ZDF-Doku: Am Ende sind die Zuschauer arm dran

Seite 2: Höhepunkt der Desinformation vom Top-Wissenschaftler

Stephanie Gargosch erklärt das Scheitern der Rentenkommission aus dem letzten Jahr und weiß zu berichten:

"Einer, der dabei war und immer wieder Einspruch erhob, ist Professor Axel Börsch-Supan…einer der TOP-Wissenschaftler beim Thema Rente. Was Politiker gerne verschweigen, er spricht es aus…"

Am Ende arm?

Börsch-Supan spricht - um den Redefluss nicht zu unterbrechen, folgen Anmerkungen unter a) bis e) im Anschluss:

"Wegen der Demografie, was passiert ist, dass die jüngeren Leute, bei denen gehen die Beiträge hoch" (Axel Börsch-Supan)
Stephanie Gargosch dazwischen: "und das Rentenniveau ginge hinunter. Doch die aktuell gezahlte Rente bleibt stabil, wegen der Rentengarantie." (a)
Börsch-Supan weiter:
"Das heißt, die Rente wird bezahlt, und zwar selbst wenn die Löhne sinken und sinken und sinken. Die Rente kann nicht sinken. Was letztes Jahr passiert ist, dass viele in die Arbeitslosigkeit oder in die Kurzarbeit gekommen sind, das schlägt nicht auf die Rentner durch." (b)
Gargosch entsetzt:
"Die Gerechtigkeit zwischen Rentnern und Beitragszahlern - ausgehebelt" (c)
Börsch-Supan:
"Aber irgendjemand muss das zahlen und wer muss das zahlen? Die Beitragszahler. Deswegen sind die Beiträge äh gestiegen äh und auch die Beitragszahlen gehen äh gehen weiter hoch. So dass also die Beitragszahler, die werden sowohl durch die Demografie, müssen die mehr bezahlen, als auch durch die Corona-Krise." (d)
Gargosch fasst noch einmal zusammen:
"Früher sorgte ein Mechanismus für eine Balance zwischen Rentnern und Beitragszahlern. Sanken die Löhne wegen einer Krise, sanken auch die Renten. Die Große Koalition schaffte dies vorerst ab. Was zusätzliche Milliarden kosten könnte, welche durch Beiträge oder Steuern bezahlt werden müssen. Alle Experten sagen, dass sie zudem länger arbeiten müssen und es eine Frührente wie heute nicht mehr geben wird." (e)

Anmerkung zu a): Die aktuell gezahlte Rente bleibt "stabil"? - wenn man die Erhöhung von 0 Prozent in diesem Jahr und voraussichtlich 0 Prozent in 2024 so bezeichnen will - wohlan. Die zu erwartende Preissteigerung wird unter Garantie nicht bei 0 Prozent liegen.

Anmerkung zu b): Das permanente Sinken der Löhne ist bereits nach einem Jahr beendet. Um wieviel die Lohnsumme im letzten Jahr gesunken ist, steht noch nicht fest. Destatis geht nach ersten Schätzungen von einem Prozent aus. Dass dieses eine Prozent nicht auch zu einer entsprechenden Rentenkürzung führt, empört Börsch-Supan, und er rechnete mal kurzerhand Mehrausgaben von knapp 100 Milliarden Euro aus. Diese Rechnung wiederholte er jedoch nicht in der Sendung.

Anmerkung zu c): Was Stephanie Gargosch anscheinend wirklich nicht weiß, ist, dass die "Gerechtigkeit" zwischen Beitragszahlern und Rentnern schon seit den "Reformen" in den Jahren 2001 und 2004 ausgehebelt wurde. Durch die neu geschaffenen Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel werden die Renten von den Löhnen systematisch abgekoppelt. Das führt zu einem Absenken des Rentenniveaus bis 2050 um voraussichtlich mehr als 30 Prozent.

Anmerkung zu d): Die Beiträge sind seit 2011 nicht gestiegen, sondern beständig gesunken. Und zwar von 19,6 Prozent auf 18,6 Prozent. Nach Vorausberechnungen der DRV im Herbst 2020 werden die 18,6 Prozent auch unter Berücksichtigung der Corona-Folgen bis 2023 stabil bleiben können. Das weiß Herr Börsch-Supan, trotzdem ist nicht richtig, was er sagt.

Anmerkung zu e): Der Mechanismus zur Absenkung des Rentenniveaus wurde schon unter c) erläutert. Die sogenannte Rentengarantie setzte das Absenken des Niveaus bis 2025 aus. Danach wirkt der Absenkungsmechanismus wieder mit voller Wucht. "Alle Experten" ist auch eine nette Umschreibung dafür, dass die nicht geringe Zahl von Wissenschaftlern, die das anders sehen, einfach nicht als "Experten" anzusehen sind. Wie ist es da um die Qualität der Recherche von Fakten und Zusammenhängen bestellt?

Zu dem Thema "länger arbeiten müssen" folgt das Beispiel einer Ulmer Firma, die mit großem Engagement für altersgerechte Arbeitsplätze sorgt. Sicher löblich, aber sicher auch kein Beleg, dass Menschen bis zum Alter von 69 oder 70 Jahren arbeiten können bzw. müssen. Immerhin wird erwähnt, dass so ein Betrieb eine seltene Ausnahme darstellt.

Das gelobte Rentenland: Schweden!

Stephanie Gargosch beginnt mit einem Resümee:

"Das Umlagesystem Rente gerät an seine Grenzen. Deutschland ist für die Überalterung der Gesellschaft nicht gut aufgestellt."

Eine Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf die Frage zur Zukunft der Rente…

"Wer heute mit 20 in das Erwerbsleben einsteigt, wird in den 60-er Jahren unseres Jahrhunderts in Rente gehen. Die Höhe seiner Rente wird durch das bestimmt, was dann erwirtschaftet wird." ... findet Stephanie Gargosch überaus unbefriedigend:

"Mit anderen Worten, das Problem der Jungen, wird in die unsichere Zukunft verschoben … Das müsste nicht so sein, wie das Beispiel Schweden zeigt … Schweden baute sein Rentensystem wegen des demografischen Wandels um - schon vor 35 Jahren."

Gemeint ist mit dem Umbau die Einführung einer "Prämienrente". Seit 20 Jahren - nicht seit 35 Jahren, auch so eine "kleine" Unsauberkeit - müssen 2,5 Prozent des Einkommens in Aktienfonds angelegt werden. Für die umlagefinanzierte Einkommensrente werden 16 Prozent gezahlt.

Von den insgesamt 18,5 Prozent zahlen die Versicherten gerade einmal 7Prozent, den Rest zahlen die Unternehmen. In Schweden haben 90 Prozent der Beschäftigten tarifliche Ansprüche auf eine Betriebsrente. Die macht 4,5 Prozent des Einkommens aus und wird zu 100 Prozent von den Unternehmen finanziert. Die Grundrente als Mindestsicherung beträgt in Schweden bis zu 800 Euro. Zusätzlich dazu gibt es ein Wohngeld von bis 700 Euro. Finanziert werden diese Leistungen aus der Staatskasse. Rentner:innen zahlen keine Sozialversicherungsabgaben.

Würde hier irgendjemand auf die Idee kommen, auch nur Elemente aus diesem System für die Altersversorgung in Deutschland vorzuschlagen, würden die "Top-Experten" und "führenden Wissenschaftler" vermutlich Schnappatmung bekommen. Aber die Gefahr ist minimal, solange die führenden Medien weiter diese Art der Hofberichterstattung abliefern.7