Yahoo zieht vor ein amerikanisches Gericht
Geklärt werden soll, ob französische Rechtssprechung, die das Zeigen von Nazi-Andenken verbietet, Geltung für ein amerikanisches Internet-Unternehmen haben kann
Yahoo hat bei einem kalifornischen Gericht ein Gesuch eingereicht, um durch ein Urteil klären zu lassen, ob das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien durch die französische Rechtssprechung belangt werden kann. Ein französisches Gericht hatte Yahoo im November dazu verurteilt, binnen von drei Monaten dafür zu sorgen, dass französische Bürger nicht mehr auf Seiten mit Inhalten zugreifen können, die in Frankreich verboten sind (Das französische Yahoo-Urteil gilt für alle Nazi-Inhalte).
Allgemein wird gesehen, dass dieser Fall für das Internet große Folgen haben wird. Sollte sich das französische Gericht mit der Forderung durchsetzen können, dass Contentanbieter die jeweilige Gesetzgebung für Besucher berücksichtigen und entsprechende Vorkehrungen einbauen müssen, um sie am Zugang zu bestimmten Inhalten zu hindern, dann besteht nicht nur die Gefahr, dass sich das Internet zwar nicht technisch, aber doch auf inhaltlicher Ebene fragmentiert und die nationalen Grenzen widerspiegelt, sondern auch, dass die Meinungsfreiheit Schaden nimmt. Autoritäre oder fundamentalistische Staaten werden nicht die Letzten sein, die versuchen werden, entsprechende Regelungen durchzusetzen, um stärkere inhaltliche Kontrollen auszuüben. Und man wird nicht erwarten können, dass die Staatengemeinschaft hier auch nur zu einem Minimalkonsens kommen wird. Auf der anderen Seite ist das Problem des Urteils, dass Sperren für Bürger eines bestimmten Landes nicht 100prozentig umzusetzen und relativ leicht zu umgehen sind.
Mit dem Gesuch geht es Yahoo darum, das amerikanische Gericht ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der französischen Rechtssprechung für ein amerikanisches Unternehmen fällen zu lassen, bevor Frankreich eine Klage einreicht, wenn Yahoo nicht die Sperren einbaut. Falls das amerikanische Gericht sich zugunsten von Yahoo entscheidet, könnte das Unternehmen, wenn es um den Vollzug der Geldstrafe geht, auf dieses Urteil verweisen. "Wir können dann sagen, dass dies kein Urteil ist, das die amerikanischen Gerichte durchsetzen können", hofft Gren Wren, Rechtsbeistand von Yahoo. Er erwartet, dass daraus allgemein für amerikanische Firmen eine Rechtssicherheit folgen würde, wenn klar sei, dass Urteile dieser Art nicht in den USA gültig sind, da sie gegen die Verfassung verstoßen.
Wren sagte noch einmal, es sei für Yahoo unmöglich, das französische Urteil umzusetzen, da Internetfirmen nicht bestimmen können, von welchem Land aus Besucher auf ihre Website kommen. Überdies seien solche Blockaden finanziell und personell aufwendig und ineffizient. Gegen das Urteil des amerikanischen Gerichts können die französischen Kläger Widerspruch einlegen. Yahoo hat sich offenbar noch nicht dafür entschieden, einen Widerspruch gegen das Urteil des französischen Gerichts einzulegen. Sollten sich die Urteile des französischen und amerikanischen Gerichts widersprechen, gäbe es kein übergeordnetes internationales Gericht, um den Fall zu entscheiden.
Der Bundesgerichtshof in Deutschland hatte vor wenigen Tagen in einem ähnlichen Fall anders und durchsetzbarer entschieden. Der Australier Toben hatte auf seiner Website gegen deutsches Gesetz verstoßen, indem er die Judenvernichtung in den KZs leugnete. Ausdrücklich machte das Gericht hier nur den Autor selbst für die Äußerungen verantwortlich, der dann bestraft werden kann, wenn er deutschen Boden betritt (Update: Leugnung des Holocaust im Internet nach deutschem Recht strafbar). Icann-Direktor und CCC-Pressepsrecher Andy Müller-Maguhn kritisierte allerdings auch diese Entscheidung, weil sie eine "verheerende Signalwirkung" habe.
Bürgerrechtsorganisationen in den USA lehnen das Urteil des französischen Gerichts als Bedrohung der Meinungsfreiheit ab. "Dieses französische Urteile kann in erheblichem Maße zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Handels führen", sagt Alan Davidson vom Center for Democracy and Technology. "Es bedroht das Versprechen des Internet, die Meinungsfreiheit und die Demokratie zu befördern." Und Esther Dyson fürchtet: "Die Balkanisierung des Internet ist unvermeidlich." (Wachsende Besorgnis über BGH-Urteil gegen Holocaust-Leugner)