[Zensiert] siegt über Kunst

Der Titel der Kunstausstellung "[empty] spaces" musste wegen Verstoßes gegen das "geistige Eigentum" geändert werden.

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Was haben die Flächen von Kassenlaufbändern, die neuerdings als Raum für Werbebotschaften verwendet werden können, und eine Ausstellung über gesellschaftliche und mediale Raumzustände gemeinsam? Ihren Namen. Nur ist der eine „geschützt“ und der andere nicht - weswegen der kuratierende Verein thealit das Projekt in “[open] spaces“ umtaufen musste.

Plan der Ausstellung ist es, das von einigen Theoretikern aufgrund der technischen und medialen Entwicklung prognostizierte "Verschwinden des Raumes" mit der politischen Strategie der Europäischen Union, ihr Gebiet als wirtschaftlich und geographisch geschlossenes Gebiet darzustellen, zu konfrontieren. Künstler aus Deutschland, Holland, Irland, Italien, Mazedonien, der Slowakei und der Schweiz sollten hierzu ihre Arbeiten und Projekte präsentieren.

Doch ein Schreiben holte die Macher der Ausstellung aus diesem abstrakten Elysium heraus und in die rechtlichen Realitäten der Europäischen Union zurück. Obwohl ihre Ausstellung nichts mit dem von der Investitionsbank Berlin-Brandenburg prämierten und zum Zeitpunkt des Schreibens sogar schon wieder aufgegebenen Konzept einiger Juniorunternehmer zu tun hatte, das Rollband im Supermarkt originellerweise als Werbefläche zu nutzen, erlebten die Kuratorinnen Claudia Reiche und Andrea Sick im Vorfeld ihrer Ausstellung eine böse Überraschung. Die „Kreativen“ Daniel Brückner und Vincent Honrodt hatten ihre ans Geniale grenzende Geschäftsidee mitsamt Namen beim Patent- und Markenamt angemeldet und auch für Veranstaltungen im kulturellen und sportlichen Sektor schützen lassen. Nach einem Briefwechsel mit den Unternehmern und einer juristischen Beratung gab der Kunstverein auf und änderte den Namen der Ausstellung in “[open] spaces“:

“Ein Anwalt, der auf Markenrecht spezialisiert war, teilte uns mit, dass durch den Schutz der ‚Durchführung von kulturellen Veranstaltungen’, Klasse 41, Herr Brückner wohl Recht bekäme, wenn er es drauf anlegte das thealit abzumahnen wegen Verwendung des gleichen Titels. Da unser Kooperationspartner für die Ausstellung, die Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen, für den Ausstellungsbesuch Eintritt verlangt, konnten wir uns nicht als nicht kommerzielle Veranstaltung außer Konkurrenz zum Wortmarkenzusammenhang stellen. Das thealit nahm dies ungläubig zur Kenntnis und schlug im nächsten Schritt Herrn Brückner vor, dass eine Unterscheidung durch Änderung unseres Titels in ‚[empty] space’ (also Singular) erfolgen würde und dass damit dann ja wohl alles geklärt sei. Dies war keineswegs der Fall. Sondern dem thealit wurde wieder mit gerichtlichem Verfahren gedroht, wenn nur 'marginale Veränderungen' vorgenommen würden und die Wortmarke ‚empty spaces’ durch uns 'verwässert' würde. Wir entschieden uns, die Ausstellung umzubenennen, in [open] spaces und Herr Brückner nahm dies dann als ausreichende Änderung zur Kenntnis.“ (Kuratoron Claudia Reiche)

Nach Ansicht der Projektmanagerin Stefanie Möller zeigt sich in dem Fall, bei dem aufgrund der extrem unterschiedlichen Kontexte in denen die Begriffe verwendet werden kaum von einer realen Verwechslungsgefahr die Rede sein kann, welche negativen Effekte der immer unausgewogenere Schutz von Monopolrechten für das schöpferische Handeln Folge hat:

“Wir halten dies für eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten des kreativen und kritischen Umgangs mit Sprache im Kunstkontext. Das heißt auch, dass sich kommerzielle Strukturen in die Kunst und ihre Kontexte weiter einschreiben.“

Bei der Politik scheint diese Einsicht noch nicht angekommen zu sein. Vergangene Woche beschloss der EU-"Wettbewerbsfähigkeitsrat" unter Vorsitz von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und vor der europäischen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet eine weitere "Stärkung" des Markenrechtsschutzes.