Zahlt es sich aus? Neues zu Journalismus und "Staatsknete"

Auftragsjournalismus: Weit mehr verdienen als nur "lousy Pennies", wenn der Staat bezahlt, wird die Sache besonders heikel. Symbolbild: Pixabay

Rund 200 Journalist:innen haben Geld aus Bundestöpfen erhalten. Das sagt kein Telegramm-Kanal, sondern die Regierung. Können solche Medienschaffenden noch unabhängig berichten? Und was hat das mit Guido Westerwelle zu tun?

Es geht um Zahlungen von Regierungsgeldern an Journalist:innen sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Medien. Die Bundestagsdrucksache 20/5822, online veröffentlicht am 1.3.2023, hat es daher in sich, zumal viele der darin erwähnten Medienschaffenden vor allem für öffentlich-rechtliche Medien arbeiten.

Irritierende Fakten

Der nicht zuletzt als IOC- und FIFA-Kritiker bekannte Investigativjournalist Jens Weinreich schreibt, er finde diese Antwort der Bundesregierung spannend. Genau 200 verschiedene Journalistinnen und Journalisten sind in dem 30-seitigen Dokument anonymisiert aufgeführt, die Honorare pro Engagement liegen oft im mittleren vierstelligen Euro-Bereich (4.000 bis 5.000 Euro).

Zur Faktenlage gehört: Der Text ist die Antwort auf eine "Kleine Anfrage" von einzelnen AfD-Abgeordneten sowie von deren Bundestagsfraktion. Auch Jens Weinreich findet das fragwürdig: "Die Anfrage ist leider von der AfD. Da kann man nichts machen."

Die Fakten seien allerdings so, wie sie nun mal seien: "irritierend, besorgniserregend - sowohl die Höhe der Honorare als auch die Zahl der Journalisten, die sich für diese Nebenjobs sehr gut bezahlen lassen".

Nicht zuletzt mag der Fakt irritieren, dass die Mehrzahl der hier ohne Namen erwähnten, durch Regierungsstellen Engagierten im sonstigen Leben journalistisch bei öffentlich-rechtlichen Medien arbeitet.

"Kooperationen" von Medienschaffenden mit Auslandsgeheimdienst

Die Bundesregierung schreibt, die Anonymisierung sei nötig, aus Gründen des Datenschutzes. Und sie führt aus, die Auftragsvergabe durch Bundesministerien oder Bundesbehörden an Journalistinnen und Journalisten stehe "nicht in Konflikt mit der Bedeutung journalistischer Arbeit als Kontrollinstanz staatlichen Handelns oder mit dem Prinzip der Staatsferne des Rundfunks".

Begründet wird diese Aussage keineswegs – man mag sie also glauben oder eben nicht.

Besonders spannend ist der Blick auf etwaige "Kooperationen" von Medienschaffenden mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst. Hier geht es explizit nicht um das "Gemeinwohl" der Gesellschaft, dem Journalismus ja laut vieler Journalistik-Modelle verpflichtet sein soll.

Nein, hier geht es ausdrücklich um das "Staatswohl". Dazu schreibt die Bundesregierung:

Für den Bundesnachrichtendienst (BND) ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung der Fragen aus Staatswohlgründen nicht erfolgen kann, weil Kooperationen des BND besonders schützenswert sind. Die einzelnen Kooperationspartner arbeiten mit dem BND nur unter der Voraussetzung zusammen, dass die konkrete Kooperation mit ihnen – auch nicht mittelbar – preisgegeben, sondern absolut vertraulich behandelt wird.

Antwort der Bundesregierung

Zumindest macht diese Formulierung deutlich: Es scheint auch bezahlte "professionelle" Kooperationen von Journalist:innen mit dem BND zu geben. Sonst hätte die Frage ja gefahrlos verneint werden können für diese besondere Bundesbehörde.

Die Zahlungen

Zu einigen empirischen Befunden aus dem Text: Die Zahlungen betreffen Engagements in den fünf Jahren 2018 bis 2022. Die Liste wirkt kaum systematisch aufgebaut, ein klares Ordnungsprinzip ist nicht zu erkennen. Weder zeitlich noch bezüglich der konkreten Regierungsstelle als Auftraggeber, weder inhaltlich noch mit Blick auf die Durchnummerierung der genau 200 Medienschaffenden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Beispiel vergab von 2019 bis 2022 laut Liste genau 110.760,00 Euro für Moderationen. Erhalten haben diese Summe 16 Medienschaffende für 26 Einsätze. Macht pro Moderation im Schnitt 4.260 Euro.

Fast alle dieser Moderations-Fachkräfte kommen von öffentlich-rechtlichen Sendern, eine Person ("Journalist 11") im Jahr 2021 sogar vom "SFB", also vermeintlich vom früheren "Sender Freies Berlin", den es bereits seit 2003 nicht mehr gibt. Scheint aber bei der Bundesregierung niemand zu merken. Oder es ist auch schon egal ….

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehrs wiederum schenkte zwischen 2019 und 2022 laut Tabelle ebenfalls für Moderationen genau 81.506 Euro aus, für acht Medienschaffende, diesmal sämtlich von öffentlich-rechtlichen Medien, und deren genau 16 Moderationen. Bedeutet hier pro Auftritt durchschnittlich 5.094,12 Euro.

Aber nicht nur Moderieren im Regierungsauftrag scheint lukrativ, sondern auch beispielsweise das "Erstellen von Videomaterial": Engagiert vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, hat eine einzige journalistische Fachkraft, die sonst offenbar für das ZDF arbeitet, zwischen April 2018 und Februar 2021 laut Tabelle 32.357,50 Euro erhalten, für 15 Einsätze.

Im Schnitt also pro Auftrag 2.157,83 Euro. Dabei ist dieser Mensch an einem einzigen Tag, dem 4.9.2018, gleich mit drei Einsätzen am Start gewesen, vermutlich im Dreischicht-System. An diesem Tag ließ die Regierung also für "Journalist 102" genau 6.473,50 Euro springen.

Kein schlechtes Tageshonorar, aber auch nicht unüblich im Bereich Auftragskommunikation. Im und mit Journalismus sind solche Summen normalerweise kaum zu erreichen.