Zwischen Mars und Metaverse: Science-Fiction als Blaupause der Gegenwart

Außerirdische Kreaturen im Wald

Bild: Fotokita / shutterstock.com

Verstehen wir die Gegenwart besser über Science-Fiction? Kann uns das fröhlich stimmen? Wovor sollten wir uns fürchten? Vor der Demokratie bei Star Trek?

Mit Elon Musk an der Seite von Donald Trump hat dieser sich die Zukunft in sein Team geholt. Musk steht mit seinem High-Tech-Mischkonzern für Raumfahrt, Cyberspace und transhumane Mensch-Maschine-Verschmelzung, also für klassische Themen der Science-Fiction (SF).

Der gute alte Futurismus

Neben reaktionär-völkischen Hasstiraden auf Migranten, altbackenem Imperialismus und patriarchaler Führerpose bemüht Trump somit auch den guten alten Futurismus, wenn er neben Panama und Grönland auch gleich den Mars mit Stars & Stripes beflaggen will.

Megalomanisch muten auch die Mars-Besiedlungspläne von Musk an, der neben Ohren für den Profit auch ein Auge auf die Zukunft hat, und der Mars war in der SF immer ein mythisches Ziel. Kann uns das fröhlich stimmen?

Science-Fiction gegen Zukunftsängste

Zukunftsängste sind ein wichtiger Grund für die zunehmenden Depressionen bei jungen Menschen. Kriege, Inflation, Armut und speziell die immer bedrohlicher werdende Öko- und Klimakrise verdichten sich zur "Multi-Krise".

Das Genre Science-Fiction bietet nicht nur Eskapismus durch gute Unterhaltung, sondern befasst sich auch mit Zukunftsängsten. Dystopische SF-Szenarien warnen vor künftigen Gefahren, prangern aber auch gegenwärtige Probleme an, etwa Kriegstreiberei, Profitgier, Umweltzerstörung, koloniale Ausbeutung.

Doch SF eröffnet auch hoffnungsvolle Utopien mit vernünftiger Techniknutzung, sie stößt dabei als "Hofnarr und manchmal sogar Hofphilosoph gemeinsam mit den Naturwissenschaften an deren Grenzen vor", so der Reichtums- und Eliten-Forscher H.J.Krysmanski schon 1962 in seiner Doktorarbeit.1

1990 sieht der Ideologie-Theoretiker Tom Moylan den utopischen Impuls als bedeutsamen Widerstand gegen das "phallokratisch-kapitalistische System und den bürokratischen Staat".2

Der Literaturwissenschaftler Bernd Flessner, Mitglied der Gesellschaft für Zukunftsgestaltung, erweitert 1999 das SF-Spektrum um Comics, Filme und Computerspiele, die unseren Horizont auf die Zukunft öffnen.3

Der Politologe Andreas Heyer sieht die Utopie auf der politischen Linken, wo progressive Vorstellungskraft neue Welten und Freiheiten erschließt, während der Konservative nur "neue Strategien der Unterdrückung ausheckt, allein hier ist er erfinderisch und phantasievoll"4, auch wenn der Marxismus Utopien "immer negativ diskreditierte".5

SF ist aktueller denn je

SF ist aktueller denn je: Die Politikwissenschaftlerin Isabella Hermann, im Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin, fragt 2022, wie SF-Literatur und -Filme neue Technologien, sozialpolitische Wertesysteme, globale Politik reflektiert und inwiefern wir dies nutzen können.

Was finden Politologinnen aktuell in den futuristischen Welten der SF-Literatur?

Das Mögliche ist, so Isabella Hermann, künftig wissenschaftlich-technisch denkbar und sozialpolitisch realisierbar, also ist SF "narrative Technikfolgenabschätzung"; dazu kämen Bilder, Projektionsflächen und Gedankenexperimente, z.B. versinnbildliche im dystopischen Film "Blade-Runner" (1982) die geniale Filmkulisse des düsteren Los Angeles einen damals schon zeitgenössischen "unmenschlichen Hyperkapitalismus".6

Wichtige Felder wären, da stimmt sicher auch Elon Musk mit ihr überein, Weltraumfahrt, Robotik und KI. Mit der chinesischen Erfolgs-KI DeepSeek ist das Thema derzeit in aller Munde.

