iCon oder I con
Apple Chef Steve Jobs straft Verlag John Wiley & Sons für Biografie ab
"PRAY!" - "Bete", stand im Juni 1997 schlicht auf dem Titelbild des amerikanischen Magazins Wired, den ein angefressener und von Stacheldraht umringter Apfel, das Markenzeichen der Computerfirma Apple, zierte. Damals stand es für den angeschlagenen Konzern, der jahrelang an einem neuen Betriebssystem arbeitete und nicht in die Pötte kam, Spitz auf Knopf. Einer der Vorschläge der Wired-Redaktion war, doch bitte schön Steve Jobs, den Gründer und langjährigen Chef von Apple, der für sein Durchsetzungsvermögen und sein Marketinggeschick bekannt ist, wieder ins Boot zu holen, um den Dampfer flott zu bekommen. Doch der war längst anderweitig beschäftig, Chef von Pixar Animations, einem der ersten großen Animationsstudios Amerikas, die Kinoerfolge wie Toy Story, A Bug's Life und Monster AG vollständig am und im Rechner produzierten.
Für das Gehalt von einem symbolischen Dollar und der Zusicherung vollständiger Handlungsfreiheit ließ Jobs sich damals dann doch überreden, als "Interims-CEO" von Apple zu fungieren. Sein erster großer Coup war der iMac, der erste Computer, der nur aus einem Bildschirm und einer Tastatur bestand. Es folgten die neuen iBooks, die verbesserten Power-Books und schliesslich die Neuerfindung des Walkman, der iPod, verbunden mit der ersten legalen Web-Plattform um Musik einfach und preisgünstig herunterzuladen - Apples Musicstore. Soviel zur Legende.
Etwas hinter die Kulissen dieses Mythos haben nun offensichtlich die beiden Autoren Jeffery S. Young und William L. Simon in ihrem Buch iCon Steve Jobs geblickt (368 Seiten, 24,95 US-Dollar). Die nicht autorisierte Biografie erscheint im amerikanischen Verlag [John Wiley & Sons, in Deutschland wird das Original Buch über den Verlag Wiley-Vch für ca. 21,- Euro erhältlich sein. Die doppeldeutige Titelspielerei "iCon", in Anlehnung an den iMac und iPod, kann als "Ikone", aber auch als "I con", als "Nein-Sager" bzw. im amerikanischen akademischen Sprachgebrauch als "Hochstapler", "Bauernfänger" oder "Schwindler" gelesen werden. Jobs, dem das Buch mit dem Untertitel "The Greatest Second Act in the History of Business" offensichtlich nicht so recht in den Kram passt, hat dem Verlag, der zahlreiche Apple-Bücher im Programm führt, nahe gelegt, so berichtete die New York Times bereits letzte Woche, den Titel nicht zu veröffentlichen. John Wiley & Sons stellte sich hinter die Autoren und wurden kurzerhand abgestraft: Apple verbannte alle Bücher des Verlages aus seinen 105 Läden, den Apple-Stores.
Inzwischen hat die Journalistin Katie Hafner, die Steve Jobs ganz gut kennt, in der Samstagsausgabe der New York Times nachgekartet. Sie kommt zu dem Schluss, dass recht wenig Neues über Jobs in dem Buch steht. Natürlich kommt Jobs Scheidung und sein Kampf gegen den Krebs vor, aber große Teile stammen wohl, in überarbeiteter Form, aus Jeffery S. Youngs' Vorläuferbuch von 1986 Steve Jobs- The Journey Is the Reward (Verlag Scott Foresman & Company). Wie dem auch sei, dank der unverhofften Publicity konnte Wiley & Sons die Startauflage auf 50 000 Exemplare erhöhen und hat das Erscheinen auf den 13. Mai 2005 vorgezogen. Beim deutschen Amazon ist der amerikanische Band bereits auf den Verkaufsrang 72 hoch geklettert.
Wieso Apple so scharf auf die Jobs Biografie reagiert, die nach Verlagsangaben "eher positiv und lobend ist", bleibt allen Beteiligten ein Rätsel und wird von Apple selbst im Moment nicht kommentiert. Apple legte gerade erst exzellente Quartalszahlen für die letzten drei Monate vor: Umsatz 3,24 Milliarden US-Doller, Nettogewinn 290 Millionen US-Dollar, gute 5,3 Millionen verkaufte iPods, über 1 Million verkaufte Macintosh-Computer und 216 Millionen US-Dollar Umsatz mit dem Music Store - wer will da meckern?
Ein Grund, der nichts mit Apple, jedoch viel mit Jobs zu tun hat, könnte sein, dass Jobs, der sich nicht gerne in die Karten schauen lässt, seit Monaten mit Disney um einen neuen Vertrag für Pixar ringt. Dabei geht es um gewaltige Summen, denn Jobs möchte durchsetzen, dass Pixar an den Einnahmen der Kinofilme, die Disney vertreibt und vermarktet, beteiligt wird. Obwohl Disney immer wieder - gerade erst letzte Woche erneut - öffentlich bekundet hat, an einer neuen, "fairen" Vereinbarung mit Pixar interessiert zu sein, kam es bisher zu keiner Einigung. Könnte also gut sein, dass der charismatische Jobs im Moment unter enormen Pixar-Disney-Druck steht und ihm weniger die Biografie als der Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht passt. Immerhin hat er den Spruch "Gute Künstler werden fertig" geprägt und die Autoren dürfen ganz getrost sagen: "Wir haben fertig!"