Zeitenwende im Kuhstall
- Zeitenwende im Kuhstall
- Immer weniger Betriebe halten immer mehr Kühe
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Luft nach oben beim Tierwohl. Immer mehr Kleinbetriebe geben auf, weil sie Auflagen nicht erfüllen können. Das Auf und Ab der Milchpreise irritiert den Markt. Pflanzendrinks werden beliebter.
Milchkühe auf Spaltenböden in drangvoller Enge im eigenen Kot stehend und liegend, Rinder mit Geschwüren an den Beinen, die sterbend entsorgt werden – immer wieder veröffentlichen Tierschützer heimlich gedrehte Videos mit skandalösen Bildern aus deutschen Ställen.
Die Kälber werden kurz nach der Geburt ihrer Mutter weggenommen und mit Milchaustauschern groß gezogen, denn die Kuhmilch, die ihnen von Natur aus zusteht, bleibt dem Menschen vorbehalten. Sie werden in winzige Boxen gesteckt, isoliert und mit wenig Platz, immerhin auf Strohhäcksel. Nach wenigen Wochen werden sie in Transporter verfrachtet und über Hunderte Kilometer zu einem anderen Aufzuchtbetrieb oder zum Schlachter transportiert.
Ähnlich wie Schweine und Masthühner werden Milchkühe und Kälber einem arbeits- und platzsparenden Haltungssystem angepasst. Zwar gibt es ein Gesetz mit dem sperrigen Namen Tierschutznutztierhaltungsverordnung, in dem Haltungsbedingungen von Schweinen, Masthühnern, Kaninchen und Kälber vorgeschrieben sind. Rinder und Milchkühe jedoch kommen darin nicht vor. Warum, bleibt nebulös.
Auch sonst ist die Verordnung ziemlich lasch. Selbst wenn die Minimalanforderungen eingehalten werden, kann von Tierwohl keine Rede sein. In der Regel kommt niemand im Auftrag einer Veterinärbehörde in die Ställe, um zu kontrollieren, ob die Tiere gesetzeskonform gehalten werden, es sei denn, jemandem fallen Missstände auf, und er/sie zeigt den betreffenden Betrieb an.
Seit einiger Zeit allerdings wird heftig über die Frage der Anbindehaltung bei Rindern und Milchkühen gestritten – vor allem Bayern und Baden-Württemberg, denn hier stehen zwei Drittel aller deutschen in Anbindung gehaltenen Rinder. Allein in Bayern mit seinen traditionell kleinen Betrieben sind es mehr als die Hälfte.
Traditionell sind viele Betriebe hier sehr klein. Im Schnitt hält ein bayerischer Milchviehbetrieb 43 Kühe. Zum Vergleich: In Niedersachsen stehen mit 100 Kühen mehr als doppelt so viele Tiere im Stall, in Mecklenburg-Vorpommern sogar 240 Kühe.
Knapp 22 Prozent der bayerischen Rinder stehen in Anbindeställen, während ihre Besitzer mehr als die Hälfte aller Rinderhalter ausmachen. Das bedeutet umgekehrt: 78 Prozent aller bayerischen Rinder werden nicht angebunden. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg repräsentieren die Rinderhalter mit Anbindeställen noch 41 Prozent aller Rinderhalter, in Hessen 30 Prozent, in Rheinland-Pfalz 28 Prozent.
Viele Bauern arbeiten im Nebenerwerb. Je kleiner ein Betrieb, desto schneller ist er bei neuen Auflagen gezwungen, auszusteigen. Deshalb nimmt hier die Zahl der Betriebe permanent ab. So verringerte sich die Zahl der Tierhalter mit Anbindeställen innerhalb der letzten zehn Jahre bundesweit von 82.500 auf nur 35.100.
Mit einem Verbot der Anbindehaltung stünden tausende Familienbetriebe vor dem Aus. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass der Bayerische Bauernverband sich gegen ein Verbot der Anbindehaltung ausspricht, gleichzeitig aber die ganzjährige Anbindung ablehnt.
Förderung bei Stallneubau
Die meisten Bauern würden sicher gerne in luftige, moderne Laufställe investieren, scheitern aber schlicht an den Kosten. Zwar wurden im vergangenen Jahr rekordverdächtige Milchpreise gezahlt. Doch steigende Kosten fressen einen Großteil der zusätzlichen Einnahmen wieder auf. So sind Investitionen in Stallumbauten oder Maschinen angesichts explodierender Energie- und Materialkosten utopisch.
Seit Kurzem gibt es allerdings staatliche Hilfen: Im Rahmen des so genannten Agrarinvestitionsförderungsprogramms bezuschusst die Bundesregierung Stallumbaumaßnahmen für Rinder und andere Nutztierarten.
Ob sich ein Stallneu- oder -umbau lohnt, hängt von verschiedenen Faktoren des jeweiligen Betriebes ab: der Anzahl der Kühe, Milchleistung, Arbeitskräften und Einkommen. Nicht immer muss es ein brandneuer Stall sein. Manchmal lassen sich vorhandene Ställe mit einfachen Mitteln umbauen oder erweitern. Doch auch hier wollen Aufwand, Kosten, Umsetzung, Tierwohl bedacht sein.
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