Zehn zweifelhafte Faktenchecks – und wie die Politik die Wissenschaft diskreditierte

Spätestens seit der Corona-Krise gehört der Faktencheck zur "Neuen Normalität". Dabei sind Wissenschaft und absolute Wahrheit per definitionem unvereinbar. Fragwürdige Fallbeispiele und Kommentar.

In der Corona-Krise wurden Fehler gemacht, so viel ist sicher. Wie es um deren Aufarbeitung bestellt ist, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt. Als größter Fehler könnte es sich allerdings herausstellen, dass die Wissenschaft für politische Zwecke instrumentalisiert wurde.

Nicht nur aufgrund der allzu realen Gefahr, dass (in einer niederträchtigen Spielart des sogenannten confirmation bias) Fakten erst geschaffen werden, um ein vorherrschendes Narrativ zu bestätigen. Nein, auch weil die Wissenschaft in den Augen vieler so endgültig ihre Unabhängigkeit – beziehungsweise: Unschuld – aufs Spiel setzt.

Wenn der Institution der freien Wissenschaft niemand mehr vertraut, ist das für eine aufgeklärte Gesellschaft fatal, denn dann kehrt sie wieder zurück in den Schoß des (bedingungslosen) Glaubens. Ein wesentlicher Motor dieser fatalen Politisierung war das Kommunikationsphänomen "Faktencheck" – und das, obwohl der Faktencheck eigentlich vorgibt, die Wissenschaft zu verteidigen.

"The science is settled"

Kulturgeschichte und Strategien des Faktenchecks wurden von Kommunikationswissenschaftlern wie Michael Meyen und Sabine Schiffer bereits ausführlich beschrieben. In der folgenden Zusammenstellung soll nun aber noch einmal deutlich die Eigenschaft herausgestellt werden, mit welcher der Faktencheck in der Corona-Krise am deutlichsten dem innersten Prinzip der Wissenschaft entgegentrat: Sein (immanenter) Absolutheitsanspruch.

Denn der Faktencheck hat definitionsgemäß die fluiden und widersprüchlichen Hypothesen der Wissenschaft in eindeutige Information umzuschreiben, nach der sich die Menschen formieren konnten. Das ist nicht nur ein abgedroschenes Wortspiel, denn wahr und falsch (oder auch das vermeintlich harmlosere "unbelegt") formten sich für die Empfänger nicht selten zu "gut" und "böse", "wir" und "die". Das Uneinheitliche, Inkommensurable – wie der kluge Adorno geschwurbelt hätte – liegt dem Faktencheck daher tendenziell fern.

Hier werden nun 10 Beispiele angeführt, die das für den Diskurs in der Corona-Krise verdeutlichen. Damit soll aber nicht der Fehler wiederholt werden, sich auf letzte Wahrheiten festzulegen.

Stattdessen soll die Zusammenstellung den dialektischen Charakter der wissenschaftlichen Debatte illustrieren und dazu anregen, das in den letzten Jahren gerne bemühte Diktum "The science is settled" kritisch zu hinterfragen.

Die Beispiele sind jeweils chronologisch geordnet.

Übersicht:

  1. Sars-CoV-2 könnte aus einem Labor stammen
  2. Die Inzidenzzahl ist unzuverlässig, denn: Wo viele Tests, da viele Fälle
  3. Durch Masken(-pflichten) lässt sich die Verbreitung von Viren stark reduzieren
  4. Lockdowns waren nicht notwendig, um die Inzidenz zu senken
  5. Die durchgemachte Infektion schützt besser vor Neuinfektion als Vektor- und mRNA-Stoffe
  6. Covid-Impfungen sind keine Impfungen, sondern Gen- bzw. Zelltherapien
  7. Es gibt keine schweren Nebenwirkungen der Impfung
  8. Die Covid-Injektionen stören die Menstruation
  9. Muttermilch kann mRNA-Partikel enthalten
  10. Die mRNA der Covid-Impfungen kann in den Zellkern integrieren

