Hut nehmen muss.

Hufeld wiederum hat nun einen der 85 Mitarbeiter seiner Behörde angezeigt, die Geschäfte "mit Bezug zu Wirecard" machten. Dem Mann wird vorgeworfen, am dem Tag, bevor die AG "Luftbuchungen" im Volumen von 1,9 Milliarden Euro eingestand, "strukturierte Produkte" verkauft zu haben. Dieser Verkauf, bei dem Insiderwissen aus der Aufsichtsbehörde das entscheidende Motiv gewesen sein könnte, ist aber nicht das Einzige, was man der Bafin im Wirecard-Skandal vorwirft.

Personalmangel

Den Informationen des Bayerischen Rundfunks nach hatte die Bezirksregierung von Niederbayern nach einem Hinweis der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst and Young die Aufsichtsbehörde bereits im Februar 2020 "um [eine] abschließende Einschätzung und entsprechende Rückmeldung" gebeten. Nachdem diese am 27. April noch nicht eingegangen war, fragten die Landshuter in Bonn "vorsichtig nach", erhielten aber immer noch keine Antwort.

Am 7. Mai formulierten sie etwas dringlicher ihre "Hoffnung, dass unser Anliegen mit diesem Schreiben Berücksichtigung findet und, sofern möglich, in naher Zukunft beantwortet werden kann". Trotzdem mussten sie Ernst and Young am 20. Mai davon in Kenntnis setzen, dass "eine Abstimmung mit der Bafin hierzu […] trotz wiederholter Anfragen leider bisher nicht möglich [war], da diese stets unbeantwortet blieben".

Die Bafin erklärt dieses Nichtreagieren bislang mit einer "seit langem angespannten Personalsituation". Das kann zutreffen - und würde die Frage aufwerfen, wer dafür verantwortlich war, dass nicht mehr Personal eingestellt wurde: Hufeld - oder Scholz?

Mit dieser Frage könnte sich auch der Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre beschäftigen, der dem Willen des FDP-Finanzpolitikers Florian Toncar nach nicht nur bis Ende April, sondern bis zum Juni tagen soll. Toncars Einschätzung nach ist der Fall so umfangreich, dass er sich in drei Monaten nicht klären lässt. Das liege nicht nur an der Menge der zu sichtenden Dokumente, sondern auch an der Zahl der relevanten Zeugen.

Vorbereitete Zeugen

Die Bundesregierung soll diesem Ausschuss bis zum Monatsende eine Erklärung über die Einhaltung der "gesetzlichen Vorgaben bei der Vorbereitung von Zeugen" liefern. Anlass dafür ist vor allem die Aussage eines jungen Bundesbankmitarbeiters, der in den Jahren 2017 bis 2020 im Kanzleramt tätig war.

2019 empfahl er dort die Absage eines Gesprächs zwischen Kanzlerin Merkel und dem damaligen Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun. Merkel warb auf einer Chinareise später trotzdem für das Unternehmen. Als er sich dazu vor dem Untersuchungsausschuss äußern sollte, machte der junge Mann einen extrem eingeschüchterten Eindruck: Er sah den Fragestellern nicht in die Augen, suchte vor jeder Antwort lange in Notizen, und machte für sein Alter untypische Erinnerungslücken geltend.

Später kam heraus, dass seine damalige Vorgesetzte im Kanzleramt nun als Vertreterin der Bundesregierung im Untersuchungsausschuss unmittelbar hinter ihm saß. Als ihn Fabio De Masi, ein Vertreter der Linkspartei im Untersuchungsausschuss, zu Kontakten vor seiner Aussage befragte, räumte der junge Mann zwar Gesprächen mit seiner Chefin ein, beteuerte aber, er sei dabei nicht beeinflusst, sondern lediglich darüber informiert worden, was er legal sagen könne, und was nicht.

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