Zerbrechen und Leben spenden

Nach Beobachtungen der LINEAR-Kometen könnten die Himmelskörper das für das Leben notwendige Wasser auf die Erde gebracht haben

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In der letzten Ausgabe von Science sind als Sonderveröffentlichung mehrere Artikel mit Studien über den Kometen LINEAR C/1999 S4 enthalten. Die LINEAR-Kometen sind nach dem Lincoln Near Earth Asteroid Research (LINEAR Programm benannt, das sie entdeckt hat, und werden jeweils mit Entdeckungsjahr und Kennziffer versehen. Eigentlich war das Projekt zur Asteroiden-Suche geschaffen worden, aber die spektakulären Kometen machen die Schlagzeilen.

Hubble-Foto von Komet LINEAR C/1999 S4. Der Kern zerbricht in eine Fülle von Fragmenten, die als Feuerwerk über den Himmel stürzen.

LINEAR C/1999 S4 war im September 1999 auf seinem Weg Richtung Sonne entdeckt und dann ständig beobachtet sowie analysiert worden. Kometen bestehen in ihrem Kern aus gefrorenen Gasen (wie Ammoniak, Kohlendioxid und Wasser), sie kommen aus dem Außenbereich des Sonnensystems und stürzen Richtung Sonne. Durch die zunehmende Wärme entsteht dann die Koma, der Schweif des Kometen, der eine immer stärker leuchtende Wolke aus Gas und Staub ist. Oft zerbricht der Kern auf dem Weg in mehrere Stücke oder eine Fülle kleiner Teile, die dann als Schwarm zu einer einzigen leuchteten Wolke werden. Genau das geschah mit LINEAR C/1999 S4 und fasziniert beobachteten die Astronomen die 16 Kometen-Stücke von jeweils nur noch max. hundert Metern Größe, die es Richtung Sonne zog. Vorher hatte der Kometenkern noch 750 bis 1.000 Meter Durchmesser.

Das Zerbrechen des Kerns machte es den Forschern möglich, einen Blick in sein Inneres, seine Zusammensetzung zu werfen. Der Komet wies eine erstaunlich große Wasserdampfwolke auf, deren Analyse erbrachte, dass dieses Wasser in seiner isotopischen Zusammensetzung irdischen Wasser gleicht. Das nährt die Theorie, dass das Meerwasser der Erde durch Kometen und Asteroiden auf die Erde kam. In dem Artikel "Water Production of Comet C/1999 S4 (LINEAR) Observed with the SWAN Instrument" erläutern J. Teemu T. Mäkinen vom finnischen Meteorological Institute und Kollegen, dass der Kometenkern mindestens 3,3 Millionen Tonnen Wasser enthalten haben muss.

Michael J. Mumma vom Goddard Space Flight Center der NASA und Kollegen glauben aus den Befunden über diesen Kometen zeigen zu können, dass er eine große Zahl der organischen Moleküle enthält, die für das Entstehen des Lebens auf der Erde wesentlich sind. Michael J. Mumma ist sicher, einen Beleg für den Ansatz gefunden zu haben, dass Kometen an der Entstehung des Lebens beteiligt waren: "Die Idee, dass Kometen mit Molekülen und Wasser das Leben auf der Erde ausgesät haben, wird heiß diskutiert. Jetzt haben wir zum ersten Mal einen Kometen gesehen, der die richtige Zusammensetzung hat, um genau das zu tun."

Die chemische Zusammensetzung des Kometen lässt vermuten, dass er in der Nähe des Jupiter Orbits entstanden ist. Linears Fragmente enthielten deutlich weniger Kohlenmonoxid (CO), Methan (CH4), Äthan (C2H6), and Acetylen (C2H2) als Kometen, die von sehr weit her kommen wie z.B. Halley. Diese flüchtigen Stoffe organischer Moleküle gefrieren nur bei extrem tiefen Temperaturen, deswegen muss LINEAR C/1999 S4 in wärmeren Regionen entstanden sein. Der Komet kam aus der Oort'schen Wolke, was sich daraus erklärt, dass die Schwerkraft des Gasgiganten Jupiter während des Entstehungsprozesses des Sonnensystems den Kometenkern in den Raum hinaus beförderte. Von dort aus sei er dann zur Sonne aufgebrochen.

ESO-Bild vom zerbrechenden Kometen

Gerade seine geringe Größe spricht dafür, dass ein derartiger Komet der Erde die Grundbausteine des Lebens gespendet haben könnte. "Es ist, als ob man von einem Schneeball statt von einem Eisberg getroffen wird", so Mumma. "Die aus der Jupiter-Region stammenden, kleinen Kometen schlagen relativ sanft auf die Erde auf, sie werden hoch in der Atmosphäre zerschmettert und dann liefern sie die meisten ihrer Moleküle intakt auf der Erdoberfläche ab."

Gleichzeitig erregt der Komet LINEAR C/2001 A2 Aufsehen, weil er in drei Teile zerbrochen ist. Er war am 3. Januar 2001 entdeckt worden und bewegt sich seitdem der Sonne entgegen. Vor sechs Wochen begann er plötzlich viel heller zu leuchten, Hobby-Astronomen auf der ganzen Welt konnten ihn sogar mit bloßem Auge beobachten. Die Erhöhung seiner Leuchtkraft erwies sich bei der Sicht durch die großen Teleskope der professionellen Observatorien als eine Verdoppelung des "dreckigen Schneeballs" in seiner Mitte: sein Kern war in zwei Teile zerfallen. Durch dieses Zerbrechen des Kerns wird Material aus dem gefrorenen Inneren der Sonne entgegen geschleudert und vaporisiert. Staub wird aufgewirbelt, dadurch wird mehr Sonnenlicht reflektiert und der Komet strahlt heller. Spektakuläre Aufnahmen zeigen seine Bruchstücke.

Astronomen der ESO haben nun entdeckt, dass es sogar drei Bruchteile sind, die sich im Inneren des Schweifes befinden. Das Material des Kometen LINEAR C/2001 A2 ist relativ jung, es wird vermutet, dass es aus der Anfangszeit unseres Sonnensystems stammt und ca. 4,5 Milliarden Jahre alt ist. Der Komet zieht vielleicht zum ersten Mal seine Bahn um sie Sonne. Die Astronomen erhoffen sich durch spektroskopische Untersuchungen Erkenntnisse über die Entstehung unseres Sonnensystems.

LINEAR C/2001 A2 hatte seinen Perihel , den sonnennächste Punkt seiner Bahn um die Sonne, am 25. Mai erreicht. Die Distanz wird 116 Millionen Kilometer betragen. Weitere Erkenntnisse über Kometen und ihre Zusammensetzung sollen neue Missionen ins All erbringen (Kometen, Asteroiden und kosmischer Staub als Missionsziele).