Schon die Google-KI LaMDA wurde vom -deshalb suspendierten- Google-Mitarbeiter Blake Lemoine für ein tatsächlich über Bewusstsein verfügendes Wesen gehalten. (Falls dies ein Marketingtrick war, scheint der bislang nicht aufgeflogen zu sein.)

Warnungen vor entgleisender KI

Die übermenschliche Intelligenz eines Computers jagt uns Angst ein, wie im Kino-Klassiker "2001: A Space Odyssee" (1968); dort war mit "HAL 9000" eine KI an Bord, deren Bewusstsein sie morden ließ, aus Furcht, abgeschaltet zu werden.

Tarkowskis Verfilmung des gleichnamigen Romans von Stanislaw Lem "Solaris" (1972), gelte als sowjetisches Gegenstück zu Kubricks "2001", beide zeigten exemplarisch den "Sense of Wonder", der SF-Konsumenten eine Art von Bewusstseinserweiterung bescheren könne.

Hermann sieht aber Warnungen vor entgleisender KI in Vordergrund und verweist auf jenen Facebook-Algorithmus, der zwecks Profitmaximierung Hassrede förderte, und anhand des Kinofilms "Ex Machina" (2014) auf die Genderfrage: Gyndroids, Fembots, Sexismus und der beseelte Sexroboter "Ava", der für Frauenbefreiung stehe, während das KI-Sprachsystem CahtGPT-3 von OpenAI zu frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen tendiere.7

Matrix, Metaverse und Musk: Hölle oder Paradies für Nerds

Übergeschnappte, inhumane KI-Systeme sprechen Ideen des "Solutionismus" Hohn, jener transhumanistischen Ideologie aus dem Silicon Valley, die alle Probleme mit Big Data lösen will.

Ihrer marktschreierischen Propaganda bieten SF-Dystopien die Stirn wie in The Circle (2013) oder im Film Zero (2021), wo KI zu totalitären Regimen führen.

Die Terminator- und Matrix-Franchises behandeln sogar den endzeitlichen Überlebenskampf der Menschheit gegen selbstgeschaffene Killer-Roboter und weltbeherrschende KI-Diktaturen. Leider steht die Menschheit kurz vor dem offenen Einsatz autonomer Kampfroboter – falls diese nicht insgeheim schon als Killerdrohnen ihr Unwesen treiben.

Unter dem Thema "Cyberpunk und digitale Welten" sieht Isabella Hermann William Gibsons Romantrilogie "Neuromancer" (1984) als genrebildend sowie die ihr entsprossenen Matrix-Filme; sie verweist in der Realität auf das Projekt "Metaverse" von Mark Zuckerberg, das eine Digitalwelt entwickeln will, sowie auf Elon Musk, der mit "Neuralink" Schnittstellen zwischen Hirn und Computer bauen will –genau wie bei Gibson beschrieben.

Transhumanistische Cyberpunk-Ideen eines mit Technik verschmolzenen und optimierten Menschen sieht sie als Metaphern für eine "real zunehmende Digitalisierung der Welt". Ist das Hölle oder Paradies für Nerds, die nicht nur mit der Nase, sondern gleich mit dem Hirn am Monitor kleben?

Der Weltraum als grenzenloser Sehnsuchtsort

Gegenentwurf zum Cyberspace der digitalen Welt sei, so Hermann, "der Weltraum als grenzenloser Sehnsuchtsort".8

Auch in Outer Space hat Elon Musk das Feld der SF schon besetzt, als er mit seiner Firma SpaceX 2017 öffentlich die baldige Besiedelung des Planeten Mars proklamierte. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Amazon-Milliardär Jeff Bezos schiele realistischer auf einen beginnenden Weltraum-Tourismus für Multimillionäre.

Die Mondpläne von USA und EU-Europa scheitern bislang an explodierenden Mondpreisen der Projekte ebenso wie an explodierenden Trägerraketen. Der Mond wäre aber Zwischenstation auf dem langen Weg zum fernen Mars.

