Zurück ins Mittelalter

Seite 2: Schwarze Katzen und empörte Klerikale

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Über das "Engelwerk" wurde in den vergangenen Jahren allenfalls gelegentlich berichtet, doch die Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche fand erwartungsgemäß größere Aufmerksamkeit. "Spiegel Online" schwankte zwischen den Bezeichnungen "Geheimbund" und "Sekte" und berichtete nicht nur über "verteufelte schwarze Katzen" und "Kinder mit bösen Blick", sondern ließ auch die Gründerin der "Initiative engelwerkgeschädigter Familien" zu Wort kommen.

Das "Engelwerk" wollte die Ausführungen nicht kommentieren, da der Bericht "böswillig und niveaulos" sei, teilte ein Sprecher des Ordens dem Portal "kath.net" mit. Die Anerkennung als kirchliche Bewegung sei letztlich nur darauf zurückzuführen, dass man sich an die Vorgaben des Vatikans gehalten habe und weiterhin halten werde, erklärte das Kreuzordenskloster auf seiner Homepage.

Das Erzbischöfliche Ordinariat München wies die Vorwürfe ebenfalls zurück. Mitglieder und Vereinigungen, die sich "von solchen abstrusen Lehren distanziert hätten", würden lediglich in einem eigenen Verein "Werk der Heiligen Engel (Opus Ss. Angelorum)" zusammengefasst. Das 1992 verhängte Verbot der Lehren des Engelwerks bleibe davon unangetastet – ebenso wie das Predigt- und Exerzitienverbot der Erzdiözese München und Freising.

Schließlich beklagte auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke die "völlig verzerrte Sichtweise" in der öffentlichen Darstellung.

Es ist eine völlig verzerrte Sichtweise, so zu tun, als würde die Kirche einen esoterischen Klub anerkennen. Das ist Blödsinn. Der Vatikan hat in den 90er-Jahren eine Reinigung des Engelwerks eingeleitet. Die Glaubenskongregation hat dieser Gemeinschaft klare und strikte Auflagen auferlegt, die von einem Großteil der Mitglieder befolgt wurden.

Bischof Gregor Maria Hanke

"Einsatz für das Reich Gottes"

Gehen wir davon aus, dass das 1961 geschriebene "Handbuch" der Visionärin in der täglichen Arbeit des "Engelswerks" keine offizielle Verwendung mehr findet, so gibt es doch ganz unterschiedliche Auslegungen über die Reichweite und Zielrichtung der kirchlichen Bestimmungen. Auf einer englischsprachigen Webseite des Ordens erschien 2008 eine bemerkenswerte Differenzierung:

Now from the examination of Gabriele’s writings it was determined that they contained the names of individual Angels and a certain body of particularized doctrine on their ministries and rankings which are extraneous to Scripture and Tradition; hence, this portion of her writings could not be used as the basis for the spirituality or practices of any institute of the Catholic Church. At the same time, the Congregation, aside from several clear and particular restrictions, left a large body of Gabriele Bitterlich’s writings untouched.

The decree, moreover, acknowledged the ecclesial status of the Work of the Holy Angels. In fact, the Congregation made no judgment on either the personal life of Gabriele Bitterlich or even upon the origin or veracity of her writings, but only maintained that a part of what stands written in her manuscripts goes beyond what is verifiable in Scripture and tradition.

Opus Sanctorum Angelorum: The Work of the Holy Angels and Its Mission within the Church

Außerdem bleibt dem "Engelwerk", in dessen Nähe sich der umstrittene, seit 2004 emeritierte Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, ebenso wohl fühlte wie der Verschwörungstheoretiker Robert Prantner, das ideologische Grundgerüst. Bis heute gelten sieben Tugenden die für die Mitglieder verpflichtend sind: Treue, Demut, Gehorsam, Liebe, Schweigen, Maß und die Nachfolge Mariens.

Dazu existieren viele eigentümliche Vorstellungen, die mit dem Begriff "erzkonservativ" wohl zutreffend bezeichnet sind. So äußert sich eine Veröffentlichung des Ordens über die "Schande" von Männern und Frauen wie folgt:

Wie die Lüge die Schande für den Mann ist, so ist die Unreinheit die Schande für die Frau, denn Mann und Frau werden dadurch ihrer ureigensten Berufung untreu: bei der Lüge weigert sich der Mann, die Wahrheit zu empfangen; bei der Unreinheit weigert sich die Frau, Leben zu empfangen.

Diese beiden Übel sind in den unreinen Geistern, die wegen der Ablehnung des Geheimnisses des Glaubens so bezeichnet werden, vereint: in ihrer Prüfung weigerten sich diese untreuen Geister, das Wort des Lebens anzunehmen.

Opus Sanctorum Angelorum: Die sieben grundlegenden Charaktereigenschaften im Werk der Heiligen Engel, I. Die Treue

Die Polemik gegen "moderne" Kunst dokumentiert die Weltsicht des Ordens auf kuriosere, aber ebenso unmissverständliche Weise. Das "Engelwerk" definiert sie als "eine wahre Selbstenthüllung, denn sie ist in der Tat eine Abbildung der Hinfälligkeit, die sie in ihrem Modell, der zügellosen Gesellschaft von heute, findet".

Die heutigen Formen der Musik sind weitgehend darauf aus, die Sinnlichkeit anzuheizen, die Seele in einen Zustand des Rausches zu versetzen, wodurch die Leidenschaften immer mehr Herrschaft über Verstand und Wille gewinnen.

Das Schweigen ist das einzig wirksame Mittel gegen sinnliche, wilde Musik: hören Sie sich diese Musik einfach nicht an! Selbst gute Musik ist in Maßen zu genießen. Am besten ist der sakrale Gesang, bei dem der geistliche Gehalt des Textes wirklich von der Musik begleitet wird, so dass wir nicht nur verstandesmäßig an GOTT glauben und Ihm anhangen, sondern noch fester an Ihn glauben und Ihn noch inniger mit dem Herzen lieben.

Opus Sanctorum Angelorum: Die sieben grundlegenden Charaktereigenschaften im Werk der Heiligen Engel, V. Das heilige Schweigen, das Geheimnis der Heiligen

Das "Engelwerk" strebt neben einer Vertiefung des sogenannten "Glaubenswissens" über die heiligen Engel vier "Wesenszüge" seiner Mitglieder an. Sie sollen sich in Adoratio (Anbetung), Contemplatio (Betrachtung), Expiatio (Sühne) und Missio (Sendung) üben.

Jeder ist zum Einsatz für das Reich Gottes aufgerufen um in der Kirche am Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden, mit zu wirken. (...) Und wie die Sendung der heiligen Engel auf das ewige Heil der Menschen abzielt , so gilt auch der Einsatz der Mitglieder des OA vorzugsweise der Rettung der Seelen, der Auferbauung der Kirche und der Hilfe in jeglicher Not, besonders für Priester und Gottgeweihte.

Opus Sanctorum Angelorum: Spiritualität

Ob der Orden das neue Vatikan-Ministerium bei der Wiedergewinnung der "entchristianisierten Zonen" unterstützen soll, ist bislang nicht bekannt. Aber wer wäre geeigneter, um die "inneren Wüsten des Relativismus" wieder zu begrünen?

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