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Beim 2. Weltgipfel der Städte und Regionen in der Informationsgesellschaft blieb es vor allem bei schönen Worten

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2.000 Delegierte von Lokal- und Regionalverwaltungen aus aller Welt verabschiedeten nach einer dreitägigen Konferenz eine fünfseitige Deklaration von Bilbao mit der sich Städte und Regionen für das Informationszeitalter positionierten. Wie so häufig bei diesen Mammutkonferenzen aber fehlen den Worten die verpflichtende Bindung. Auch der 2. Weltgipfel der Städte und Regionen in der Informationsgesellschaft hat nur kleine Brötchen gebacken.

Dass die Mehrheit der Menschen auf diesem Globus in Städten leben und dass Lokal- und Regionalverwaltungen häufig ein engeres Verhältnis zum Bürger haben als die Regierungen der 190 Nationalstaaten dieser Erde, ist allgemein bekannt. Vor dem Hintergrund dieses Faktes hatten sich bereits im Vorfeld des 1. UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) eine große Gruppe von lokalen und regionalen Playern zusammengefunden, um eine klare Botschaft an den Genfer Gipfel zu senden: Was immer ihr beschließt, die Informationsgesellschaft findet vor allem im lokalen und regionalen Rahmen statt. Und wenn es Geld zu verteilen gibt, dann hat es zuerst dort zu landen (Städte verstehen sich als "key player"). Der 1. Städteweltgipfel im Dezember 2003 in Lyon hatte sich daher stark für einen Digitalen Solidaritätsfonds eingesetzt, der aber dann von den Regierungen auf dem UN-Weltgipfel ja nicht beschlossen wurde.

Städte als Motor für den Digitalen Solidaritätsfonds

Immerhin hatten sich danach einige Städte wie eben Lyon und Genf an die Spitze der Bewegung gestellt und waren wesentlich daran beteiligt, dass der "Digitale Solidaritätsfonds" (DSF) im März 2005 tatsächlich gegründet wurde (Rollt oder rollt er nicht, der WSIS-Rubel?). Die Idee seiner Finanzierung ist dabei durchaus innovativ: Ein Prozent des Finanzvolumens von öffentlichen Aufträgen, die Stadt- und Regionalverwaltungen für IT-Projekte ausgeben, soll an den DSF gehen. Im Gegenzug erhält das Unternehmen, das diesen Aufpreis akzeptiert, das "Digitale Solidaritätssiegel".

Der 2. Städteweltgipfel, der jetzt in Bilbao stattfand, sollte dabei eigentlich den Durchbruch für den DSF bringen. Der Bilbao-Gipfel war mit vier regionalen Vorbereitungskonferenzen - eine davon für Europa in Leipzig - und 20 thematischen Fachkonferenzen sehr gründlich vorbereitet worden. Auch der Gipfel selbst kam als ein gigantische Event daher: 2000 Delegierte aus fast 100 Ländern und über 200 Redner an drei Tagen. - als man aber am letzten Tag in die Kasse sah, war nicht viel mehr drin als zuvor. Zwar lobte jeder Redner - vom Bürgmeister von Yokohama bis zu dem von Rio de Janeiro - den DSF als eine tolle Sache, aber kaum einer der Lokal- und Regionalpräsidenten nutzte das Großereignis in der baskischen Metropole, um anzukündigen, dass von der nächsten Millioneninvestition in neue IT-Projekte ein Prozent zum DSF gehen. Das "Digitale Solidaritätssigel" ist momentan wohl noch eher attraktiv für Sonntagsreden als für die Projektentwickler (und Kämmerer) vor Ort.

Von allgemeinen Feststellungen wie z.B. die des Oberbürgermeisters von Bordeaux, dass gerade IT-Projekte neue Möglichkeiten der Integration böten und es daher für französische Großstädte wichtig sei, Breitband in die Gettos der Vorstädte zu bringen, um die rebellierenden Youngsters von der Straße in den Cyberspace zu holen, kann sich noch keiner etwas kaufen.

Auch die fünfseitige Deklaration ist, wenn es zu konkreten Selbstverpflichtungen kommt, eher schwach auf der Brust. Eine Erklärung ist, dass es auf einer sehr abstrakten und politischen Ebene zwar in der Tat ein einheitliches weltumspannendes Interesse von Stadt- und Regionalverwaltungen gibt, das aber bei genauerem Hinsehen sich die einzelnen Probleme sehr drastisch unterscheiden, was die Einigung auf konkrete gemeinsame Ziele erschwert. Zwar stimmt es natürlich, dass eDienste, die in Bilbao laufen, auch in Brisbane, Bamako oder Boston funktionieren können, aber ein solcher Mechanismus, der die lokalen Bedürfnisse stärker mit den globalen Möglichkeiten vernetzt und effektiv koordiniert, ist bislang trotz zweier Städtegipfel noch nicht entstanden.

Einerseits klingt es eindrucksvoll, wenn in der Präambel der Bilbao-Erklärung über 20 lokale und regionale Netzwerke erwähnt werden, die alle nach Bilbao gekommen waren: United Cities and Local Governments (UCLG), Telecities, Global Cities Dialogue, Congress of Regional and Local Authorities of Europe (CRLA), ELANET, Citynet, European Association of Regional Information Society Iniatives usw. usw. In diesem Falle aber ist die Vielzahl eher eine Schwäche, da sie das Aufkommen einer gemeinsamen Strategie erschwert: Jedes dieser Netzwerke kämpft um sein Überleben und folglich um die wenigen Finanzmittel, die für solche Koordinierungsarbeit zur Verfügung stehen. Dazu kommen persönliche Eitelkeiten amtierender Präsidenten und Generalsekretäre der verschiedensten Förderationen, Assoziationen und Unionen. Eine ordnende Hand ist nicht in Sicht und so verpufft ein Großteil der Energie, die einige Enthusiasten in diesen Prozess investieren.

Es steht jedenfalls kaum zu erwarten, dass sich die Regierungen in Tunis bei dem bevorstehenden 2. UN-Weltgipfel allzusehr von den zehn Prinzipien von Bilbao beeindrucken lassen, solange diese Prinzipien bei Feststellungen stehen bleiben, dass die Informationsgesellschaft primär dem Mensch zu dienen habe oder dass die nationalen Regierungen lokale und regionale Verwaltungen finanziell so ausstatten sollen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden können.

Gut fürs Baskenland

Der größte Gewinner der Bilbao-Konferenz war aber möglicherweise der Gastgeber selbst. Der baskische Regionalpräsident Juan Jose Ibarretxe ließ ich die Gelegenheit nicht entgehen, vor großem Publikum zu erklären, dass die Basken ein Volk ohne Staat sind. Und er zitierte den Katalanen Manuel Castells, der - unter Berufung auf Daniel Bell - schon vor Jahren geschrieben hatte, dass im Informationszeitalter die Nationalregierungen zu groß sind für die kleinen lokalen Probleme und zu klein für die großen Probleme der Welt.

Auch Bilbaos Oberbürgermeister Inaki Azkuna und der baskische Parlamentspräsident Izaskun Bilbao schmückten in bunten Farben den Weg aus, den das Baskenland beim Aufbau einer lokalen und regionalen Informationsgesellschaft bereits gegangen ist. Da wurde auch gleich das Guggenheim-Museum, in dem der Abendempfang stattfand, mit vereinnahmt, denn bei der Informationsgesellschaft gehe es doch auch und in erster Linie um Inhalt und Kultur.