Wo russisches Gas weiter gefragt ist
Prozentual steigen russische Gasimporte in Österreich. Der halbstaatliche Energiekonzern OMV bohrt selbst ein bisschen. Droht nun auch Fracking?
Die Aufregung war groß, als es Aktivisten der "Letzten Generation" am Montagmorgen gelungen war, die Stadt Wien "lahmzulegen". Lahmlegen ist sicherlich eine gewisse Übertreibung, aber immerhin kamen zehn Kilometer Stau auf der Einfallsstraße A2 zusammen.
Ärger wurde sichtbar, der sich bis zur Verzweiflung steigerte. Autofahrer gingen auf die Protestierenden los – und weite Teile der die Politik begriffen die Aktion als Geschenk des Himmels. Endlich ließ sich wieder klar Kante zeigen; und so wurde eifrig von rechts gegen "Klima-Chaoten" gewettert, inklusive der bekannten Forderung nach Strafverschärfungen.
Aber auch in der linken Reichshälfte wird es einigen zu viel des Protestes. Mit Aktionen wie diesen ließen sich keine gesellschaftlichen Mehrheiten gewinnen, verkündete die grüne Parlamentsabgeordnete Olga Voglauer. Selbst der österreichische Klimarat, auf den sich die Letzte Generation mit ihrer Aktion berief, distanzierte sich von der Aktion der Klimaaktivisten.
Der Klimarat hatte im Auftrag des grünen Umweltministeriums mittels Bürgerbeteiligung Forderungen entwickelt, wie das Klima zu schützen sei. Seine Empfehlungen wurden von der Politik bereits wieder weitgehend vergessen.
Die Entwürfe schlummern in irgendwelchen Schubladen und blieben gesetzlich unverbindlich. Auch der Klimarat machte Anfang der Woche deutlich. Ein Plan, wie Österreich ernsthaft seine Klimaversprechen einhalten könnte, steht in weiter Ferne.
Bei allem Verständnis für die ohnehin schon gestressten Arbeitnehmer, die vor den Toren Wiens im Stau standen, ohne die Klebeaktion der Letzten Generation wäre das sanfte Entschlafen der Forderungen des Klimarates sicherlich nicht, zumindest am Rande, wieder in die Medien gelangt. Irgendwie hat sich die Österreichische Öffentlichkeit mit dem Nichtstun ziemlich gut eingerichtet.
Weiter Gas geben
Im September importierte die Republik Österreich 80 Prozent ihres Gases aus Russland. Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass in diesem Monat der Gas-Import im Ganzen relativ gering war. Die Mengen aus Russland haben sich seit Februar 2022 in absoluten Zahlen sogar mehr als halbiert.
Für die prozentuale Steigerung der Gasimporte aus Russland gibt es sicherlich zahlreiche praktische Gründe. Die Nachbarländer schnappen die nicht-russischen Gasmengen am Weltmarkt weg, die neu errichtete Infrastruktur für Flüssiggas (LNG) ist noch sehr fehleranfällig und kann versprochene Lieferungen nicht einhalten und dergleichen mehr.
Wenn das Umweltministerium dies entschuldigend anführt, dann klingt das allerdings verdächtig nach den Ausreden säumiger Schüler, denn die Notwendigkeit einer Energiewende sollte seit Jahrzehnten bekannt sein. Man beließ es aber bei unverbindlichen Plänen und vagen Ankündigungen.
So beeilt sich das Umweltministerium zu verlautbaren, dass Österreich bis 2040 energieautark sein will. Das ist ein großzügig bemessener Zeitrahmen, der einerseits den enormen Schwierigkeiten des Gasaustiegs geschuldet ist, zugleich aber auch eigentümlich bequem ist.
Denn hinter den großen Schwierigkeiten verborgen, liegt das hässliche realpolitische Faktum, dass die nötigen, täglichen "kleinen Schritte" unterbleiben, vermutlich weil der Gegenwind zu groß ist.
Der kleine grüne Koalitionspartner hat hierfür eine simple Erklärung. Mit dem großen Koalitionspartner ÖVP geht das einfach alles nicht. Nur leider muss man nach bald fünf Regierungsjahren die Frage an die Grünen zurückgeben. Wer mit "dieser Volkspartei" einen Pakt geschlossen hat und wieder und wieder konstatieren muss, dass nichts geht, hat sich eben eingerichtet und trägt die fatale Fehlentwicklung mit.
Klimaschutz gefällig?
Wie halbherzig die österreichische Regierung ums Klima kämpft, zeigt eine aktuelle Studie, die belegt, dass die öffentliche Hand in Österreich 87 Milliarden in die staatseigene Infrastruktur sinnvoll für den Klimaschutz investieren könnte, dies aber schlicht nicht tut. Niemand kann die Republik davon abhalten, auf die eigenen Immobilien Solarpaneele zu schrauben und dergleichen mehr. Aber es passiert einfach nicht.
Zur gleichen Zeit bohrt im Frühjahr 2023 im niederösterreichischen Groß-Enzersdorf der halbstaatliche Energiekonzern OMV ein 5.000 Meter tiefes Loch neben einem Naturschutzgebiet. Nur um mal nachzuschauen. Niemand habe die Absicht, Fracking zu betreiben, erklären die Verantwortlichen. Aber wenn man mit ein bisschen Glück Gas findet, dann sei ja nichts Schlimmes passiert.
Wer so agiert, glaubt an keine Energiewende, der hält das – volkstümlich ausgedrückt – für einen Schmäh. Das faszinierendste Faktum hierbei ist, dass dieses Doppeldenk in Österreich kaum je ein Thema ist. Besonders greifbar wird dies im Umgang mit russischem Gas.
Der Schock des russischen Angriffs auf die Ukraine saß im Frühjahr 2022 tief. Viele Familien waren aus der nicht weit entfernten Ukraine nach Wien geflohen. Es herrschte eine ungewöhnlich wache und besorgte Stimmung in der Stadt. Die österreichische Bevölkerung war solidarisch und vielleicht sogar, um es pathetisch zu formulieren, zu Opfern bereit.
Was folgte? Mit dem 24. November 2023 finanziert die Republik Österreich nun seit 639 Tagen die russische Kriegsmaschinerie, indem man dem Kreml sein Gas weiterhin abkauft. Die geopolitische Ohnmacht gesellt sich zur umweltpolitischen.
Es gibt dieses kuriose Gefühl in Österreich, es würde schon alles irgendwie in Ordnung kommen. Das ist – gelinde gesagt – eine gewagte Wette. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es keine. Die Welt steuert, laut UN, auf eine Erwärmung von 3 Grad Celsius zu. Dann dürfte es auch in Österreich ungemütlich werden.