1. Sars-CoV-2 könnte aus einem Labor stammen

Die 15 häufigsten Gerüchte und Theorien zum Coronavirus im Faktencheck, Correctiv, 23. April 2020:

Diese Verschwörungstheorie [Corona als Biowaffe oder Laborunfall] hält sich hartnäckig, obwohl bereits im Februar zahlreiche Wissenschaftler betonten, alles deute auf einen natürlichen Ursprung des Virus hin. Autoren einer neueren Studie im wissenschaftlichen Journal Nature kommen nach einer genetischen Analyse des Coronavirus ebenfalls zu dem Schluss: "Sars-CoV-2 ist kein Labor-Konstrukt oder absichtlich manipuliertes Virus."

Thomas C. Mettenleiter im Gespräch: Er leitet Deutschlands gefährlichstes Viren-Labor – nun äußert er sich zum Corona-Ursprung, Focus, 7. Juli 2021:

Covid-Ursprung: Immer mehr Experten halten Labor-Theorie für möglich [...]Während die Labor-These bisher häufig also als Spinnerei oder Verschwörungstheorie vom Tisch gewischt wurde, auch von Virologe Christian Drosten, scheint sie im Moment immer mehr Anhänger zu finden. So halten mittlerweile auch Experten wie der Virologe Alexander Kekulé eine versehentliche Freisetzung aus dem Labor für durchaus möglich.

The Lab Leak Deception, Reason, 11. März 2022:

E-Mails, die durch den Freedom of Information Act veröffentlicht wurden, haben gezeigt, dass [Anthony] Fauci, der Direktor der National Institutes of Health (NIH), Francis Collins, und andere prominente Beamte die Möglichkeit eines Laborursprungs viel ernster nahmen, als sie zugaben. "Top-Virologen, Giganten auf diesem Gebiet, sahen sich das Genom an und flippten im Grunde aus", sagt die Gesundheitsreporterin Emily Kopp, die bei der gemeinnützigen Organisation U.S. Right to Know arbeitet. Sie hat Tausende von Seiten offizieller Dokumente und Korrespondenzen erhalten, von denen einige die orchestrierte Absicht von Wissenschaftlern offenbaren, die Labor-Theorie herunterzuspielen.

Anmerkung: Die Labor-Theorie gilt deshalb natürlich noch nicht als bewiesen. Ebenso wenig aber das Gegenteil, was durch den Faktencheck zumindest suggeriert wurde.

2. Die Inzidenzzahl ist unzuverlässig, denn: Wo viele Tests, da viele Fälle

#Faktenfuchs: Mehr Corona-Tests, mehr Infizierte?, BR, 7. August 2020:

Zugleich betont das RKI, dass man die Anzahl der Tests nicht mit dem Anstieg der Fallzahlen ins Verhältnis setzen kann. Man kann also nicht sagen: "Je mehr getestet wird, desto mehr Corona-Fälle gibt es." Aktuell gibt es mehr Corona-Fälle, da, wie RKI und Spahn übereinstimmend berichten, sich weniger Menschen an die Abstands- und Hygieneregeln halten oder es beispielsweise am Arbeitsplatz zu Infektionen kommt.

weiter heißt es im Beitrag:

Corona-Relativierer wittern einen Zusammenhang, eine Verschwörung.

Corona-Studie an der Uni Würzburg: R-Wert nicht exakt berechnet, BR, 19. Oktober 2022:

Der R-Wert wurde gerade zu Beginn der Pandemie häufig herangezogen, um über schärfere Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie zu entscheiden […] All diese Schätzungen und Berechnungen beruhen laut dem Virologen Scheller auf der Inzidenz von Corona-Infektionen, die mit einem PCR-Test nachgewiesen wurden. Daher das Problem: Die Zahlen hängen davon ab, welche und wie viele Menschen entsprechend getestet wurden oder werden konnten.

