Zwischen Kriegstüchtigkeit und Friedenspolitik: Das Medienduell Scholz-Pistorius

Kiel, 4. September 2024: Olaf Scholz und Boris Pistorius beim operativen Start des ersten Luftabwehrsystems IRIS-T SLM der Bundeswehr. Bild: Ryan Nash Photography /shutterstock.com

Der Kanzler und Kriegsdienstverweigerer unter Beschuss: In großen Medien gibt es mächtige Strömungen, die ihn anscheinend gerne versenkt sehen möchten. Eine Kritik.

"Wirklich wieder Scholz?" heißt es ziemlich genervt und nörgelnd bei tagesschau.de.

Und die Antwort folgt, als Frage verkleidet, mit dem bezeichnenden, weil deutlich wertenden Wort "besser", das aus einer Nachricht einen ausdrücklichen Kommentar macht: "Oder doch besser Pistorius?"

Zuletzt seien jedenfalls "die (sic!) Rufe nach einem Kandidatenwechsel lauter" geworden. "Lauter" ist gut – dieses "lauter" ist ja nichts irgendwie Messbares, sondern hängt davon ab, worauf genau man hört – oder eben, was man hören möchte.

Was man sehen soll, zeigt das Bild über dem Beitrag: Scholz nur noch unscharf im Hintergrund oder sogar schon im Abgang, im Vordergrund hingegen gestochen klar und unübersehbar Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Screenshot Tagesschau "Wirklich wieder Scholz?"

Der Elefant im Raum: Die Ukraine-Politik

Ganz zufällig kommt dann beim "Pro und Contra Scholz" zunächst der Absatz: "Was gegen Scholz spricht". Dort wird dann auch "einiges" aufgelistet, aber der "Elefant im Raum" – das Thema zumindest vieler leitender Medienschaffender – wird erst später im Text angesprochen, scheinbar im Vorübergehen.

Dem Minister Pistorius wird attestiert: ein "kompromissloser Kurs in der Ukraine-Politik, die Waffenlieferungen, die Forderung nach mehr Geld und Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr".

Wenn journalistische Medien es ernster nähmen ...

Wenn journalistische Medien es ernster nähmen mit Offenheit für die gesellschaftlichen Öffentlichkeiten, dann würden sie 1.) gegenüber ihren Publika offen sein für mehr Repräsentation von deren Auffassungen – darunter sind, mit Blick auf sogenannte "Sicherheitsfragen", auch viele kriegskritische Positionen.

Journalistinnen und Journalisten würden dann auch 2.) mit Blick auf ihr Medienschaffen transparenter sein, was die eigenen Haltungen und Produktionsbedingungen angeht, die natürlich beeinflussen, welche Themen, welche Meinungen, welche Quellen und welche Darstellungsformen jeweils ausgewählt werden. Von all dem hier, gerade beim Thema "Krieg und Frieden", kaum Spuren.

Stattdessen kennt man mittlerweile die Weise und den Text und auch die Verfasserin (ARD-Korrespondentin Wenke Börnsen): "Immer wieder fällt der Name Pistorius" sowie "viel Zuspruch für Pistorius".

Absetzbewegungen

Während der Kriegstüchtigkeits-Kurs der Politiker wie Boris Pistorius (und Friedrich Merz, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Marie-Agnes Strack-Zimmermann etc.) nicht ansatzweise infrage gestellt wird, schaut die Tagesschau-Journalistin konsequent kritisch auf Scholz und dessen angebliches Ego, selbst wenn der nur ein klein wenig "friedlich" blinken mag.

"Ein bisschen Wahlkampf in eigener Sache" sei es "wohl schon, wenn er sich im fernen Rio weiter klar gegen 'Taurus'-Lieferungen an die Ukraine" ausspreche und dabei auch "mit den Ängsten vieler Menschen in Deutschland vor einer Ausweitung des Krieges" arbeite.

Scholz – wegtreten! Denn es gebe, ganz im Landserjargon, mittlerweile auch "Absetzbewegungen in NRW" weg vom Kanzler. Pistorius hingegen sei "der Hochgelobte". Nun ja: "Hochgelobt" nicht zuletzt von solchen Medienschaffenden.