Wohnen: die deutschsprachigen Eigentums-Muffel

Seite 2: Kauf oder Miete?

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Die steigenden Wohnungspreise betreffen Kauf ebenso wie das Mieten. Man wird dem nur etwas entkommen können, wenn man Ansprüche an "Lage", Größe und "Qualität" zurückschraubt. Was spricht nun für und gegen Kauf und Miete?

Mobilität: Wer beweglich bleiben will oder muss, ist mit Miete besser dran - das ist problemloser, schneller, kostengünstiger. Bleibt man irgendwo nur zwei, drei, vier Jahre, zahlt sich ein Kauf nicht aus.

Vorstellungen, Lebensziele: Wenn eine dauerhaft geplante Partnerschaft oder ein Kind für geordnete Bahnen sorgen, oder man sich sicher ist, an einem Ort länger bleiben zu wollen, wird Kauf meist eine bessere Alternative sein. Gibt es ein Kind, ist man ohnedies zu einer gewissen Dauerhaftigkeit verpflichtet, selbst wenn manche das nicht gerne hören wollen.

Immer ist vorausgesetzt, gewisse Eigenmittel sind verfügbar, ohne Eigenmittel wird es keine Kaufwohnung geben.

Eine alte Übersichtsseite der Stiftung Warentest kann zum Planen hilfreich sein, sofern man heute aktuelle Werte einsetzt, also geringere Kreditzinsen, keine Sparzinsen).

Eigenmittel

20 oder 25 Prozent des Kaufpreises einer Wohnung wird man zur Verfügung haben müssen, um eine Bankfinanzierung zu bekommen. Das muss nicht selbst Erspartes sein, das kann auch von den Eltern oder Großeltern kommen, sei es als Erbschaft oder als Vorgriff darauf. Konventionelle Mittelschichteltern greifen durchaus zu ihren Ersparnissen, wenn das dreißigjährige Kind endlich von daheim auszieht. Menschen aus der Unterschicht sehen da meist durch die Finger. Denen hilft auch die öffentliche Hand nicht, etwa mit zinslosen Ersatzdarlehen für Eigenmittel (so etwas gab es eine Zeit lang etwa in Österreich).

Grundsätzlich ist heute die Förderung von Wohnungseigentum weitgehend abgeschafft. Im Gegenteil - der Erwerb wird gerade für die wirtschaftlich Schwächeren schwergemacht: die Grunderwerbssteuer, 3,5 Prozent vom Kaufpreis (in manchen deutschen Bundesländern fast das Doppelte), eine de-facto-Pflicht, den Kauf von Notaren teuer durchführen zu lassen, machen zusätzliche Belastungen aus.

Vorteile von Wohnungseigentum

Wenn man aus einer Mietwohnung nach zehn oder zwanzig Jahren auszieht, war es dann das, bestenfalls bekommt man eine hinterlegte Kaution zurück, die Miete rentierte derweilen beim Vermieter. Verkauft man eine Eigentumswohnung nach jenen Jahren, wird man sie vermutlich noch nicht lastenfrei haben, jedoch ist ein Vermögen da (und natürlich der Rest vom Hypothekenkredit). Trennen sich zwei nach zwanzig Jahren, dann hat ein jeder ein Kapital für einen Neustart. Stirbt ein Partner, hat der andere ein Erbe; sterben beide, dann hat das Kind ein hübsches kleines Vermögen und damit zumindest substantielle Sicherheit bei möglichen existentiellen Katastrophen.

Dieser Vermögensaufbau durchs Wohnen ist der eine Vorteil. Der zweite Vorteil ist, freies Geld wird eher in die Wohnung investiert, statt in ökologisch problematischen Konsum. Das hat sich bei den vielen Häuslebauern vergangener Jahrzehnte gezeigt. Da wird das Auto gern 12 oder 15 Jahre gefahren, da gibt es halt Urlaub in Kroatien statt auf Mauritius und beim Essengehen ist man ebenfalls sparsam. Praktizierte Konsumökologie sozusagen.

Die links-grüne Gefahr fürs Wohneigentum

Natürlich klingt das für jene, die auf Eigenmittel zurückgreifen können, verlockend, wäre da nicht eine Gefahr, mit der linke und grüne Parteien seit Jahrzehnten drohen: Erbschaftssteuern und Vermögenssteuern hätten die gern und man kann darüber mit ihnen nicht mehr diskutieren (Diskursverweigerung scheint, sarkastisch gesagt, heute eine zerebrale Masseninfektion zu sein).

Zwar, das wird beschwichtigend stets dazugesagt, Steuer erst bei großem Vermögen, erst ab einer Million oder so ähnlich. Klingt gut, ist aber grundfalsch - Erbschafts- und Vermögenssteuern bringen nur dann etwas, wenn man damit die Massen erfassen kann. Das wussten schon die Fürsten des Mittelalters und haben damals die erste mitteleuropäische Rebellion hervorgerufen. Die Bauernaufstände der Jahre 1524/25 richteten sich vor allem gegen die Erbschaftssteuern, die selbst für kleine Bauern bis zu 50 Prozent betragen haben. Da konnte man sich nur den Strick nehmen.

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Vernünftige Wohnpolitik

Eine vernünftige Wohnpolitik würde verstärkt auf Wohneigentum für wirtschaftlich Schwächere setzen; durchaus marktkonform, etwa mit den erwähnten zinslosen Eigenmittelersatzdarlehen. Damit ließe sich als Nebeneffekt ein existentielles Notpolster für diese große Gruppe schaffen und, wenn man vorzeitige Darlehensrückzahlungsformen einräumt, ein umweltfreundlicheres Konsumverhalten.

Wohneigentümer sind übrigens achtsamer als Mieter, also ebenso ein Beitrag gegen die Verslumung. Dass einige neue wirtschaftliche Wohnungseigentümer nicht passend mit ihrem Eigentum umgehen würden, spricht nicht dagegen, sonst müsste man beispielsweise Führerscheine ganz generell verbieten. Werden dazu dann noch transparente genossenschaftliche Wohnbauformen gefördert, wäre das ein essentieller und intelligenter Beitrag zur Linderung der gegenwärtigen Wohnprobleme.

Der Stolz vieler Arbeiter der großen Industriebetriebe in den 1960er und 1970er Jahren war nicht, dass sie ihr Leben lang einer unzuverlässigen Sozialdemokratie die Treue gehalten haben oder das Fußballspiel der damals noch Amateurvereine, sondern dass sie sich ein Häuschen schaffen konnten, das für ihr Kind mitgedacht ist. Das war ein authentisches, echt-linkes proletarisches Vermächtnis: Es bleibt von mir, von meiner Arbeit, von den ganzen Mühen des Lebens, zum ersten Mal etwas da in der Welt und es ist dazu eine Unterstützung für mein Kind.