Anmerkung: Ein Zusammenhang zwischen Ausweitung der Tests und einem Anstieg der Inzidenzen wurde selbst zu Anfang der Corona-Krise weitgehend nicht bestritten. Allerdings wurden entsprechende Behauptungen Faktenchecks unterzogen, indem man deren Aussage veränderte. So etwa bei Correctiv: "Nein, die Fallzahlen steigen nicht nur [!], weil mehr getestet wird". Eine solche direkte Korrelation konnte bisher tatsächlich nicht bewiesen werden.

3. Durch Masken bzw. Maskenpflichten lässt sich die Virenverbreitung nicht stark reduzieren

WHO stands by recommendation to not wear masks if you are not sick or not caring for someone who is sick, CNN, 31. März 2020:

Der Artikel zititert den Direktor des Gesundheitsnotfallprogramms der World Health Organization (WHO), Michael J. Ryan, mit den Worten:

Es gibt keine konkreten Hinweise darauf, dass das Tragen von Masken in der breiten Bevölkerung einen potenziellen Nutzen hat. Es gibt sogar einige Hinweise, die auf das Gegenteil hindeuten, wenn eine Maske nicht richtig getragen wird oder nicht richtig sitzt.

Universal Masking in Hospitals in the Covid-19 Era, New England Journal of Medicine, 21. Mai 2020:

Wir wissen, dass das Tragen einer Maske außerhalb von Einrichtungen des Gesundheitswesens, wenn überhaupt, nur einen geringen Schutz vor Infektionen bietet.

Talk aus Berlin mit Christian Drosten, RBB, 29. Januar 2021:

Christian Drosten, angesprochen auf die Möglichkeit, durch Maskentragen andere zu schützen:

Damit hält man das nicht auf […] die technischen Daten dazu sind nicht gut für das Aufhalten mit der Maske.

Wissenschaftliche Studien und Forschende belegen den Virenschutz durch Masken, AFP, 13. Juli 2021:

Eine Modellierungsstudie in Jena aus dem Jahr 2020 zeigte etwa eine um 75 Prozent geringere Häufigkeit an Neuinfektionen 20 Tage nach Einführung einer Maskenpflicht. Die thüringische Stadt wurde zum Vergleich mit einer Kontrollstadt abgeglichen, in der es keine Maskenpflicht gab. […] Die Behauptung, dass Masken nicht vor Viren schützen würden, ist falsch.

There Is Little Evidence That Mask Mandates Had an Important Impact During the Omicron Surge, Reason, 18. Februar 2022:

Als Begründung für die Aufhebung der Maskenpflicht haben die Gouverneure und die Gesundheitsbehörden im Allgemeinen den drastischen Rückgang der täglichen Neuerkrankungen seit Mitte Januar angeführt. Es gibt jedoch kaum Beweise dafür, dass die Maskenpflicht viel mit diesem Rückgang zu tun hatte. […] Insgesamt gibt es keinen offensichtlichen Unterschied zwischen Staaten mit Maskenpflicht und Staaten ohne Maskenpflicht.

Anmerkung: Hier kann das bekannte Argument angeführt werden, dass die Diskrepanz zwischen den Einschätzungen lediglich mit dem fortschreitenden Wissensstand zu tun hat. In einem Interview mit Cicero bemerkte so auch der ehemalige Leiter des globalen Influenzaprogramms der WHO, Klaus Stöhr, dass man den Jahre zuvor geltenden Konsens zur Gesichtsmasken aufgrund neuer Erkenntnisse habe revidieren müssen. Das wiederum spricht eher gegen einen Faktencheck als Momentaufnahme einer immer unübersichtlicheren Anzahl sich teilweise widersprechender Studien, die sich nicht zuletzt – und das soll das letztgenannte Beispiel zeigen – an den Ergebnissen "im Feld" messen müssen. Die (gesonderte) FFP2-Debatte wurde hier bewusst nicht aufgegriffen.

