World Economic Forum in Davos: Neue Strategien gegen den Vertrauensverlust
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Beim WEF in Davos stehen der globale Vertrauensverlust und innovative Lösungen im Zentrum. Fokus auf Klimawandel, Ukraine-Krieg und Nato-Beziehungen.
Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns. Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.
Berthold Brecht
World Economic Forum: Vertrauensaufbau in Krisenzeiten
Die Welt stehe einem Vertrauensverlust gegenüber, heißt es von der diesjährigen Jahrestagung des World Economic Forums in der höchstgelegenen Stadt Europas, dem Schweizerischen Davos. Das Motto lautet diesmal "Rebuilding Trust": Man will Vertrauen zurückgewinnen.
Dazu gibt es glänzende Ankündigungen: "bahnbrechende Lösungen und Maßnahmen zur Bewältigung globaler Herausforderungen ermitteln" und eine Rede der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die an Friedrich Sieburgs Formulierung vom "parfümierten Schnee" denken lässt. Warum?
In ihrer Rede stellt die EU-Kommissionspräsidentin als "größte Sorge für die nächsten zwei Jahre" weder Konflikt oder Klima heraus, "sondern Desinformation und Fehlinformation, dicht gefolgt von der Polarisierung innerhalb unserer Gesellschaften".
Untermalt wird dies mit einer Schautafel aus dem Global Risk Report 2024, in dem "Fehlinformation und Desinformation" den ersten Platz der Risiken für die nächsten zwei Jahre belegen, vor Extremwetter-Ereignissen und Polarisierung; kriegerische Konflikte belegen Platz 5 der Top Ten der Risiken.
Klimawandel: Top-Risiko im Global Risk Report 2024
Erst in der Schau auf die Risiken, die in den nächsten zehn Jahren erwartet werden, ändert sich die Reihenfolge: "Fehlinformation und Desinformation" ist dann nur mehr auf Platz fünf (die ersten beiden Plätze sind Folgen des Klimawandels).
Die optimistische Auslegung wäre, dass man im Kampf gegen Fehlinformation und Desinformation in den nächsten Jahren ein ganzes Stück vorangekommen sein wird? Die pessimistische wäre, dass die Folgen des Klimawandels noch viel schlimmer werden.
Die Rede der EU-Kommissionspräsidentin versteht sich jedenfalls als Auftakt "zur Bekämpfung von Bedrohungen wie dem Klimawandel oder der Desinformation im industriellen Maßstab". Das ist eine große Aufgabe.
Die Aufgabenstellung und die Meinungsfreiheit
Die Aufgabenstellung ist bekannt und wichtig:
Natürlich ist unsere Freiheit, wie in allen Demokratien, mit Risiken verbunden. Es wird immer diejenigen geben, die versuchen, unsere Offenheit auszunutzen, sowohl von innen als auch von außen. Es wird immer Versuche geben, uns aus der Bahn zu werfen. Zum Beispiel mit Desinformation und Fehlinformation.
Ursula von der Leyen
Nun gibt es allerdings ein elementares, uraltes und grundrechtlich relevantes politisches Problem, das in allen Debatten zum Kampf gegen Desinformation unweigerlich auftaucht. Wo hört die Meinungsfreiheit auf und wo fängt Desinformation an? Was ist erlaubt, was ist Propaganda?
Entschieden wird dies in einer fortwährenden Debatte, in der man sich über das demokratische Selbstverständnis austauscht und über die Grenzen des Sagbaren. Kostproben davon gaben die Debatten in der Corona-Krise, fortgesetzt wird das im Ukraine-Krieg.
Russland vs. Nato: Neue Dynamiken und Herausforderungen
Kurz nach Kriegsausbruch 2022 debattierte man noch darüber, ob russische Medien wie RT oder Sputnik der deutschen Öffentlichkeit zuzumuten sind, da die tendenziöse Absicht doch leicht erkennbar sei – zitiert sei hier Denis Yücel, der über jeden Verdacht einer Putin-Nähe erhaben ist, mit der Position:
"Wer "Russia Today" und "Sputnik" verbietet, wird künftig ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in, zum Beispiel, Russland zu kritisieren."
"Besteht die Stärke liberaler Gesellschaften nicht genau darin, auch – pardon my French – allerlei Scheißdreck aushalten zu können?", fragte Yücel damals und es gab Unterstützer wie auch deutlichen Widerspruch zu dieser Position.
Die Rolle der Nato im Ukraine-Krieg: Ein kritischer Blick
Die Zeiten haben sich geändert. Denis Yücel würde wahrscheinlich so nicht mehr äußern. RT und Sputnik haben sich radikalisiert. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn ist mehr Vorsicht gegenüber Propaganda geboten, die Grenzen des Sagbaren werden anders diskutiert und abgesteckt.
In diesem Klima gibt es die Sorge, dass die Grenzen zur Meinungsfreiheit zu eng gesteckt sind. Kritiker äußern Bedenken, wenn es im Kampf für einen besseren Journalismus geht.
Wenn die EU ein Aufsichtsgremium bekommt oder die Gegenöffentlichkeit alternativer Medien von Vereinigungen analysiert werden, die Staatsgelder bekommen. Dazu kommt, dass auch die Nato strategische Kommunikation betreibt und als Agent von einseitiger Information und vielleicht auch Desinformation kaum oder gar nicht diskutiert wird.
Auch Ursula von der Leyen äußert sich in ihrer Rede zur Desinformation zum Ukraine-Konflikt und bestätigt damit nach Auffassung des Autors ein gewisses Unbehagen, wenn es um die Handhabung von Informationen geht.