Zum Tode verurteilte Dschihadisten: Welches Recht soll gelten?

Bei ihr steht das Urteil noch aus: Die französische IS-Anhängerin Emilie König gegenwärtig im Gewahrsam der kurdischen YPG; Screenshot Video YPG/YouTube

Frankreich und Deutschland haben ein sehr ähnliches Problem mit ihren Staatsbürgern, die sich dem IS angeschlossen haben

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Frankreich und Deutschland haben ein sehr ähnliches Problem mit ihren Staatsbürgern, die sich in Syrien oder Irak dem IS angeschlossen haben und in den letzten Wochen bei Gefechten zwischen irakischen und syrischen oder kurdischen Einheiten mit IS-Milizen gefangen genommen wurden. Die Frage ist, welche Gerichtsbarkeit für Verfahren gegen die IS-Mitglieder zuständig ist und was geschehen soll, wenn deutsche oder französische Staatsbürger von Gerichten in Syrien oder im Irak zum Tode verurteilt werden.

Die französische Justizministerin Nicole Belloubet, früher Richterin im Verfassungsrat, bestätigte am Sonntag gegenüber Medien das von Macron ausgerufene Leitprinzip, wonach "von Fall zu Fall" entschieden werde. Dann tat Belloubet eine Aussage, die aufhorchen ließ.

Im Falle einer Verurteilung zum Tod würde sich die Regierung aus Paris einschalten und mit dem fraglichen Staat verhandeln, so die Justizministerin. Als Erklärung für die von einem minimalen Engagement geprägte Haltung fügte die Justizministerin hinzu, dass "diese Leute sich freiwillig dorthin begeben haben, um an der Seite von Daesh (Umschreibung des IS, Anm. d.Verf.) zu kämpfen. Sie sind damit verantwortlich und haben eine Wahl getroffen." Als Justizministerin sei sie den Regeln der Gerechtigkeit verpflichtet.

Lieber an Ort und Stelle verurteilen

Belloubet bestätigte damit im Großen und Ganzen eine Linie, die Regierungssprecher Benjamin Griveaux mit einer Äußerung Anfang Januar öffentlich gemacht hatte. Auf Anfragen von Anwälten französischer Dschihadistinnen, die zurück nach Frankreich wollen und sich in Syrien in Gewahrsam von Kurden befinden, reagierte Griveaux mit der Aussage, dass Prozesse gegen die IS-Anhänger nicht notwendigerweise in Frankreich geführt werden müssen.

Wenn rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt seien, wenn ihnen Verteidiger zu Seite gestellt werden und der Prozess nach Maßgaben der Gerechtigkeit verlaufe, so könnten französische Staatsbürger auch an Ort und Stelle vor Gericht kommen.

Französische Regierung: Nicht an einer Rückkehr interessiert

Die Aussage des Regierungssprechers sorgte in der französischen Öffentlichkeit für einige Aufmerksamkeit, weil damit glasklar wurde, dass die Regierung nicht an einer Rückkehr der Dschihadisten mit französischer Staatsbürgerschaft interessiert ist (Frankreich: Dschihadistinnen sollen bleiben, wo sie sind). Allerdings gibt es ein paar Probleme, wie der Fall Emilie König (siehe: Politikum der besonderen Art) deutlich vor Augen führt.

Die angeblich reumütige IS-Anhängerin, die früher für den IS rekrutierte, dessen Ideologie in Videos pries und zur Gewalt gegen französische Soldaten aufrief, befindet sich in Gefangenschaft von Kurden in Nordsyrien. Wie derzeit beim Einmarsch der Dschihadisten unter türkischer Fahne und den Angriffen der türkischen Luftwaffe offensichtlich wird, ist dieser Teil von Syrien kein Territorium, wo rechtsstaatliche Prinzipien nach europäischen Maßgaben gewährleistet sind.

Wessen Rechtssprechung gilt?

Unsicher ist generell, ob die Kurden wegen des türkischen Einmarsches überhaupt Gerichtsverhandlungen abhalten können. Und: Auch in den Gebieten kurdischer Selbstverwaltung außerhalb Afrins stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Gültigkeit die Rechtssprechung der Kurden beanspruchen kann.