4. Lockdowns waren nicht notwendig, um die Inzidenz zu senken

Faktencheck zu RKI-Daten: "Muss Zahlen richtig lesen": Experten weisen Kritik zurück, Shutdown sei sinnlos gewesen, Focus, 7. Mai 2020

Auf Anfrage von Focus Online erklärt das RKI darüber hinaus, man führe die schon vor dem 23. März auf unter 1 gesunkene Reproduktionszahl darauf zurück, "dass bereits vorher das öffentliche Leben zurückgefahren worden ist", zum Beispiel durch Absage von Großveranstaltungen. Das Kontaktverbot helfe nun, den Wert auf unter 1 zu halten bzw. zu stabilisieren. […] Bei einer vorschnellen Rücknahme aller oder eines großen Teils kontaktbeschränkender Maßnahmen bestehe die grundsätzliche Gefahr einer zweiten Welle, bestätigt auch RKI-Vizepräsident Lars Schaade.

Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik, Sachverständigenausschuss, 30. Juni 2022:

Es zeigt sich, dass die Wendepunkte ("peaks") oft nicht mit der Einführung bestimmter Maßnahmen(pakete) zusammen fallen und teilweise bereits vor den Maßnahmen erfolgten […] Insgesamt ist ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Inzidenz und der Maßnahmenstärke nicht erkennbar.

Anmerkung: Auch hier mag das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, auffallend ist dennoch die Unbeirrbarkeit, mit der das RKI damals an seinem Befund festhielt, obwohl die Sachverständigenkommission entsprechende Daten später vermisste.

5. Vektor- und mRNA-Injektionen schützen besser als die durchgemachte Infektion

Molekularbiologe erklärt, warum Geimpfte besser geschützt sind als Genesene, Volksverpetzer, 11. Januar 2021:

Martin Moder, österreichischer Autor und "Science Buster" [...] fasst […] zusammen, warum eine erfolgreich überstandene Infektion schlechter schützt als die Impfung und warum auch Genesene sich die Impfung holen sollten. Der Aufklärer hat in der Vergangenheit bereits diverse Mythen und Fakten rund um Corona und Impfungen erläutert.

Genesene besser geschützt als Geimpfte? Massive Kritik an neuer Studie aus Israel, Focus/InFranken, 4. September 2021:

Forschende aus Israel haben in einer neuen Studie herausgefunden, dass Genesene besser als Geimpfte vor der Virusvariante geschützt sind. Den Ergebnissen zu Folge wären Menschen, die sich bereits infiziert haben, besser geschützt, als diejenigen, die eine doppelte Impfung erhalten haben.

Monitoring des Covid-19-Impfgeschehens in Deutschland, RKI, 3. November 2022:

Ein kürzlich als Preprint veröffentlichter systematischer Review der WHO […] bewertet die internationale Studienlage zum Schutz einer vorangegangenen Sars-CoV-2-Infektion sowie einer hybriden Immunität (Impfung + Infektion) vor Infektionen und schweren Verläufen mit der bzw. durch die Omikronvariante. […] Die Ergebnisse des Reviews […] zeigen zum einen, dass sowohl die hybride Immunität als auch eine alleinige vorangegangene Infektion einen etwas höheren Schutz gegen eine Omikroninfektion vermitteln als eine vollständige Grundimmunisierung bzw. Auffrischimpfung alleine.

(Mehr dazu auf Telepolis: "Covid-19: "Hybride Immunität" schützt besser")

Anmerkung: Auch hier mag der Zeitbezug als Argument angeführt werden. Bezogen sich die ersten Beurteilungen noch auf die sogenannte Delta-Variante, war zum Zeitpunkt der genannten RKI-Studie bereits Omikron die vorherrschende Virusvariante. Umso weniger scheinen hier aber generalisierende Aussagen für Beurteilungen eines temporären Geschehens geeignet. Die israelische Studie mit 32.000 Teilnehmern wurde im Übrigen nach Focus/InFranken-Informationen deshalb "massiv" kritisiert, weil ihr Ergebnis das gesundheitliche Risiko der Infektion herunterspiele. Außerdem seien lediglich Probanden untersucht worden, die das Biontech/Pfizer-Präparat erhielten und asymptomatische Personen nicht.

