Wirtschaftsflüchtling Saakaschwili wird Gouverneur von Odessa
Der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili steht in Georgien wegen Korruption auf der Fahndungsliste. Doch der ukrainische Präsident Poroschenko braucht ihn dringend
Der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili wurde am Sonnabend in der Gebietsverwaltung von Odessa vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zum neuen Gouverneur des Gebietes Odessa ernannt. Saakaschwili tritt die Nachfolge von Igor Paliza an, der am 6. Mai 2014, vier Tage nach dem Pogrom im Gewerkschaftshaus von Odessa (Die Tragödie von Odessa), von der Werchowna Rada als Gouverneur des Gebietes am Schwarzen Meer eingesetzt wurde.
Bereits am Freitag hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko dem georgischen Ex-Präsidenten die ukrainische Staatsbürgerschaft verliehen. Das kam nicht überraschend, denn Saakaschwili, der selbst Ukrainisch spricht, hatte dem Oligarchen Poroschenko im Kampf gegen den 2010 gewählten ukrainischen Präsidenten, Viktor Janukowitsch, in schweren Stunden beigestanden. 2013 und 2014 rief der georgische Wirtschaftsflüchtling auf dem Maidan in Kiew zum Sturz von Janukowitsch auf. Schon zuvor war er zum Präsidentenberater ernannt worden, das hat ihm sicherlich neue Einkünfte verschafft.
Bereits der vierte Ausländer mit hohem ukrainischen Staatsamt
Saakaschwili ist bereits der vierte Ausländer, der von Poroschenko eingebürgert und mit einem hohen Staatsamt betraut wurde. Im Dezember 2014 bekamen drei Ausländer Ministerposten. Natalia Jaresko (aufgewachsen in den USA) wurde Finanzministerin, Aivaras Abromavičius (Litauen) Wirtschaftsminister und Alexander Kvitashvili (Georgien) Gesundheitsminister. Die drei seien geeignet, "unorthodoxe", radikale Reformen durchzuführen, erklärte der ukrainische Präsident damals.
Die Ernennung von Saakaschwili zum Gouverneur ist heikel, denn Saakaschwili ist Ausländer und auch noch auf der Flucht. Nach dem Ablaufen seiner letzten möglichen Amtszeit im Oktober 2013 hatte er Georgien verlassen. Unmittelbar darauf eröffnete die georgische Staatsanwaltschaft mehrere Strafverfahren gegen den Flüchtigen und schrieb ihn zur Fahndung aus. Bei den Strafverfahren geht es um die Entwendung von fünf Millionen Dollar aus der Staatskasse für den persönlichen Verbrauch.
Poroschenko drängt Kolomoiski weiter zurück
Was hat Poroschenko nun veranlasst, eine solch windige Figur wie Saakaschwili zum Gouverneur zu ernennen, fragen sich Kritiker der Regierung in Kiew. Offenbar wird Saakaschwili - wie auch die drei ausländischen Minister in der ukrainischen Regierung - gebraucht, um unpopuläre oder auch gefährliche Maßnahmen durchzuführen.
Saakaschwili übernimmt in Odessa ein Amt, das bisher Igor Paliza innehatte. Paliza ist ein Vertrauensmann des Oligarchen Igor Kolomoiski. Dieser konnte Paliza nach dem Progrom im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 als neuen Gouverneur durchsetzen. Im März 2015 kam es jedoch zwischen Poroschenko und Kolomoiski zu einem Streit um staatliche ukrainische Energie-Unternehmen (Oligarch Kolomoiski lässt ukrainisches Pipeline-Unternehmen stürmen), in dessen Folge der ukrainische Präsident Kolomoiski von seinem Amt als Gouverneur der südostukrainischen Region Dnjepropetrowsk abberief (Will der ukrainische Oligarch Kolomoiski nun auch eine "Republik"?). Der US-Botschafter in Kiew machte offenbar seinen Einfluss auf Kolomoiski geltend und sorgte dafür, dass der Oligarch angedeutete separatistische Pläne der von ihm kontrollierten Region Dnjepropetrowsk nicht weiter verfolgte.
Saakaschwili als "Enteiser von vereisten Konflikten"?
Möglicherweise wird Saakaschwili auch als "Enteiser von vereisten Konflikten" gebraucht. Das vermutet zumindest der Chefredakteur des oppositionellen Internetportals Timer aus Odessa, Juri Tkatschew.
Das Gebiet Odessa grenzt direkt an die von Moldau abtrünnige und von Russland unterstützte Region Transnistrien (Pridnestrowskaja Moldawskaja Resublika). In den letzten zwei Wochen hatten die Spannungen zwischen Moldau und Russland um die international nicht anerkannte "Transnistrische Moldauische Republik" zugenommen. Bereits fünfmal wurden auf dem Flughafen in der Moldau-Hauptstadt Chişinău Inspektoren des russischen Militärs festgehalten, welche die im abtrünnigen Transnistrien stationierten Einheiten der russischen Friedenstruppe besuchen wollten. Wie diese Vorfälle zeigen, bekäme Russland im Falle eines Konflikts Nachschubprobleme. Denn Transnistrien kann von Russland nur aus der Luft mit Nachschub versorgt werden.
