Zwangsabgabenfinanzierte Albtraumfabrik Degeto

Seite 2: Andreas Gabalier und Andrea Berg

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wieso kommt ein ästhetisches Konzept, welches die deutsche Volksseele von den dreißiger bis in die sechziger Jahre zusammengehalten hat, heutzutage noch zum Einsatz?

Berthold Seliger: Wahrscheinlich leben wir in Deutschland wieder in einer reaktionären und kleinbürgerlichen Welt. Diese Kleinbürgerlichkeit wird neu animiert, weil die Herrschenden offensichtlich eine Möglichkeit gefunden haben, die Deutschen dort zu packen, wo sie eben zu packen sind. Wenn der Deutsche eine Revolution macht, ist dies im seltensten Fall eine Räterepublik, die dann auch prompt von preußischen Sozialdemokraten gnadenlos niedergemäht wird, sondern eine von rechts. Die Herrschenden wissen schon, was im deutschen Nationalcharakter tiefenpsychologisch drin steckt und was dort zu befriedigen ist.

Wenn man sich ansieht, dass im Musikbereich der reaktionäre Andreas Gabalier mit seinem "Volks-Rock'n Roll" auf der ARD eine Personality-Show bekommt, oder wie erfolgreich Andrea Berg mit Liedern wie "Du hast mich tausendmal belogen" ist - hier wird ganz tief in der Volksseele Zustimmung für unser Staatswesen organisiert, und zustimmen sollen Menschen, die offensichtlich eher nicht glücklich sind, aber dennoch jeden Tag zu einer Arbeit gehen, die ihnen wahrscheinlich eher nicht gefällt, die man ihnen aber abverlangt und in der sie funktionieren müssen. Deswegen ist das Durchhaltemoment im deutschen Fernsehen und im Musikbereich ein ganz wichtiger Faktor: Der Staat, die Parteien, das Staatsfernsehen organisieren eine kulturelle Hegemonie, die die Leute vom Nachdenken über die Zustände und ihr Leben abhalten soll.

Momentan wird gegen die Bavaria Film wegen Preisabsprachen ermittelt. Ein Einzelfall oder nur die Spitze des Eisbergs?

Berthold Seliger: Das ist wohl systemisch, denn es gibt ja überall beim Staatsfernsehen solche Skandale: Denken Sie an den MDR und den Kika. Auch im Sportbereich gibt es unglaubliche Skandale, wenn man sich überlegt, dass die Sportchefs des Hessischen Rundfunks oder des MDR wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue hinter Gitter gewandert sind.

Wie viel Geld wird im Jahr für Sportberichterstattung ausgegeben, wie werden diese Ausgaben gerechtfertigt und welche politische Funktion steckt dahinter?

Berthold Seliger: Der Sport ist bei ARD und ZDF der mit Abstand teuerste Programmbereich. Von den durchschnittlich 3.778 Millionen Euro, die ARD und ZDF zwischen 2013 und 2016 jährlich für ihren Programmaufwand ausgeben, gehen über 790 Millionen Euro jährlich an den Sport - dazu kommen noch die Personalausgaben sowie die Ausgaben für den Sport in den dritten Programmen.

Brot und Spiele

Warum ist das so?

Berthold Seliger: Hier gibt es zwei Ebenen: In einer nationalistischen Gesellschaft, wie wir sie im Moment vorfinden, ist der Sport ein ganz wichtiges Herrschaftsinstrument im Sinne von panem et cercensis, also "Brot und Spiele". Man kann nationale Begeisterung dadurch organisieren, indem man den Sport als nationale Aufgabe darstellt. Gerade hat ja Bundesinnenminister de Maizière gefordert, dass "wir" (!) "mindestens ein Drittel mehr Medaillen" bei Olympia bekommen müssen. Wer ist denn dieses "wir", das diese Medaillen bekommen muss, bei einer Veranstaltung, deren Motto doch eigentlich "Dabeisein ist alles" ist? Es ist natürlich in guter alter Tradition der Volkskörper. Dieser Nationalchauvinismus wird ja von der Politik heute wieder ganz offen und dreist formuliert.

Und wenn man sich die Sportberichterstattung speziell in Deutschland vergegenwärtigt, haben wir es mit einer nationalchauvinistischen Anpreisung deutscher Sporthelden zu tun, die sich kaum aushalten lässt, die aber dem Diktum der Politiker folgt. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass die olympischen Spiele künftig auf Eurosport gezeigt werden, weil man hier den Sport zu sehen bekommt unabhängig davon, welcher Nationalität die Sportler angehören. Die ganze ekelhafte Sportberichterstattung, wie wir sie heutzutage erleben, erfüllt eine nationale Aufgabe, ist vom Ungeist des Nationalismus geprägt.

Dabei ist Sport ja durchaus faszinierend, da werden ja zum Teil moderne Dramen geschrieben, oder es gibt doch zumindest mitunter interessante Geschichten und spannende Spiele - doch so etwas kommt beim Staatsfernsehen natürlich nicht vor, es sei denn, es wäre nationalistisch ausschlachtbar.

Berthold Seliger. Foto: Laschitzki / Edition Tiamat

Und der zweite Faktor?

Berthold Seliger: Sport macht Quote. Dem Staatsfernsehen laufen ja die Zuschauer weg. Bei den unter Dreißigjährigen sehen heute bereits mehr Leute YouTube als fern. Das ist ein massives Problem für das Staatsfernsehen, wo etwa der Durchschnittszuschauer des ZDF über 60 Jahre alt ist. Selbst wenn man alle dritten Programmen sowie ARTE und 3sat und alle ARD- und ZDF-Töchter hinzurechnet, erreicht das Staatsfernsehen nur noch eine Minderheit der Bevölkerung. Aber die zehn meistgesehenen Sendungen des letzten Jahres waren vom Staatsfernsehen übertragene Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft. Das bedeutet: Ohne diese Quoten-Ereignisse, mit denen ARD und ZDF immer noch sagen können, dass sie einen relevanten Bevölkerungsteil erreichen, würde das ganze System wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen.

Um den Nachweis führen zu können, dass die Zwangsabgaben benötigt werden, sind diese Quoten der Sportübertragungen also bitter notwendig. Das beißt sich insofern in den Hintern, weil ARD und ZDF die Preise für diese Berichterstattung nach oben katapultieren und sich die privaten Fernsehanstalten dementsprechend zurückhalten. So wird für die Sportberichterstattung viel zu viel Geld ausgegeben, was letztlich bedeutet, dass die Zwangsgebühren der Zuschauer zum Fenster herausgeworfen werden.

Wenn man sich dann die Korruptionsfälle bei der FIFA ansieht, wird es wirklich interessant, denn das deutsche Fernsehen, welches sich als neutraler Berichterstatter geriert, hat diese Korruption bei der FIFA, die von der US-Justiz ja als "kriminelle Vereinigung" angeklagt ist, mit seinen Zig Millionen, die für die Übertragungsrechte an die FIFA bezahlt werden, überhaupt erst finanziert. Letztlich wird mit den Zwangsabgaben der deutschen Gebührenzahler die FIFA subventioniert.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.