Zurück zu Stift und Papier

USA: Schulen verzichten auf Computer für jeden Schüler

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“Für jeden Schüler einen Laptop“: Das war Anfang dieses Jahrzehnts eine Forderung, die Bildungspolitiker auch hierzulande in ihrem Repertoire hatten, man wollte schließlich den richtigen Zug in die Zukunft nicht verpassen. Jetzt scheint sich in den USA der Trend zu ändern - die Euphorie, die mit solchen "one to one-computing"- Programmen verbunden wird, verblasst und der Mathe-Unterricht mit Stift und Papier gilt als der neuesten Weisheit letzter Schluss.

Immer mehr amerikanische Schulen steigen aus den Programmen aus, die für jeden Schüler einen Computer, vorzugsweise Laptops, bereitstellen, berichtete die New York Times gestern. Die Programme würden sehr viel Geld kosten und kaum Erfolge bringen, so die Kritik der Schulleiter.

In der Theorie sollten „one to one-computing“-Programme die digitale Kluft zwischen Ärmeren und Reicheren verkleinern und die Klassenzimmer für die Wissens-Herausforderungen des 21.Jahrhunderts öffnen. In der Praxis werden die Laptops von den meisten Schülern zu weniger erbaulichen Zwecken genutzt, zum Bilderanschauen, Spielen, Hacken und Spicken, so der Bericht der amerikanischen Zeitung (eine deutsche Zeitung beklagte im Herbst vergangenen Jahres ähnliche Zustände).

Die Lehrer werden diesem Missbrauch anscheinend nicht Herr und haben andrerseits große Mühe, Laptops in ihre didaktisches Programm einzubeziehen. Darüberhinaus sollen viele Geräte in Reparatur sein. Wie die Schulen beklagen, ist die Wartung ein kostenintensiver Posten in einem ohnehin sehr teuren Projekt, das bislang kaum messbare positive Ergebnisse gebracht habe. In keinem der üblichen Standardtest hätten Schüler mit Computer gegenüber solchen ohne Computer deutlich besser abgeschnitten:

After seven years, there was literally no evidence it had any impact on student achievement — none. The teachers were telling us when there’s a one-to-one relationship between the student and the laptop, the box gets in the way. It’s a distraction to the educational process.

Mark Lawson, School Board president, Liverpool, N.Y. State

Manche Schuldistrikte beklagen Kosten von über 100.000 Dollar, die für Reparaturen anfallen, doch auch die Anschaffungskosten und Kosten für die Ausbildung der Lehrer können sich sehen lassen, je nach Größe der Schuldistrikte erreichen sie Millionenhöhe. In New York City bekommen etwa 6000 Schüler in 22 so genannten Middle Schools Laptops im Rahmen eines 45 Millionen Dollar teuren Programms, das drei Jahre laufen soll.

Nun gibt es laut New York Times immer mehr Schulen aus jedem Milieu, ob Stadt oder Land, reichere oder ärmere Gegend, die aus solchen Programmen aussteigen. Zwar werde nach wie vor mit Computern gearbeitet, aber in Maßen - im Geschichtsunterricht zur Recherche von Dokumenten mehr als etwa im Mathematikunterricht, wo man wieder zu Stift und Papier zurückgekehrt sei - und nicht mehr mit einem geleasten Computer pro Schüler.

Für Enthusiasten des Computer-Einsatzes an den Schulen kommt der Entschluss dieser Lehranstalten zu früh. Es brauche einfach noch Zeit, bis die Lehrer soweit wären, bis sie die Technologie besser in ihren Unterricht integrieren könnten. Moderner müssten aber auch die Tests werden, die die Fähigkeiten der Schüler abfragen: die Talente, die Computer und Internet am meisten unterstützen würden, „Kreativität, Innovationsfähigkeit, Autonomie und selbstständige Recherche“, würden eben von Standardtests noch nicht genügend wahrgenommen:

If the goal is to get kids up to basic standard levels, then maybe laptops are not the tool. But if the goal is to create the George Lucas and Steve Jobs of the future, then laptops are extremely useful.

Mark Warschauer, Buchautor und Professor für Pädagogik