"World News" ohne den Rest der Welt
Seite 2: Lösbare Probleme und politischer Wille
- "World News" ohne den Rest der Welt
- Lösbare Probleme und politischer Wille
- Auf einer Seite lesen
Im Gespräch mit Moderator David Muir wies er darauf hin, dass die Spendenbereitschaft für Hilfsorganisationen, die sich gegen den Hunger einsetzten, durch die aktuelle Aufmerksamkeit für den Ukraine-Krieg und die Covid-19-Pandemie zurückzugehen drohte. Er erklärte:
David, aid groups telling me they are bracing for a famine here worse than the one here in 2011 in which more than 250,000 people died. They say it’s not that the drought is that much worse this time, it’s that with the war in Ukraine and with Covid, donor attention is elsewhere, so they lack the ressources to keep people alive.
Matt Gutmann, ABC World News Tonight, 11.05.2022
Dabei wäre mediale Aufmerksamkeit für den Globaler Hunger von allergrößter Bedeutung, vor allem auch, um einen breit geführten politischen Diskurs in Gang zu setzen, der zu einer Lösung des Problems führen könnte.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) bezeichnet den Globalen Hunger als "das größte lösbare Problem der Welt", da sowohl die Ressourcen als auch die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen und vergleichsweise nur geringe finanzielle Mittel notwendig wären, um dieses Problem zu lösen.
Dies scheitert jedoch am politischen Willen, der sich mangels öffentlichen Interesses und medialer Aufmerksamkeit auch nur schwer aktivieren lässt und das Thema auf den Tagesordnungspunkten zur Nachrangigkeit verurteilt.
Artikel zum Thema von Ladislaus Ludescher:
"Das Wichtige des Tages" ohne den Globalen Süden?
Medien: Der Globale Süden bleibt Nebensache
Deutsche Medien und die Welt: 85 Prozent kommen kaum vor
Kulminationspunkt der Marginalisierung
Kulminationspunkt der Marginalisierung von Themen des Globalen Südens in den ABC World News Tonight war im Jahr 2022 schließlich die vollständige Ignorierung der Bürgerkriege im Jemen und in Äthiopien. Im Jemen, wo seit 2014 Huthi-Rebellen gegen die Regierung kämpfen, starben bis Ende 2021 über 377.000 Menschen.
Die Vereinten Nationen bezeichneten die Situation im Land als "weltweit schlimmste humanitäre Krise". Bis heute sind mehr als 23 Millionen Menschen (darunter die Hälfte Kinder) und damit etwa Zweidrittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Ebenfalls höchst angespannt ist die humanitäre Lage in der nordäthiopischen Region Tigray. Mit schätzungsweise bis zu 600.000 Toten gilt der dort von 2020 bis 2022 militärisch ausgetragene Konflikt als "tödlichster Krieg des 21. Jahrhunderts".
In den ABC World News Tonight wurden der Jemen und Äthiopien lediglich en passant in zwei Beiträgen in anderen Zusammenhängen aufgezählt. Im gesamten Jahr wurde kein einziger Beitrag zur "weltweit schlimmsten humanitären Krise" und zum "tödlichsten Krieg des 21. Jahrhunderts" ausgestrahlt.
Dem titelgebenden Anspruch, Weltnachrichten abzubilden, werden die ABC World News Tonight keinesfalls gerecht. Der Titel der Sendung ist für das untersuchte Jahr 2022 als irreführend zu bezeichnen.
Mit einem Anteil von etwa drei Prozent an der Gesamtsendezeit der Berichte grenzt der Globale Süden, wo etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung leben, in der Berichterstattung der reichweitenstärksten US-amerikanischen Nachrichtensendung an der medialen Nichtexistenz.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf den Seiten des European Journalism Observatory (EJO). Die der vorliegenden Untersuchung vorausgehende Ausgangsstudie Vergessene Welten und blinde Flecken, in der unter anderem über 5.000 Ausgaben der deutschen Tagesschau ausgewertet wurden, sowie verschiedene Ergänzungsanalysen zu deutschsprachigen Medien, können kostenlos eingesehen, beziehungsweise heruntergeladen werden unter www.ivr-heidelberg.de.
Auf der Seite finden sich auch Videozusammenfassungen, eine Unterschriftenpetition sowie Informationen zu einer auf der Untersuchung beruhenden Wanderausstellung.