Zauberhafte und dunkle Welten

Die Qual der Wahl: Noch nie gab es so viele Rollenspiele

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Rollenspiele, so weit das Auge reicht. Denn von dem Kuchen wollen alle etwas abbekommen. Ja, die Rede ist vom Erfolg der Massively Multiplayer Online Role Playing Games (MMORPGs) World of Warcraft und Guild Wars. Doch welcher Entwickler schafft es, einen Titel zu kreieren, der sich von der grauen Masse absetzt? Die Antwort heißt nicht Der Herr der Ringe online, sondern Dawn of Magic. Denn entweder einen fetten Mönch, eine seltsame Zigeunerin, einen ungeschickten Gelehrten oder eine freundliche Bäckersfrau anstatt eine vorgefertigte Figur aus einer Charakterklasse à la "World of Warcraft" ins Rennen gegen das Böse zu schicken, das ist bereits einer der ersten erfreulichen Aspekte, die das Hack’n’Slay-Rollenspiel von der Konkurrenz unterscheidet.

LOTR online

Es ist nämlich amüsant, wenn sich etwa die Bäckersfrau im Verlauf des Games in eine Hardcore-Magierin verwandelt. Doch irgendwann – und das ist genauso erfreulich – sieht die Heldin gar nicht mehr so harmlos aus wie zu Beginn. Ist sie zunächst bloß eine korpulente Schülerin an einer Akademie für Magie (Harry Potter gibt’s da nicht!), so ändert sich ihr Aussehen entsprechend der Zaubersprüche, die sie während den Kämpfen gegen allerhand blutrünstige Viecher nutzt. Setzt man oft die Knochenmagie ein, dann sprießen der Heldin Äste aus den Schultern. Schleudert sie oft Blitze, ist ihr Körper vielleicht bald von einer Funken sprühenden Metallrüstung umhüllt. Neben dem Verwandlungsprozess spielt der Handel eine wesentliche Rolle.

Weg vom Backofen: In „Dawn of Magic“ entwickelt sich die Heldin von nebenan zur Hardcore-Magierin. (Fotos: alle Magdans)

An etlichen Stellen, sogar in Dungeons, kann ein Händler-Dschinn beschwört werden, um für den Moment relevante Gegenstände und Waffen zu kaufen oder unnütze Sachen zu veräußern. Da der Protagonist maximal 500 Objekte mit sich herumtragen kann, ist das Inventar so konzipiert worden, dass sich die Objekte nach acht Kategorien sortieren lassen. So findet sich alles im Handumdrehen.

Des Weiteren gefällt „Dawn of Magic“ mit etlichen Anspielungen. Eine der wichtigsten Missionen zu Beginn besteht darin, ein Wesen namens Mullog in einem Minenkomplex aufzusuchen. Doch nicht nur der Name ist ein Wortspiel, das konkret auf Gollum aus „Der Herr der Ringe“ Bezug nimmt, sondern das komplette Verhalten Mullogs gleicht Tolkiens tragischer Figur. Trotz, oder gerade wegen dieser Intertextualität, ist „Dawn of Magic“ durch und durch originell. Vor allem dann, wenn man auch noch das klassische Gameplay à la „Diablo” mag.

Wem es allerdings zuwider ist, einen „normalen“ Charakter großzuziehen und bloß zu Zaubersprüche einzusetzen, der muss sich entweder für „Der Herr der Ringe online“ oder für Warhammer online entscheiden warten (Bewerbungen für die geschlossene Beta-Phase sind seit Kurzem möglich). Die digitale Version von Mittelerde mag zwar etliche Zocker magisch anziehen, doch „Warhammer“ steht bei Eingefleischten mindestens genauso hoch im Wert. Schließlich bieten einem beide Games passable Action in weitläufigen Fantasywelten. Dass die Titel so wichtig sind, beweist auch ein Blick in jene Ecke des Kioskregals, wo die aktuellen Branchenmagazine (Gamestar und Co.) liegen.

„Dawnspire“ bietet actionreiche Team-Kämpfe in düsterem Fantasy-Setting – leider nicht mehr.

