Zeitbombe Syrien: Ein fataler Fehler von Nato-Ländern

Seite 2: "Gute Demokraten": Wie das in Syrien schiefgeht

Schon jetzt gibt es häufige Meldungen über militärische Angriffe der Türkei auf syrische Gebiete, in denen Kurden heimisch sind, die von ihnen demokratisch verwaltet werden.

Da die Weltöffentlichkeit gegenwärtig wieder die Ukraine als Hotspot für den Kampf der "guten Demokraten" gegen "böse Destabilisierer" auserkoren hat, kann Erdogan seine retro-imperialen Aggressionen auf Kurdengebiete in Syrien und Irak ungestört ausführen.

Unterstützt wird er von einer mörderischen Destabilisierungspolitik des Westens in Syrien. Wie Kamal Sido, Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker – ein ausgesprochener Kritiker des "syrischen Regimes" und der russischen Politik in Syrien und jemand, der das Gelände aus eigener Erfahrung, durch Familie und Kontakte kennt –, ausführt, haben die Unterstützung der islamistischen Opposition durch westliche Länder und die gegenwärtige Sanktionspolitik des Westens einen maßgeblichen Beitrag zur katastrophalen Situation im Land geliefert.

Die Lage in Syrien entwickelt sich mehr und mehr zu einem dramatischen Chaos. Bisher hat dieses Vorgehen nur Assads Regime und die syrischen Islamisten gestärkt. Und zwar auf Kosten der demokratischen Opposition und der gesamten Zivilbevölkerung. Es war ein fataler Fehler, syrische Islamisten über die Türkei mit Geld und Waffen zu versorgen. Eine friedliche, nicht von Islamisten angeführte Opposition hätte wohl bessere Chancen gehabt, eine Änderung oder konkrete Reformen in Syrien herbeizuführen.

Auch die drastischen westlichen Sanktionen gegen Syrien werden vermutlich zu keinem Regimewechsel führen. Die humanitäre Lage in Syrien ist heute bedrückend geworden: Die Menschen leiden unter Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger und es ist unmöglich, selbst die Grundbedürfnisse zu decken. Das Bildungsniveau wurde weitgehend zerstört, ebenso der Gesundheitssektor.(…)

Es führt auch dazu, dass die Bevölkerung nicht mehr gegen die Diktatur protestiert, sondern gegen die Sanktionen. Es kommt also zu keinem Regimewechsel, sondern zu mehr Solidarität der Bevölkerung mit den jeweiligen Diktatoren.

Kamal Sido, Die Tagespost

Die Lebensmittelpreise seien weltweit gestiegen, berichtete die UN-Organisation für Lebensmittel und Landwirtschaft vor ein paar Tagen. Die Preise wurden mit denen zuzeiten der sogenannten Arabellion im Jahr 2011 verglichen. Sie seien nun höher. Da sie verarmte Regionen besonders betreffen, sind Ökonomen aus internationalen Organisationen beunruhigt: "Es gibt viel Grund zur Sorge über soziale Unruhen auf breiter Ebene".

Über die Verarmung der Bevölkerung in Syrien, die dortigen Lebensmittelpreise und Treibstoffknappheit und die fatale Rolle, die den Sanktionen dabei zukommt, wurde an dieser Stelle schon mehrfach berichtet.

Gegenwärtige Berichte von den Flüchtlingslagern in Syrien zeigen ein katastrophales Bild: Der Winter mit Kälte und Schnee richtete in Lagern in Idlib und in der Provinz Aleppo im Januar Zerstörungen, die größere Hilfseinsätze nötig machten. Haushalte und auch landwirtschaftliche Betriebe sind von Hilfen abhängig, um nicht hungern zu müssen.

Kinder in den Lagern leben nicht in Umständen und bekommen nicht den Unterricht, um ihnen eine gute Zukunft in Aussicht zu stellen. Das ist eine Zeitbombe.

Er habe eine Spende für notleidende Kinder in Nordsyrien überweisen wollen, berichtet Kamal Sido heute in einem Artikel der Printausgabe der Tagespost. Das habe aber nicht funktioniert, weil, wie man ihm erklärte, "eine Bank in Großbritannien meine Überweisung von 150 Euro nach Syrien nicht annehmen will. Die US-Sanktionen gegen Syrien und Geldwäschebestimmungen würden dies nicht erlauben".