6. Covid-Impfungen sind keine Impfungen, sondern Gen- bzw. Zelltherapien

Jahresbericht der BioNTech SE 2019, S.14

Obwohl wir davon ausgehen, BLAs [biologics license application, Zulassung] für unsere mRNA-basierten Produktkandidaten einzureichen, wurden mRNA-Therapien in den Vereinigten Staaten und in der Europäischen Union als Gentherapie-Arzneimittel eingestuft, andere Gerichtsbarkeiten könnten unsere mRNA-basierten Produktkandidaten als neue Arzneimittel, nicht als Biologika oder Gentherapie-Arzneimittel betrachten und andere Zulassungsanträge verlangen.

Approved mRNA Vaccine for Covid-19 is a Milestone for Gene and Cell Therapy, American Society of Gene and Cell Therapy, 11. Dezember 2020:

Die heutige FDA-Zulassung des Covid-19-Impfstoffs BNT162b2 von Pfizer und BioNTech ist ein großer Tag für die USA und ein bedeutender Meilenstein für den Bereich der Gen- und Zelltherapie: Es ist der erste mRNA-Impfstoff oder das erste Medikament, das von der FDA zugelassen wurde, und stellt den Höhepunkt jahrzehntelanger Forschung dar, die nun die Sicherheit und Wirksamkeit der Gentherapie auf der Weltbühne demonstriert.

Rede von Bayer-Vorstandsmitglied Stefan Oelrich auf dem World Health Summit 2021, 24. Oktober 2021:

Letztendlich sind die mRNA-Impfstoffe ein Beispiel für diese Zell- und Gentherapie. Ich sage immer gerne wenn wir vor zwei Jahren eine öffentliche Umfrage gemacht hätten, ob die Leute bereit wären, sich eine Gen- oder Zelltherapie in ihren Körper zu injizieren zu lassen, hätten wir wahrscheinlich eine Ablehnungsquote von 95 Prozent gehabt. Ich denke, diese Pandemie hat auch vielen Menschen die Augen für Innovationen auf eine Weise geöffnet, die vorher vielleicht nicht möglich war.

Blogbeitrag rechnet mit falschen Zahlen: Kein Beleg für Unwirksamkeit der Corona-Impfungen, dpa, 12. April 2022:

Eine Impfung mit der mRNA-Technologie, auf der die Corona-Impfungen von Moderna und Biontech/Pfizer beruhen, verändert das menschliche Erbgut nicht. […] Die Informationen der RNA werden nicht in die menschliche DNA eingebaut. Es handelt sich bei der Impfung also nicht um eine "Gentherapie".

Erläuterung: Wie das Portal multipolar-magazin.de ausführlich dargelegt hat, liegt diese Abweichung der beiden Beurteilungen auch in der medizinischen Definition eines Impfstoffs begründet. So wies der Pharmakologe Peter Doshi, den multipolar ebenfalls zitiert, darauf hin, dass besagte Definition geändert wurde, um die mRNA-Injektionen in die Definition einzuschließen. Die Eigenschaft, das Erbgut zu verändern, war demzufolge zunächst kein Kriterium zur Bestimmung einer Gen- oder Zelltherapie.

7. Es gibt keine schweren Nebenwirkungen der Impfung

Ist die Corona-Impfung unsicher? 21 Behauptungen zum Coronavirus im Faktencheck, Watson, 30. Dezember 2020:

Behauptung: "Die Nebenwirkungen der Corona-Impfung sind gefährlich." […] Bei bis zu 10 Prozent der Studien-Probanden wurden Nebenwirkungen wie leichtes Fieber und Gelenkschmerzen festgestellt. Diese klangen aber nach spätestens zwei Tagen ab und sind damit sehr viel angenehmer als eine Covid-19-Erkrankung. Schwere oder gar lebensbedrohliche Nebenwirkungen wurden in keiner Studie festgestellt. […] Fazit: Falsch.