Schade nur, dass dabei immer wieder vergessen wird, dass es auch andere gute und sogar kostenlose Online-Rollenspiele wie Archlord oder Dawnspire gibt. Doch dass man denen nicht so viel Aufmerksamkeit schenkt, liegt daran, dass ihre Entwickler auf keine Historie zurückgreifen. Selbst der Bezugspunkt zu einer Marke fehlt. Sich dann auf dem heiß umkämpften Markt der MMORPGs zu behaupten, das ist extrem schwierig. Zudem bietet „Dawnspire“ bei weitem nicht den Tiefgang, wie er etwa beim Spielen von „Der Herr der Ringe“ aufkommt. Allerdings lässt sich „Dawnspire“ gut zwischendurch zocken.

In „Der Herr der Ringe online“ kann man seine Elbin zur Bardin ausbilden und so seine Gegner mit Gitarrenklängen und Geschrei besiegen.

Offline-Titel wie Two Worlds"www.2-worlds.com/ haben es da leichter. Hier muss man sich keinem Team anschließen, um Erfolge zu erzielen, sondern man gibt sich einfach der Story hin. Und die von „Two Worlds“ zieht einen auch rasch in ihren Bann: Erst wird dem Helden mitgeteilt, ein Furcht erregender Krieger warte auf ihn in einem nahe liegenden Dorf, und dann sagt dieser düstere Kerl namens Gandohar dort auch noch, man solle einfach alles so tun, wie man es von ihm verlange. Schließlich haben die Kollegen des Botschafters des Helden Schwester entführt. Dass einem dann noch jemand unterwegs sagt, man solle sich vor falschen Freunden in Acht nehmen, lässt schon fast das Fass überlaufen.

Dunkle Mächte verwirren den Helden in „Two Worlds“: Botschafter Gandohar zeigt sein wahres Gesicht.

Zum Glück geht es dann auch bald richtig los. Fünf Teile eines Relikts sind zu finden, um die Blutsverwandte zu retten. Aber wie der Name des Games schon sagt, geht es um zwei Welten. Entsprechend undurchsichtig ist der Plot. Also kommen die wichtigsten Einzelheiten bloß peu à peu ans Licht... Und das macht dieses schön ausschauende Rollenspiel zu einem der spannendsten Vertreter seiner Art. Das hat sich offensichtlich bei „Elder Scrolls“-Anhängern so schnell herumgesprochen, dass „Two Worlds“ kurz nach der Veröffentlichung an die Spitze der PC-Games-Charts schoss und Der Herr der Ringe online damit auf Platz 2 verwies.

Ob auch Loki in der obersten Liga mitspielen wird, darüber lässt sich bisweilen nur spekulieren, denn das Hack’n’Slay-Game kommt erst Anfang Juni auf den Markt. Der erste Blick auf den Titel ist allerdings schon vielversprechend, zumindest dann, wenn man auf Mausklickorgien steht, wie es sie einst bei „Diablo“ gab. Ähnlich wie „Two Worlds“ fesselt einen die im alten Ägypten angesiedelte Story von „Loki“ von Beginn an: Im Auftrag von Isis, der Göttin des Lichts, muss der Held herausfinden, was es damit auf sich hat, dass der wieder auferstandene Gott Seth ein neues Reich gründen will. Um das Puzzle am Ende zu lösen, muss sich der Spieler entscheiden, wem er trauen darf und wem nicht.

Klick sie alle tot! „Loki“ lässt die Herzen von „Diablo“-Fans höher schlagen.

Vor diese Wahl wird man quasi auch als Käufer gestellt, denn sich zwischen so vielen neuen Rollenspielen auf einmal zu entscheiden, wie es zurzeit der Fall ist, das war bis dato noch nicht der Fall. Umso besser, dass es da noch Titel wie „Chronicles of Spellborn“ gibt – die Veröffentlichung des Online-RPGs wurde kurzerhand um einige Monate nach hinten verschoben. Ursprünglich sollte es in diesen Tagen erscheinen…