Mit der syrischen Regierung, die rechtsgültig nach internationalen und nationalen Regelungen das Hoheitsrecht über dieses Territorium hat (realpolitisch aber andere Prioritäten hat, die insbesondere mit dem Verhältnis zur PYD/YPG zu tun haben), pflegt Frankreich aus politischen Gründen seit Jahren aber keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mehr. Die Frage ist also, wer wird sich juristisch dem Fall Emilie König und anderer IS-Anhängerinnen, deren Anwälte ebenfalls auf Rückkehr plädieren, annehmen?

Da die Kinder, die König in Syrien bekommen hat - sie war mit einem IS-Dschihadisten verheiratet -, die französische Staatsbürgerschaft haben, stellt sich die Frage nach der Rückkehr auch aus rechtlichen Ansprüchen, die sich von den Kindern herleiten.

Ein Todesurteil gegen eine deutsche Dschihadistin

Vergangene Woche gab es dann die Nachricht, dass eine Deutsche aus Mannheim von einem Richter im Irak zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Frau, "mit marokkanischen Wurzeln", deren Name mit Lamia K. wiedergegeben wird, ist laut Medienberichten 2014 von Deutschland nach Syrien und später in den Irak gereist, um sich dem IS anzuschließen.

Laut dem irakischen Richter, der mit deutschen Journalisten über den Fall Lamia K. sprach, sei das Urteil "nach irakischem Recht zwingend gewesen".

Lamia K. habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, sie sei bewusst zum IS gereist, sagt der Richter. Das wisse auch der irakische Geheimdienst. Mehrere sogenannte Dschihad-Ehen sei sie eingegangen, um die Moral der Kämpfer zu stärken.

Zudem sei sie eine Art Sanitäterin gewesen, Angehörige einer IS-Brigade, die in eilig errichteten Feldlazaretten und in Wohnhäusern Verwundete gepflegt habe. 50 Dollar Lohn habe sie im Monat vom IS erhalten; als das Bombardement auf die Kalifatshauptstadt Raqqa zugenommen habe, sei sie eigens nach Mossul in Sicherheit gebracht worden, was ihre besondere Stellung beim IS belege. "Diese Menschen sind in unser Land gekommen und haben hier schwerste Straftaten begangen", erklärt der Richter, "nun gilt auch unser Recht."

SZ

Lamia K. soll auch Anhänger rekrutiert haben. Sie bereue aber nicht, wird der Richter von der SZ zitiert.

Offiziell ist die Bundesregierung noch nicht über das Todesurteil gegen die deutsche Staatsbürgerin unterrichtet, aber wie die taz berichtet, herrsche hinter den Kulissen "rege Betriebssamkeit". Das Urteil könne noch angefochten werden, die deutschen Behörden würden darauf drängen, dass es in eine Gefängnisstrafe umgewandelt werde. Der deutsche Botschafter in Bagdad habe im irakischen Außenministerium "seinen Protest bereits zum Ausdruck gebracht".

Große Sorgen in Berlin

In Berlin macht man sich Sorgen, berichten Volkmar Kabisch, Amir Musawy, und Georg Mascolo für die SZ. Die Befürchtung sei groß, dass es weitere solcher Richtersprüche geben werde. Der SZ- Bericht bringt noch eine andere Schwierigkeit ans Licht: Würden die IS-Anhänger in Deutschland vor Gericht gebracht, "könne es Beweisschwierigkeiten geben, gerade bei den Frauen".

Es wäre also möglich, dass sie in Deutschland schnell wieder frei wäre, was im SZ-Bericht als "missliche Lage" bezeichnet wird. Der Generalbundesanwalt versuche den Bundesgerichtshof davon zu überzeugen, "dass auch die Frauen, selbst wenn sie nicht an Kämpfen teilgenommen haben, wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bestraft werden könnten".

Die Regierung in Berlin werde alles versuchen, das Todesurteil im Irak abzuwenden und in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln, es gebe mindestens noch eine weitere Instanz für Lamia K. Die Frau habe zwei Kinder in den Irak mitgenommen; eine behinderte Tochter sei dort gestorben, sie habe ein weiteres Kind, mittlerweile knapp zwei Jahre alt, dort bekommen.

Was mit den Kindern geschieht, bleibt unbekannt. Zu den unbeantworteten Fragen gehöre laut SZ in Berlin auch, "wie man weitere Todesurteile verhindert. Und ob man nicht alles unternehmen muss, um die Gefangenen nach Deutschland zurückzuholen - trotz der damit womöglich verbundenen Sicherheitsrisiken".