Impfschäden fast verdreifacht: Warum Ärzte dennoch Corona-Impfungen empfehlen, Kreiszeitung, 11. November 2022:

Nebenwirkungen [...]sind zunächst nichts Ungewöhnliches. Attestieren jedoch Ärztinnen und Ärzte einen unmittelbaren Zusammenhang mit einer Corona-Impfung und lassen sich diese Reaktionen noch sechs Monate später nachweisen, spricht man von einem Impfschaden. […] Mittlerweile gilt die Zahl als bestätigt: 160 Schäden gab es in Deutschland bis Oktober 2022.

Anmerkung: Von nicht vorhandenen Studien auf "falsch" zu schließen, beschreibt die grundlegende Problematik eines (nachlässig ausgeführten) Faktenchecks.

8. Die Covid-Injektionen stören die Menstruation

Corona und Menstruation: Impfnebenwirkung auf Periode nicht erkennbar, MDR, 28. Juli 2021:

Auf Basis der bisher in Deutschland erhobenen Daten zur Corona-Impfung kann das für Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut bislang kein Signal auf eine weitere, durch die Impfung ausgelöste Nebenwirkung erkennen. […] Einen [sic] Zusammenhang zwischen einer Corona-Impfung und einer Veränderung der Monatsblutung von Frauen sei aber bislang nicht erkennbar. "Ich wüsste auch nicht, über welchen Mechanismus es dazu kommen sollte", so [PEI-Präsident Klaus] Chichutek.

Stimmt: Covid-19-Impfung kann Menstruation beeinflussen, MDR, 17. Juli 2022:

Wie vorangegangene Studien kommt auch eine neue Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine Corona-Impfung vorübergehend Zyklusstörungen verursachen kann. Forschende analysierten Daten von rund 39.000 Erwachsenen. Unter denjenigen Frauen, die zuvor einen regelmäßigen Menstruationszyklus erlebt hatten, berichteten 42 Prozent über stärkere oder zeitlich verzögerte Monatsblutungen nach der Covid-19-Impfung.

Anmerkung: Bemerkenswert ist nicht nur, dass hier der (gegenteilige) Faktencheck aus derselben Redaktion, MDR Wissen, stammt. Der erste Artikel bezog sich auf mehrere Meldungen, wonach Frauen über entsprechende Beschwerden klagten. Da das PEI allerdings kein Sicherheitssignal bestätigte, wurde die mittlerweile anerkannte Nebenwirkung deshalb für "nicht erkennbar" erklärt.

9. Muttermilch kann mRNA-Partikel enthalten

Die Vaers-Datenbank des CDC beweist nicht den Impftod eines Babys nach dem Stillen, AFP, 7. Mai 2021:

Expertinnen und Experten sind sich einig, dass mRNA aus Impfungen nicht in die Muttermilch und somit auch nicht ins Baby gelangen kann […] Das Spike[-Protein, P.F.] kann nicht in die Muttermilch gelangen, weil es sich nicht frei im Körper bewegt, sondern fest auf den Muskelzellen sitzt und dort eine Immunantwort des Körpers erzeugt.

Aussage von Virologin Melanie Brinkmann, Markus Lanz, 10. November 2021:

Da ist immer das falsche Denken, […] dass man die Angst hat, der Impfstoff kann irgendwie zu diesem Kind gelangen über Muttermilch, Tränenflüssigkeit, was weiß ich wie. Das ist biologisch gar nicht möglich-

Spuren von mRNA-Impfstoffen in Muttermilch nachgewiesen, Stillen möglich, Ärzteblatt, 4. Oktober 2022:

Mediziner haben kurz nach der Impfung mit den mRNA-Vakzinen bei Stillenden Spuren [extrazelluläre Vesikel, P.F.] der Impfstoffe in einigen Muttermilchproben nachgewiesen. […] Möglicherweise gelangten Nanopartikel, die die mRNA enthalten, über die Blutbahn oder das Lymphsystem zu den Brustdrüsen, spekulieren die Forscher. Ob die mRNA noch aktiv war, also theoretisch zur Bildung von Proteinen führen könnte, prüfte die Arbeitsgruppe nicht.

