Zurück ins Mittelalter

Nach den Pius-Brüdern holt der Vatikan auch das erzkonservative "Engelwerk" in den Schoß der Kirche zurück

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Der Vatikan brauchte stolze 15 Jahre, um halbwegs angemessen auf einen Antrag zu reagieren, den Kardinal Joseph Höffner, ehedem Erzbischof von Köln und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, im Dezember 1977 an den Apostolischen Stuhl gerichtet hatte. Auf die Bitte um Prüfung der Vereinigung "Opus Angelorum" und "seiner besonderen Lehren und Praktiken" antwortete zunächst nur eine Empfehlung, dann aber ein Dekret der Glaubenskongregation unter Leitung des heutigen Papstes Benedikt XVI.

Die Theorien aus den von Frau Gabriele Bitterlich empfangenen vorgeblichen Offenbarungen über die Welt der Engel, ihre persönlichen Namen, ihre Gruppen und Aufgaben, dürfen weder gelehrt noch in irgendeiner Weise, explizit oder implizit, verwendet werden in der Organisation und in der Durchführungsstruktur ("Baugerüst") des Opus Angelorum wie auch im Kult, in den Gebeten, in der geistlichen Formung, in der öffentlichen wie privaten Spiritualität, im Amt oder Apostolat. Dasselbe gilt für jedes andere Institut oder jede andere Vereinigung, die von der Kirche anerkannt sind. Der Gebrauch und die Verbreitung der Bücher wie auch anderer Schriften, welche die vorgenannten Theorien enthalten, sind innerhalb und außerhalb der Vereinigung verboten.

De consociatione "Opus Angelorum", 6. Juni 1992

Ferner untersagte die Kongregation dem "Engelwerk" die "verschiedenen Formen von Weihen", die "Fernspendung" von Sakramenten oder die Durchführung von Exorzismen, die schließlich nur nach den "Vorschriften und der Disziplin der Kirche und unter Verwendung der von ihr gutgeheißenen Formeln" vorgenommen werden dürften.

Acht Jahre später wurde eine veränderte "Weihe an die heiligen Engel" wieder genehmigt, 2008 fand eine weitere Annäherung statt, und nun hat der Vatikan das "Engelwerk" an den 1131 gegründeten Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz angeschlossen, den es selbst in den 70er Jahren reaktiviert hatte. Das Statut für die katholische Vereinigung wurde offiziell anerkannt.

400 Engel gegen verstrahlte Dämonen

Das "Engelwerk" formierte sich im Jahr 1949 – "zur Stärkung der heiligen Kirche, zur Unterstützung des Priesterstandes und zur Rettung der Seelen mit der Hilfe der hl. Engel", wie es in einer Selbstdarstellung heißt.

Gabriele Bitterlich (1896-1978), eine studierte Germanistin und Historikerin, die in Ordenskreisen als "Mutter Gabriele" verehrt wird, war "das menschliche Werkzeug" der geistlichen Bestrebungen. Seit den 30er Jahren soll Bitterlich Privatoffenbarungen empfangen und dieselben auf geschätzten 80.000 Manuskriptseiten zu Papier gebracht haben.

Über den Inhalt dieser Texte ist außerhalb des "Engelwerks" wenig bekannt. Im Mittelpunkt der Bitterlichschen "Lehre" stehen rund 400 Engel, die mit präzisen Angaben zur Person versehen sind. Sie befinden sich in einem quasi-apokalyptischen Kampf mit Dämonen, die bösartige Strahlen aussenden und es vor allem auf "die grauen, gefleckten und schwarzen Katzen, die gefleckten und schwarzen Hennen, die Schweine und die glatthaarigen Hunde, die Schmeißfliegen, Ratten und Schlangen" abgesehen haben. Doch auch Kinder, die einen Pfarrer nicht ansehen können, oder Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, könnten von Dämonen besessen sein.

Wer von "Golom, dem Dämon der Fahrlässigkeit", "Belgamim, dem Dämon des Alltags-Vorteils" oder gar den bösen Geistern verfolgt wird, die für jüdischen Handel, rote Arbeiter und Journalisten zuständig sind, kann sich mit den heiligen Engeln verbinden und so der ewigen Verdammnis entgehen.

Das Zentrum des "Engelwerks" ist die Burg St. Petersberg in Silz (Tirol), an deren Fuße "Mutter Gabriele" begraben liegt. Hier ist man gern unter sich, kümmert sich nach eigenen Angaben mittlerweile aber ohnehin nicht mehr um Katzen, Schmeißfliegen und allzu komplizierte Initiationsriten.

In seinem Leben und Wirken verbindet sich der Orden besonders mit den hl. Engeln, deren machtvolle Hilfe bis zur Wiederkunft Christi der ganzen Kirche und ihren Gliedern zugute kommt. Die Ordensmitglieder verbünden sich mit den hl. Engeln durch ein von der Glaubenskongregation im Jahr 2000 gutgeheißenes Weihegebet.

Der Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz: Spiritualität und Leben

In der Erläuterung der vom Vatikan bereinigten Fassung heißt es nun:

Der Schutzengel ist die rechte Hilfe gegen die bösen Geister, welche uns versuchen und bedrängen, denn schon am Anfang war unser Schutzengel unter der Führung des hl. Erzengels Michael am Sieg gegen die bösen Geister beteiligt. Als Geistwesen kann er den Versucher leicht erkennen und in der Kraft der Gnade vertreiben.

Opus Sanctorum Angelorum: Engelweihe

Die Evangelische Informationsstelle rechnete dem "Engelwerk" Ende der 90er Jahre eine Million Mitglieder weltweit, "darunter rund 50 Bischöfe und mehrere Kardinäle", zu. Aktuelle Schätzungen gegen von 100 Priestern und 400 Ordensfrauen aus. Zuverlässige Angaben über die Zahl von Laien-Anhängern oder Sympathisanten sollen nicht vorliegen.

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