Youtuber als Unterstützer der Jugendumweltbewegung
- Youtuber als Unterstützer der Jugendumweltbewegung
- Kritik am grünen Kapitalismus
- Auf einer Seite lesen
Der zweite Aktionstag der "Fridays for Future" macht die systemischen Grenzen deutlich
Der Aktionstag der nun auch nicht mehr so neuen Jugendumweltbewegung hat den Reiz des Neuen verloren. Es waren am vergangenen Freitag in vielen Ländern der Welt Tausende auf der Straße, aber in Berlin haben die Proteste längst nicht mehr stundenlange Sperrungen der Straßen zur Folge gehabt, wie noch beim ersten Aktionstag der Fridays-for-Future-Bewegung.
Die Bewegung etabliert sich und wird Teil des Protestbetriebs. Mehr als der Aktionstag haben in der Endphase des Europawahlkampf Youtuber für Aufsehen gesorgt, die die Argumente der Jugendumweltbewegung mit all ihren Schwächen und ihrer apokalyptischen Grundstimmung popularisieren.
Nun wird seit Jahren darüber lamentiert, dass Rechte aller Couleur vom Internet profitieren. Da ist es schon positiv, dass sich jetzt eine Gruppe von Youtubern mit Einfluss gegen die Rechten in Gestalt der CDU und AfD aussprechen und auch die SPD als Teil des Problems sehen. Sie machen so letztlich Wahlkampf für Grüne und Linke, obwohl ein Großteil ihrer Zielgruppe noch gar nicht wahlberechtigt ist.
Doch, dass sich die Youtuber in den Wahlkampf einmischen, hat weniger mit der Klimaproblematik, sondern mit dem kurzen, aber gescheiterten Widerstand gegen die Up-Load-Filter zu tun. Kurz vor der Abstimmung darüber im EU-Parlament sind Zigtausende junger Leute dagegen auf die Straße gegangen. Sie haben damals schon gedroht, dass sie wählen und die CDU zerstören werden.
Genau das ist auch der Ton von Rezo und den anderen You-Tubern. Die Klimathematik haben sie aufgegriffen, um ihre Botschaft zu popularisieren. Dass sie auf die SPD nicht gut zu sprechen sind, ist aus ihrer Sicht auch logisch. Schließlich hat sich diese Partei verhalten, wie man sie kennt. Als die Proteste gegen die Upload-Filter wuchsen, signalisierte die SPD Verständnis. Doch die zuständige Ministerin wollte im EU-Parlament aus Koalitionsraison nicht dagegen stimmen.
Kapitalfraktionen positionieren sich
Bei der Auseinandersetzung, die als Kampf gegen Zensur gelabelt wurde, ging es auch um die Profitinteressen einer wachsenden Kreativindustrie, die sich durch die Upload-Filter beeinträchtigt sieht. Auch die Jugendumweltbewegung wurde schon von den entsprechenden Kapitalfraktionen entdeckt: Nun hat auch die sogenannte Grüne Industrie die "Fridays for Future" entdeckt.
Tausend "Unternehmen der innovativen Wirtschaft" unterzeichneten einen Forderungskatalog, der an die neue Umweltbewegung anschließen will. Zu seinen insgesamt acht Punkten gehören ein umfassender CO2-Preis, ein schneller Kohleaussteig und die Einhaltung des sogenannten 1,5-Grad-Ziels. Neben einigen Großunternehmen wie dem Versorger Veolia oder dem Recyclingkonzern Remondis sind viele Mittelständler vertreten, etwa der Babykosthersteller Hipp oder der Maschinenbauer, heißt es im Spiegel
Da werden auch manche Konzerne, die jahrelang mit der Umweltverschmutzung viel verdient haben, lukrative Profitquellen entdecken. Auch die AKW-Branche wittert Morgenluft, verkauft sie doch ihre Technologie als Alternative zur CO2-Produktion. Tatsächlich kommt ihr der apokalyptische Grundton der Umweltbewegung sehr entgegen. Schließlich wird eine Klimakatastrophe in naher Zukunft prognostiziert, wenn es nicht eine grundlegende Wende in der Klimapolitik gibt.
Diese Behauptung wurde auch von den Youtubern übernommen. Dann könnte die Atomkraft schnell als kleineres Übel wahrgenommen werden, die das Schlimmste, den angedrohten "Hitzetod" verhindern soll. Immerhin fand der Vorschlag von Studierenden, AKW-Nutzung neu zu denken, auf einer studentischen Vollversammlung zur Klimakrise an der Berliner Humboldt-Universität vor einigen Tagen keine Mehrheit.
Es wurde auch deutlich, dass es durchaus Anhänger eine AKW-Renaissance in der Jugendklimabewegung gibt. Dass zu dem Thema die in den letzten Jahren größte studentische Vollversammlung einberufen werden konnte, zeigt, wie weit sich das Klimathema gesellschaftlich verankert.
Über den Kapitalismus hinaus
Tatsächlich zeigt sich hier das Dilemma der Vorstellung, in einer auf Profit und Wachstum orientierten Wirtschaft eine umweltschonende Produktionsweise durchsetzen zu können. Das führt zu Aktionismus wie der Tendenz, in möglichst vielen Städten den Klimanotstand auszurufen wie kürzlich in Konstanz. Das kann einerseits die Aufmerksamkeit auf das Klimathema lenken, anderseits aber auch verhindern, die Ursachen der Klimakrise anzugehen.
In den Hochzeiten der Anti-Pershing-Bewegung in den 1980er Jahren gab es auch eine Tendenz, möglichst jede Stadt, Schule und sogar das eigene Klo zur atomwaffenfreien Zone zu erklären, ohne dass die real stationierten Raketen dadurch tangiert wurden. Durch die systemischen Grenzen entstehen allerdings auch Möglichkeiten, über die Frage des Klimas hinaus die Notwendigkeit einer Alternative zum Kapitalismus neu zu diskutieren. Das wurde an mehreren der auf den Vollversammlungen beschlossenen Grundsätze deutlich:
Wir rufen die Organisationen der Erwerbstätigen - die Gewerkschaften - auf, gemeinsam mit uns für eine ökologische und sozial gerechte Zukunft zu kämpfen, und sich am Climate March zu beteiligen. Fridays For Future soll eine noch breitere gesellschaftliche Bewegung werden!
Wir beteiligen uns selbst am Climate March am 24.5. vor der Europawahl und rufen alle HU Studieren auf, sich uns anzuschließen. Werdet aktiv gegen die Klimakatastrophe! Wir erklären uns solidarisch mit friedlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie "Ende-Gelände", die für mehr Klima- und Umweltschutz kämpfen. Wir erkennen an, dass die Natur des Kapitalismus auf grenzenlosem Wachstum basiert, weshalb es zur Rettung des Klimas letztlich unabdingbar ist, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu überwinden.
Aus den Forderungen Klima-Vollversammlung der Berliner Humboldt-Universität
Vor allem der letzte Punkt könnte Wege für eine antikapitalistische Klimabewegung öffnen. Das wäre eine Steilvorlage für die Gruppe Change for Future, die sich als antikapitalisische Plattform der Jugendumweltbewegung versteht.