Zähneklappern im Treibhaus
Seite 2: Gibt es jetzt Fahrverbote?
- Zähneklappern im Treibhaus
- Gibt es jetzt Fahrverbote?
- Auf einer Seite lesen
Derweil hat, wie berichtet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Sprungrevision der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg überwiegend zurückgewiesen. Das Gericht stellt in einer Pressemitteilung fest, dass es nach dem Bundesrecht kein Möglichkeiten für Fahrverbote gibt, aber dass dieses nicht zur Anwendung käme, wenn es die volle Umsetzung von Unionsrecht verhindere.
Das sei im Falle der Grenzwertüberschreitungen bei den Stickoxiden gegeben. Die Städte und Landesbehörden müssten aber bei der Umsetzung die Verhältnismäßigkeit waren. Zum Beispiel seien Fahrverbote für Wagen, die der E5-Agasnorm entsprechen, erst vier Jahre nach In-Kraft-treten der nächst höheren Stufe E6 zulässig. Das wäre zum 1. September 2019.
Nach dem Gerichtsbeschluss wird es also nun, wenn überhaupt, lokale Fahrverbote vor allem für ältere Fahrzeuge geben. Vor allem legt das Bundesverwaltungsgericht unmissverständlich fest, dass es Ausnahmen "z.B für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen" geben müsse. Insofern ist das große Geschütz etwas unverständlich, dass der Zentralverband des Deutschen Handwerks auffährt, der von "Eingriffe(n) in Eigentumsrechte, in die Mobilität und in die Freiheit beruflicher Betätigung" spricht.
So viel Engagement möchte man doch gerne mal für das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder, Alten und der ärmeren städtischer Bevölkerung sehen, die am meisten unter der Luftverschmutzung zu leiden haben.
Ursachenbekämpfung
Allerdings fragt sich doch inzwischen, ob die ganze Energie, die vor allem seitens der Unionsparteien und der SPD in die Vermeidung und zum Teil auch plumpe Agitation gegen Fahrverbote - hier bereitwillig assistiert von den Liberalen und der extremen Rechten - nicht vielleicht besser in die Ursachenbekämpfung gesteckt worden wäre.
Schließlich ist die Schädlichkeit von Stickoxiden für Mensch, Tier und Pflanzen seit langem hinlänglich bekannt, sowie es auch keine Überraschung ist, dass die seit 2010 geltenden aber noch immer in 70 Städten verletzten Grenzwerte noch lange nicht niedrig genug sind.
Wir hatten erst letzte Woche über einen Studie berichtet, die die tödliche Wirkung der Stickoxide in der Atemluft auch bei niedrigeren Konzentrationen nachgewiesen hat. Die Autoren kamen im Vergleich verschiedener städtischer und ländlicher Regionen zu dem Ergebnis, dass die Zahl der vorzeitigen Todesfälle mit dem Jahresdurchschnitt der Stickoxidkonzentration in der Luft steigt.
Wie also die Ursachen bekämpfen? Das Problem sind (siehe Grafik des Umweltbundesamtes) vor allem die Diesel-PKW und im geringeren Maße auch Busse und LKW. Wenn aber jetzt von einigen Kommunalpolitikern nach elektrischen Bussen gerufen wird, dann ist das letztlich eher ein Mitnahmeeffekt.
Die Umrüstung auf Strom ändert nicht viel am Stickoxid-Problem ist aber aus anderen Gründen sinnvoll. Unter anderem, weil E-Busse deutlich leiser sind und auch die Feinstaubemissionen vermindern. (E-Fahrzeuge emittieren zwar keine Rußpartikel mehr, wohl aber noch Feinstaub durch Reifenabrieb und gegebenenfalls auch durch Scheibenbremsen.)
Das nächstliegende wäre bereits vor einem Jahr oder schon nach den ersten Berichten über den Abgasbetrug verschiedener Automobilkonzerne gewesen, diese zur technischen Nachrüstung zu verpflichten. Nach Auskunft des Umweltbundesamtes könnten Euro-5-Pkw wirksam nachgerüstet werden, sofern die Modelle ausreichend Raum für sogenannte Speicher-Katalysatoren bieten. Diese könnten die Emissionen des nachgerüsteten Fahrzeugs um rund 70 Prozent mindern.
Die Frage ist allerdings, wer für die Kosten aufkommen soll. Eigentlich eine einfache Frage: der Verursacher. Schließlich sind die Hersteller dafür verantwortlich, dass ihre Produkte die geforderten Normen nicht einhalten, und haben sogar Käufer und Behörden darüber im Dunkeln gelassen.
Also sollten sie doch jetzt eigentlich für die Nachbesserung sorgen. Doch dagegen wehren sie sich und die so lauthals gegen Fahrverbote polemisierenden Regierungspolitiker im Bund machen keinerlei Anstalten, die Hersteller zur Rechenschaft zu ziehen.
Eine weitere Maßnahme wäre es, die steuerlichen Privilegien aufzuheben, die den Diesel-Pkw in Deutschland so attraktiv machen. Der die Bundesregierung beratende Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) schlägt vor, zum einen das Konzept Umweltzone mit einer blauen Plakette weiterzuentwickeln. Dafür wäre der Bundesverkehrsminister zuständig. Diese Plakette soll für Fahrzeuge vergeben werden, die höhere Stickoxidstandards erfüllen.
Zum anderen müssten, fordert der SRU, noch in dieser Legislaturperiode die Dieselprivilegien abgebaut werden. Die bisher gewährten Steuererleichterungen für Dieselkraftstoff würden den Bund jährlich 7,6 Milliarden Euro kosten. "Die Gesamtsumme der umweltschädlichen Subventionen für den Verkehrssektor beläuft sich laut Umweltbundesamt auf 28,6 Milliarden Euro im Jahr", so der der SRU auf seiner Internetseite.
Um die Emissionen auf das gesetzlich geforderte Maß zu begrenzen, muss die Nutzung von älteren Diesel-Pkw in hochbelasteten Gebieten eingeschränkt werden. Dass dies Einschränkungen für die betroffenen Fahrzeughalter mit sich bringt, ist bedauerlich und hätte durch eine vorausschauend nachhaltige Verkehrspolitik vermieden werden können.
SRU-Vorsitzende Prof. Dr. Claudia Hornberg
Eine Möglichkeit, den betroffenen Fahrzeughaltern die Einschränkungen erträglicher zu machen, wäre ein zügiger Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der ohnehin dringend geboten ist. Von Jahr zu Jahr steigende Fahrgastzahlen in den meisten Städten und in den Pendlerzügen steht bisher keine entsprechende Modernisierung des Fahrzeugbestands und Ausweitung des Liniennetzes gegenüber.
Die derzeitige Krise wäre eine gute Gelegenheit zur Umkehr und der im Rahmen des Dieselgipfels im letzten Jahr geschaffene Fonds für nachhaltige Mobilität ein erster, mit 500 Millionen Euro sehr bescheidener Anfang, der ausgebaut werden müsste.
Und wenn die bessere Ausstattung des ÖPNV denn auch noch mit einer kostenlosen Nutzung verbunden würde, wie es die der SPD nahestehende traditionsreiche Umweltorganisation Naturfreunde nach dem Leipziger Urteil erneut für Berlin gefordert hat, dann könnten vielleicht unsere Städte deutlich lebenswerter werden.
Aber vielleicht soll die laute Polemik gegen die drohenden Fahrverbote ja gerade von solchen konkreten Maßnahmen ablenken.