Anmerkung: Hier wird (erneut) deutlich, was Faktenchecks leisten und was nicht: In einem spezifischen Kontext (etwa vor dem Hintergrund einer möglichen "Impfung durch die Muttermilch" o.Ä.) wird eine generalisierende Aussage getroffen, die einzelne Aspekte verwirft, welche sich im Lichte einer nüchternen Betrachtung später durchaus als bedeutsam erweisen.

10. Die mRNA der Covid-Impfungen kann in den Zellkern integrieren

Das unterschätzte Mutationspotential der Retrogene: mRNA-Moleküle von Retrogenen werden wieder in DNA umgewandelt und ins Erbgut eingebaut, Max-Planck-Gesellschaft, 2. Februar 2021:

Man weiß aber schon seit langem, dass mRNA auch wieder in DNA umgeschrieben und zurück ins Genom integrieren kann. Man spricht in solchen Fällen von Retrogenen. […] In der Masse dieser natürlichen Vorgänge fällt der mögliche zusätzliche Effekt durch eine mRNA Impfung kaum ins Gewicht […] Es ist nicht zu erwarten, dass injizierte mRNA in die Keimzellen übernommen wird, d.h. eine mögliche Vererbung kann man praktisch ausschließen. Wenn man also diesen Hintergrund in Betracht zieht, kann man mit sehr großer Sicherheit sagen, dass die potentielle Gefahr, die von zurückgeschriebener RNA (Retrogenen) im Zusammenhang mit der Impfung ausgeht, deutlich geringer ist als die Gefahr, die von einer Infektion mit dem Coronavirus ausgehen kann, bzw. die von den natürlichen Zellprozessen ausgeht.

Warum es keine Langzeit-Nebenwirkungen gibt, ZDF, 20. Oktober 2021:

Greift mRNA ins Erbgut des Menschen ein? […] "Das ist wirklich völliger Quatsch", sagt die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im Interview mit ZDFheute. "Die mRNA kann sich nicht in unsere DNA, in unser Genom, integrieren." Denn die Erbinformationen des Menschen befinden sich in Form von DNA im Zellkern, dorthin gelangt die mRNA gar nicht – und sie hat außerdem eine andere chemische Struktur als die DNA. Darauf macht auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf seiner Website aufmerksam.

Anmerkung: Auch hier wurden in der Absicht, Zweifel an der Covid-Impfung auszuräumen, Behauptungen aufgestellt, die sich in ihrer generalistischen Form als nicht haltbar erweisen. So kann der Eindruck enstehen, die Beseitigung von Zweifeln weckt (zumindest unter Faktencheckern) mehr Interesse als Falschbehauptungen an sich. Das führt nicht nur den vorgeblichen gesellschaftlichen Auftrag des Faktenchecks ad absurdum, sondern bringt auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und die Risikokommunikation der Politik in Verruf.

Vertrauensverlust billigend in Kauf genommen

Der gesellschaftliche Schaden, den die beschriebene politische Indienstnahme der Wissenschaft hervorruft, scheint die politisch Verantwortlichen wenig zu kümmern. Es mag daran liegen, dass manche in ihrem Metier schon bis zu 40 Prozent Desillusion gewohnt sind.

Den Schneid, für eine Institution oder gar ein höheres Ideal auf Macht zu verzichten, besitzt so gut wie keiner von ihnen. Dann eher noch die Chuzpe, trotz dramatischer Verfehlungen gegenseitiges Verzeihen einzufordern oder für sich selbst Haftungsfreiheit zu reklamieren. Rechte für die einen, Pflichten für die anderen.

Konsequenterweise befassen sich die Faktenchecker bis auf wenige Ausnahmen daher auch nicht mit Politikern wie Karl Lauterbach, der Falschbehauptungen wie die von einer "nebenwirkungsfreien Impfung" verbreitete. Dagegen entsteht eher der Eindruck, sie stärkten ihm den Rücken.