Literarisch haben Marsbewohner in der SF-Tradition, so Isabella Hermann, aber meist als Prototyp des feindseligen Aliens, von H.G. Wells "Krieg der Welten" (1898) bis zur SF-Satire "Mars Attacks!" (1996).

Doch hier sieht die Politologin positiv-utopisches Potential: Krieg gegen Aliens berge ein die Menschheit einendes politisches Motiv, wie schon 1965 Susan Sontag erkannt hätte und was die heutige Politikwissenschaft weiterverfolge; so wird "dem Kontakt mit dem Weltraum die Kraft zugeschrieben, die Menschheit einen zu können."9

Dies zeige sich auch in SF-Ideen zur Kooperation der USA mit China oder Russland.

Star-Trek-Universum: Eine ungetrübt liberale Demokratie?

Dem Star-Trek-Universum widmet sie ein eigenes Kapitel: Ist die politische Ausrichtung der kosmischen "Föderation" von Kirk und Picard wirklich eine ungetrübt liberale Demokratie?

Immerhin werden dort Menschenrechte propagiert (für alle "Rassen" von Aliens) und die kommunistische Utopie einer nicht-kapitalistischen Welt des materiellen Überflusses gezeichnet.

Dagegen stehe aber die militärisch-hierarchische Organisation der im Zentrum stehenden "Sternenflotte" und eine milde-imperialistische "Föderation der Planeten", mit den (sehr US-amerikanisch agierenden) Menschen an der Spitze.

Pädagogik mit Picard

Star Trek habe jedoch viele Meriten durch frühes Überwinden von sexistischen und rassistischen Diskriminierung, besonders in den USA – Captain Kirk und Lt. Uhura lassen grüßen, auch wenn Captain ins Deutsche mit "Führer, Feldherr, Kapitän" übersetzt wird.

Die eher regressive Star Wars-Epik wird hier stillschweigend übergangen. Aber die neuere Space Opera habe besonders der deutsche Autor Dietmar Dath in seinen Romanen "Venus siegt" (2015) und "Neptunation" (2019) durch "gewaltige marxistische Ideenfeuerwerke" für die Selbstbestimmung der Menschen bereichert.

Dath plädiere dort für die Befreiung von Ausbeutung und für individuelle Rechte auf ein erfülltes Leben.10 Das klingt herzerwärmend optimistisch und wird kaum durch Hermanns abschließendes Dystopiekapitel zu Klimakatastrophe, Climat Fiction (CliFi), und Endzeit-SF (wie 2022 die überleben wollen) geschmälert.

Im Schlusswort kommt Isabella Hermann sogar noch zum pädagogischen Nutzen des SF-Genres: Die populärkulturelle Darstellung imaginärer Ereignisse bildet für viele, gerade jüngere Menschen einen guten Zugang zu Debatten um aktuelle Zukunftsfragen.

SF-Blockbuster erreichen und bewegen Millionen, vermitteln ihnen Wertaussagen über wissenschaftlich-technischen, aber auch gesellschaftlichen Fortschritt.

So ließen sich "Zukunftssorgen und Climate Anxiety" in Bildern und Texten reflektieren und durch "positive Zukunftswerte wie im Solarpunk" lindern.11

Ein weiterer pädagogischer Pluspunkt bildet den Schlusssatz:

SF vermag beim Nachdenken zugleich wunderbar zu unterhalten.

Literatur


Isabella Hermann: Science-Fiction zur Einführung, Hamburg 2023, Junius Verlag, 208 Seiten. (Siehe auch die Rezension des Autors.)
Flessner, Bernd: Nach uns die Zukunft, Ravensburger Taschenbuch 1999
Heyer, Andreas: Die Utopie steht links! Ein Essay, Berlin 2006 Dietz Verlag
Krysmanski, H.-J.: Die utopische Methode. Eine literatur- und wissenssoziologische Untersuchung deutscher utopischer Romane, Dortmunder Schriften zur Sozialforschung Bd.21, Opladen 1963, Westdt.Verlag (Dissertation)
Moylan, Tom: Das unmögliche Verlangen. Science Fiction als kritische Utopie, Hamburg 1990, Argument Verlag