Zocker entern die Rentenpolitik

Seite 2: In der Rentenpolitik wedelt der Schwanz mit dem Hund

Die FDP bestimmt die Rentenpolitik der Zukunft. Der Sozialminister von der SPD und der Wirtschaftsminister von den Grünen folgen den Konzepten der Wirtschaftsliberalen zur Aktienrente bereitwillig. Noch bevor irgendetwas bezüglich Aktienrente klar war, gab Wirtschaftsminister Habeck ein Start-up Strategiepapier in die Ressortabstimmung. In dem Dokument wird dargelegt, wie für mehr "Wachstumskapital" gesorgt werden soll:5

Die Bundesregierung strebt den Aufbau eines Kapitalstocks bei der gesetzlichen und privaten Altersversorgung an und wird diesen mit einer Mindestinvestitionsquote in VC-Fonds (VC = Venture Capital/Risikokapital) versehen, um die Verfügbarkeit von Risikokapital strukturell und dauerhaft zu stärken.

Um Start-up Unternehmen machen Spekulanten und Börsenzocker einen großen Bogen. Banken verweigern riskante Kredite. So fehlt den Jungunternehmen häufig das Startkapital in eine ungewisse Zukunft.

Nun hat Robert Habeck die rettende Idee: Die kommende "Aktienrente" soll verpflichtend in Start-up-Projekte investieren. Und sein Partner Christian Lindner hat den Start-up Branchenvertretern jüngst versichert: Jawohl, das machen wir.

Das Konzept hinter dem Rentenkonzept?

Aus all dem folgt: Sollte die angestrebte Aktienrente tatsächlich ernst gemeint sein, kann sie nur als Auftakt zu Größerem gestartet werden. Als sanfter/besänftigender Start, der Druck aus dem Kessel nimmt – damit Widerstand erst gar nicht aufkommt.

Die Fortsetzung wird dann im Enkelfit-Rentenkonzept der FDP bestehen können. Das Konzept ist von Prof. Martin Werding, gerade zum Wirtschaftsweisen der Bundesregierung aufgestiegen, federführend erarbeitet worden. Es lässt sich kurz an der folgenden Grafik aus der Kurzstudie darstellen:

Quelle: Gesetzliche Aktienrente: Übergänge zu einer flächendeckenden Altersvorsorge mit Teilkapitaldeckung; RUB 02/2021 / Grafik: TP

Durchgängig werden zwei Prozent der Versicherungsbeiträge für die Aktienrente abgeführt (aktuell etwa 35 Mrd. Euro pro Jahr). Lediglich in den ersten Jahren werden statt der direkten Beitragsleistungen zunächst Bundesmittel mit abnehmender Tendenz für den Aufbau der Fonds verwendet. Es wird eine durchgängige Rendite von 6,5 Prozent unterstellt. Im Ergebnis sind die Aktienerträge dann so hoch, dass der Rentenversicherungsbeitrag 2060 um 1,5 Prozent niedriger ausfällt als ohne Aktienrente.

Nebenbei wird die Leistungsseite, also mit welchem Rentenniveau dann gerechnet werden muss, ausgeklammert. Die Hauptstoßrichtung dieses Konzepts geht auch nicht in Richtung der Babyboomer-Renten, sondern in die Zeit zwischen 2040 und 2060. Dann hat der Kapitalstock ein gewaltiges Volumen und soll den Staatshaushalt wesentlich entlasten.

Scharlatane und Zocker entern die Rentenpolitik?

Seit über einem Jahr beklagt der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung (DRV) nachdrücklich, dass sie keine Informationen zum Projekt Aktienrente erhalten, von einer Beteiligung ganz zu schweigen. Aber bei der gegenwärtigen politischen Konstellation wird die DRV zum reinen Befehlsempfänger. Die Selbstverwaltung ist eine traurige Lachnummer. Die Vertreter von 55 Millionen Versicherten und 21 Millionen Rentenempfängern sitzen noch nicht einmal am Katzentisch.

Sachverstand ist wohl auch störend bei dem Geschäft von Scharlatanen und Zockern. Noch einmal in aller Deutlichkeit:

Die gegenwärtige Sozialpolitik blendet die erheblichen Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung in den kommenden 20 Jahren einfach aus. Mit Nebelkerzen werden Scheinlösungen suggeriert. Deren Scheitern wird zu nichts führen, außer einer Verschärfung der neoliberalen Lösungen. Weg von der solidarischen umlagefinanzierten Rente, hin zu mehr verpflichtenden Abgaben an die spekulationsgetriebenen Finanzmärkte.

Mit Riester-Renten wurden die Versicherungskonzerne bedient, mit der Aktienrente die Finanzkonzerne wie Black Rock, Allianz und Co.. (siehe Exkurs 2: Der Weg der deutschen Aktienrente ist beispiellos)

Wenn sich die Betroffenen, immerhin über 90 Prozent der Bevölkerung, nicht endlich für ihre Sache engagieren, wird die Altersarmut in diesem Land sich weiter enorm beschleunigen.

Wie dem zu begegnen ist, dazu hat die Initiative RentenZukunft ein Reformkonzept vorgelegt, das hier und hier eingesehen werden kann.