Zwischen billigem Erdgas und Geopolitik: Wohin treibt die deutsche Wirtschaft?
Deutsche Wirtschaft stand auf den Säulen billigen Erdgases und freien Handels. Dieses Fundament ist erschüttert. Bleibt nur noch die Wahl zwischen China und den USA?
Das deutsche Wirtschaftsmodell ist an sein Ende gekommen. Billige Energie aus Russland und freier Handel waren seine Erfolgsfaktoren. Lange Zeit dominierte Deutschland die globalen Märkte für hochwertige Produkte für Luxusautos und Industriemaschinen. Etwa die Hälfte der Wirtschaft konnte vom Export leben.
Damit soll nun Schluss sein. Eine Zukunft, die von tiefgreifenden geopolitischen Veränderungen geprägt sei, stelle Deutschland vor erhebliche Probleme, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich.
"Unser Wirtschaftsmodell beruhte auf billigem russischem Gas und dem chinesischen Markt", sagte Habeck laut der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) beim Transatlantic Forum on Geoeconomics in Berlin. "Das eine gibt es nicht mehr, und China ist nun ein systemischer Rivale."
Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender des deutschen Chemiekonzerns Evonik Industries, sagte gegenüber Euronews, der Verlust des billigen russischen Erdgases habe das "Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft schmerzhaft beschädigt".
Kullmann warnte vor einer drohenden Deindustrialisierung der Bundesrepublik. Wegen der hohen Energiekosten und der Untätigkeit der Bundesregierung würden Unternehmen Fabriken und Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.
Die Bundesregierung hat das Problem der hohen Energiepreise erkannt. Sie erwägt, den Strompreis mittels staatlicher Gelder zu drücken. Der sogenannte Industriestrompreis ist allerdings umstritten, denn auf Kosten der Steuerzahler würde den Unternehmen unter die Arme gegriffen, ohne dabei das Angebot an Energie zu erhöhen.
Für letzteres plädierte der ehemalige Daimler-Vorstand Eckhard Cordes in der Berliner Zeitung. Um mehr günstiges Erdgas zur Verfügung zu haben, könnte die gesprengte Nord-Stream-Pipeline repariert werden. Auch die deutschen Atomkraftwerke könnten wieder hochgefahren werden, um mehr Strom zur Verfügung zu haben. Beides sind aber Lösungen, die der Bundesregierung nicht gefallen dürften und für die es momentan keine Mehrheiten geben dürfte.
Warnungen vor einer möglichen Abwanderung der Industrie waren in den vergangenen Monaten immer wieder zu hören. Ob diese Warnungen Schwarzmalerei sind oder Substanz haben, bleibt offen.
Wirtschaftsminister Habeck gibt sich bewusst optimistisch. "Wir brauchen keine Angst zu haben", sagte er. Deutschland bleibe die größte Wirtschaftsmacht in Europa.
Sorge bereitet ihm eher die Erkenntnis, dass auch die USA dabei sind, sich Einflusszonen zu schaffen. Und dass Europa für die Regierung in Washington nicht mehr oberste Priorität habe. "Wir können aus einer europäischen Perspektive nicht übersehen, dass die wichtigste Beziehung für die USA nicht jene zu Europa, sondern die zu China ist", so Habeck.
Die Regierung in Washington geht indes davon aus, dass sich die Probleme Deutschlands in den nächsten Jahren noch verschärfen könnten. Ein mögliches Szenario sei, heißt es in der NZZ, dass Deutschland zwischen den Machtblöcken eingeklemmt werden könnte.
Auf der einen Seite die USA, die für Deutschlands Sicherheit sorgen. Auf der anderen Seite China, von dem es wirtschaftlich abhängig ist.
Neuer Zürcher Zeitung
Sollte es zwischen China und den USA zu einem Konflikt kommen, wird sich Deutschland entscheiden müssen, wo es steht. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist allerdings schon dabei, den Deutschen die Entscheidung abzunehmen. Und dabei wird sie von der US-Regierung unterstützt.
Die angekündigte Anti-Dumping-Untersuchung für chinesische Elektroautos hat das Potenzial, einen neuen Handelskrieg zwischen beiden Ländern auszulösen. Wenn die EU-Kommission nachweisen kann, dass die Chinesen ihren Autobauern unerlaubte Subventionen zukommen lässt, dann könnten Strafzölle verhangen werden. Und die Regierung in Beijing hat für diesen Fall bereits Gegenreaktionen angekündigt.
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