1992 wurde ein Bürgerkrieg zwischen Moldau und Transnistrien mit Hilfe der in Transnistrien stationierten 14. Armee unter dem russischen General Aleksandr Lebed 1992 beendet. Seitdem ist in Transnistrien eine mehrere hundert Mann starke Friedenstruppe der russischen Armee stationiert, was der EU und der Nato, welche die Zusammenarbeit mit Moldau gerne vertiefen würden, Kopfzerbrechen bereitet. Transnistrien ist zwar arm, aber ein Industriegebiet und lässt sich durch seine multinationale Zusammensetzung schwer auf eine Seite ziehen. Die 500.000 Einwohner der nichtanerkannten Republik sind etwa zu drei gleichen Teilen Moldauer, Ukrainer und Russen.
Doch mit der Staatskrise in der Ukraine rückt auch Transnistrien wieder in den Fokus der Militärs. Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Phillip Breedlove, hatte im Februar vor einer russischen Aggression im abtrünnigen Transnistrien gewarnt. Die russischen Truppen seien dort, "um Moldau von einer Annäherung an den Westen abzuhalten" hatte der Vier-Sterne-General erklärt.
Saakaschwili hat Erfahrung mit Protestbewegungen
Ob Saakaschwili nun als Enteiser eines vereisten Konflikts tätig wird, wie der Kommentator aus Odessa meint, müssen die nächsten Wochen zeigen. Der ukrainische Präsident kann sich auf Saakaschwili auf jeden Fall verlassen. Bei der Amtseinführung am Sonnabend lobte Poroschenko den ehemaligen Präsidenten Georgiens als "großen Freund der Ukraine, als Menschen, den ich seit 25 Jahren kenne, noch aus der Universität" (Saakaschwili machte seinen Uni-Abschluss 1992 in Kiew), "als Menschen, der ein ganzes Land verändert hat" . Damit spielte Poroschenko auf die von Saakaschwili in Georgien angeführte "Rosenrevolution" von 2003 und die anschließenden radikalen Reformen an. Diese Reformen hatten zwar zu einer Straffung des georgischen Polizeiapparates geführt, das Lebensniveau der einfachen Menschen jedoch nicht verbessert.
Wegen der anhaltenden Armut in Georgien und wegen des autoritären Regierungsstils von Saakaschwili entwickelte sich in der Kaukasusrepublik 2007 eine Massenbewegung gegen den "Rosenrevolutionär". Die Protestbewegung versuchte Saakaschwili mit Notstandsmaßnahmen und Polizeiterror einzudämmen. Offenbar als Ablenkungsmanöver startete der georgische Präsident im August 2008 auch noch den Versuch, die seit 1990 abtrünnige und international nicht anerkannte "Republik Südossetien" zurückzuerobern. Das Abenteuer scheiterte ("Saakaschwili hatte die Rückendeckung der USA"). Nach der Niederlage der georgischen Armee erkannte Russland die abtrünnigen "Republiken" Südossetien und Abchasien als Staaten an, was eine Wiedereingliederung der beiden Gebiete in den georgischen Staatsverband in weite Ferne rückte und die Bevölkerung in Georgien noch mehr gegen Saakaschwili aufbrachte.
Mit Oppositionsbewegungen hat Saakaschwili keine gute Hand. Trotzdem präsentierte er sich am Sonnabend gegenüber der Presse in Odessa als Schlichter zwischen den Anhängern und Gegnern der Kiewer Regierung in Odessa. Es sei nötig, "die Stadt zu vereinigen und eine Verständigung unter den Bürgern" herzustellen, erklärte der neue Gouverneur.
Saakaschwili bat die Bürger auch "um eine Chance für einen großen Umbau". Der neuernannte Gouverneur versprach gegen die Korruption -besonders im Hafen - vorzugehen. Leitungsfunktionen bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft werde er neu besetzen und aus dem "multinationalen Odessa" mit seinem "großen Potential" wirtschaftlich eine so erfolgreiche Stadt machen wie die georgische Stadt Batumi.
Reaktionen auf die Ernennung von Saakschwili
Der ukrainische Oligarch Igor Kolomoiski äußerte sich zu dem neuernannten Gouverneur des Gebietes Odessa abfällig und wirr. "Was Saakaschwili betrifft. bin ich erstaunt. Ich glaube das ist eine zeitweilige Figur. Er wird Odessa jetzt den Russen geben, und danach wird man sie (die Stadt, U.H.) erneut zurückerobern müssen. Er wird einige Zeit Gouverneur sein, und danach wird man ihn mit einer Armseligkeit wie Gontscharenko austauschen." Aleksej Gontscharenko ist der Leiter der Gebietsverwaltung von Odessa.
Der Vorsitzende der Radikalen Partei, der Rechtsradikale Oleh Ljaschko, kritisierte die Ernennung eines Ausländers zum Gouverneur des Gebietes Odessa als "Erniedrigung der Ukraine". Die Radikale Partei bekam bei den ukrainischen Parlamentswahlen im Oktober 2014 acht Prozent der Stimmen und hat die Partei Swoboda von Oleh Tjagnibok als führende Kraft der ukrainischen Rechtsradikalen abgelöst.
Von russischen Politikern gab es nur sarkastische Kommentare. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Aleksej Puschkow, erklärte laut Ria Nowosti, "Saakaschwili könne im besten Fall eine Kolonne von Häftlingen anführen". Der russische Ministerpräsident, Dmitri Medwedew, drückte der Ukraine nach Mitteilung der Nachrichtenagentur "sein Beileid" für die Ernennung von Saakaschwili aus.
Von Ulrich Heyden erschien Anfang Mai das Buch: "Ein Krieg der Oligarchen. Das Tauziehen um die Ukraine", PapyRossa, 173 Seiten, 12,90 Euro.
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