Wollen wir vom Krieg in der Ukraine nichts mehr wissen?

Präsident Selenskyj im Parlament in Kiew, im Hintergrund noch Boris Johnson. Bild: rawpixels.com

Oxford-Reuters-Studie sieht Vertrauen in Leitmedien auf Rekordtief. Mediennutzer sollen nachrichtenmüde sein. Das gilt allerdings nicht für alle Informationsangebote.

"Nachrichtenmüdigkeit in Deutschland nimmt weiter zu", so titeln wichtige Medien wie Tagesspiegel oder Tagesschau weitgehend übereinstimmend, mit Blick auf die aktuelle Ausgabe des Reuters Institute Digital News Report 2023, dessen deutsche Teilstudie das Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg durchführte.

Die Reuters-Studie aus Oxford gilt als eine der weltweit wichtigsten Untersuchungen zur Mediennutzung. Diesmal wurden im Januar 2023 in 46 Ländern fast 100 000 Erwachsene auf sechs Kontinenten interviewt. Pro Land also ca. 2.000 ausgewählte Leute, womit die Studie repräsentativ sein soll.

Spannend mit Blick auf die Lage in Deutschland ist vor allem die Frage, welcher Art von Nachrichten genau die Menschen denn "müde" seien? Hierzulande gilt laut Studie:

Derzeit werden vor allem Nachrichten zum Ukraine-Krieg gemieden.

Leibniz-Institut für Medienforschung.

Nachrichtenthema "Krieg in der Ukraine"

Genauer gesagt: Bei denjenigen, die mitunter bestimmten Nachrichtenthemen aus dem Weg gehen, ist der Krieg in der Ukraine mit einem Anteil von 45 Prozent das deutlich am häufigsten genannte Thema, das aktiv gemieden wird.

Aber sollte man die aktive Vermeidung von bestimmten Nachrichten in bestimmten Medien generell als "Nachrichtenmüdigkeit" bezeichnen?

Vielleicht meiden Mediennutzende in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und Spaltungen je nach sozialer Lage gewisse Medien, gewisse Themen, gewisse Beiträge? Und nutzen dafür eher andere Medien?

Interessante Spuren

Darauf wird leider kaum näher eingegangen. Allerdings gibt es einige interessante Spuren in dieser Richtung: Denn knapp die Hälfte der Befragten versuche zumindest gelegentlich, zu ändern, welche Nachrichten und Informationen sie auf Online-Plattformen sieht.

Der meistgenannte Grund hierfür ist der Wunsch nach verlässlicheren Inhalten sowie nach vielfältigeren Perspektiven und Ansichten. Und spätestens dann kommen ja auch andere Medien ins Spiel. Immerhin weist auch die Studie darauf hin, dass insgesamt "traditionelle Nachrichtenanbieter aus TV, Radio und Print die Nachrichtennutzung im Internet" dominierten.

43 Prozent der Befragten nutzten regelmäßig "Inhalte etablierter Nachrichten". Auch daher bleibt Raum für andere Formen der Mediennutzung. Immerhin 20 Prozent der Interviewten geben an, mindestens einmal pro Woche "andere Nachrichtenquellen online" (im Vergleich zu den Ablegern etablierter Medien) zu nutzen.

Aktive Nachrichtenvermeidung

Jeder zehnte Befragte versucht laut Studie dabei "oftmals aktiv", Nachrichten zu vermeiden; 65 Prozent versuchten dies zumindest gelegentlich.

Diese Daten sind im Vergleich zum Vorjahr stabil, nachdem es beim Thema "Nachrichtenvermeidung" in den jüngsten Jahren zu deutlichen Anstiegen gekommen war. Aktive Nachrichtenvermeidung äußert sich in unterschiedlichen Verhaltensweisen.

Die relativ meisten der Befragten, die zumindest gelegentlich Nachrichten vermeiden, ignorieren Nachrichten, scrollen weiter oder schalten um, sobald sie diesen begegnen (31 Prozent). Nachrichtenvermeidung kann aber auch gezielter erfolgen, indem nur bestimmte Nachrichtenthemen (29 Prozent) oder Nachrichtenquellen (27 Prozent) gemieden werden.