ZDF entfernt Böhmermanns "Schmähgedicht" aus Mediathek

Ein Aprilscherz war es nicht, für das ZDF erfüllte die Parodie nicht die "Ansprüche an Satiresendungen" - und vermutlich auch nicht den Wünschen der Bundesregierung

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Das öffentlich-rechtliche ZDF ist schnell eingeknickt. Offenbar hatte das Magazin "Extra 3" mit der Parodie des türkischen Präsidenten Erdogan den richtigen Nerv getroffen. Der für seine Empfindlichkeit gegenüber jeder Kritik bekannte türkische Präsident, der gegen zahlreiche Menschen wegen Majestätsbeleidigung prozessiert, Zeitungen und Sender unter staatliche Kontrolle stellt, Journalisten ins Gefängnis sperren will, das oberste Gericht missachtet und überhaupt Opposition mundtot machen will, hat auch gleich aus Protest den deutschen Botschafter einbestellt.

Das hat dem Video allerdings wenig überraschend zur weltweiten Popularität verholfen. Extra 3 legte nach und hatte das Video noch mit türkischen Untertiteln ausgestatte und Erdogan zum "Mitarbeiter des Monats" ernannt. Christian Ehring süffisant: "Vielleicht hat Erdogan den Beitrag nicht verstanden?" Erdogan blieb uneinsichtig. In einem Interview mit dem Sender CNN sagte, man dürfe Kritik nicht "mit Beleidigungen und Diffamierung" verwechseln. Von sich behauptete er, er sei immer "ein offener Politiker und Präsident" gewesen.

Die deutsche Regierung schwieg erst einmal dazu, manche Politiker äußerten Kritik am Verhalten des Präsidenten und seiner Einstellung zu Pressefreiheit, Kritik und Satire. Gestern wurde durch Regierungssprecher Seibert erklärt: "Presse- und Meinungsfreiheit sind für die Bundesregierung nicht verhandelbar." Er verwies dabei auf eine Stellungnahme nicht der Regierung oder gar der Kanzlerin, sondern der stellvertretenden Regietrungssprecherin Christine Wirtz, die versicherte: "Die Bundesregierung hat ihre Haltung zur Meinungsfreiheit deutlich gemacht: Politische Satiresendungen gehören selbstverständlich zur deutschen Medienlandschaft dazu - und sind von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst."

Das klang gut, nur dumm, dass der öffentliche-rechtliche Sender ZDF am Tag drauf in Jan Böhmermanns Sendung Neo Magazin Royale eingriff, die heute nach der "heute show" gesendet werden sollte. Böhmermann trug in seiner Sendung gestern ein Gedicht vor, womit er Extra 3 wohl noch einmal toppen wollte. Das Gedicht hatte er aber auch gleich als "Schmähkritik" gekennzeichnet und ironisch den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik ausgeführt. Zur Darstellung verlas er dann das Schmähgedicht, in dem Erdogan beleidigt wurde, er und Kabelka schlugen dann Erdogan vor, er könne sich doch einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen, um die Schmähkritik aus der Mediathek zu entfernen.

Heute wurde aber vom ZDF der Vorschlag umgesetzt und in der Mediathek die Sendung herausgenommen, wo nur noch der Musikclip "Be Deutsch" abrufbar ist. Das dürfte kein 1. April-Scherz oder eine Paraodie gewesen sein. Dem Spiegel teilte das ZDF mit: "Die Parodie im 'Neo Magazin Royale' vom 31. März zum Umgang des türkischen Ministerpräsidenten mit Satire entspricht nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt."

Auf dem Twitteraccount von ZDFneo heißt es ebenfalls: "Das @neomagazin steht nicht mehr im ZDI zur Verfügung. Die Parodie über Erdogan entspricht nicht den ZDF-Ansprüchen an Qualität von Satire." Daher findet man den unter "Was Satire auf gar keinen Fall darf, hier nochmal zum Nachschlagen" verlinkten Film nicht mehr in der Mediathek.

So macht sich der öffentliche-rechtliche Sender noch in einer Satiresendung zum Büttel der Politik der Bundesregierung, die derzeit davor zurückscheut, Erdogan und seine Politik zu kritisieren, weil man sich von ihm wegen der Flüchtlingspolitik abhängig gemacht hatte.

Streiten lässt sich, ob Böhmermann tatsächlich zu primitiv provozierte und so die Zensurmaßnahme erzwungen hatte, um für Aufmerksamkeit zu sorgen, oder ob das ZDF in dem politisch heiklen Fall überreagiert hatte. Böhmermann selbst sucht die Zensur für sich auszubeuten: "Ich denke, wir haben heute am 1. April 2016 gemeinsam mit dem ZDF eindrucksvoll gezeigt, wo die Grenzen der Satire bei uns in Deutschland sind. Endlich!

Sollte ich bei der gebührenfinanzierten Erfüllung meines pädagogischen Auftrags die Gefühle eines lupenreinen Demokraten verletzt haben, bitte ich ergebenst um Verzeihung."