Abstimmung über Fiskalpakt und Rettungsschirm

Klagen beim Verfassungsgericht und Zweifel an der Zulässigkeit des "pervertierten" Gesetzgebungsprozesses bei Staatsrechtlern

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Bundestag und Bundesrat haben gestern dem Rettungsschirm ESM in einer Form zugestimmt, die schon vorgestern veraltet war. Heikler Punkt ist die Bankenhilfe. Die Bundesregierung hatte sich lange dagegen gesträubt, dass Banken direkt über den ESM neues Geld bekommen können. Sie bestand auf den Umweg über die Regierungen, weil damit eine andere Kontrolle möglich ist. Diesen Standpunkt hat Merkel auf dem EU-Gipfel bereits am Donnerstag geräumt - Merkel fällt bei EU-Gipfel auf ganzer Linie um: "Künftig sollen abstürzende Banken direkt Geld auf Rettungsfonds erhalten und die Kontrolle wird weiter aufgeweicht."

So kam gestern der ESM-Vertrag in beiden Häusern in einer Form zur Abstimmung, die vom Februar 2012 stammt: „Die Änderungen, auf die sich die Euro-Staaten auf dem Gipfel am 28./29. Juni verständigten, sind darin noch nicht enthalten.“

Abgestimmt wurde auch über den Fiskalpakt. Beide Vorhaben erhielten die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Gegenstimmen kamen vor allem von der Linksfraktion, die dies schon angekündigt hatte, und einigen Abweichlern aus dem Regierungslager, die Schwarz-Gelb die sogenannte Kanzlermehrheit verfehlen ließ. Im Bundesrat kam die einzige Ländergegenstimme aus Brandenburg, wo SPD und Linke gemeinsam regieren - 15 von 16 Bundesländern stimmten für Rettungsschirm und Fiskalpakt.

Doch werden der Umsetzung einige Hürden in den Weg gelegt. Nicht alle Opponenten gegen die Kriseninstrumente begnügten sich mit kritischen Äußerungen:

"Unmittelbar nach Verabschiedung der Gesetze im Bundesrat gingen in Karlsruhe Klagen ein. So gab ein Bote die Verfassungsbeschwerde des CSU-Politikers Peter Gauweiler an der Pforte des Gerichts ab." Tagesschau

Erst wenn die Richter des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache entschieden haben, will Bundespräsident Joachim Gauck die Gesetze unterzeichnen. Geht es nach Informationen des Juristen und Journalisten Heribert Prantl, so halten Staatsrechtler die gestrige Abstimmung für zumindest fragwürdig, wenn nicht unzulässig, weil der Vertrag, über den abgestimmt wurde, schon gebrochen worden sei. Das, so Prantl, werfe einige Fragen auf:

"Muss also nicht erst der Vertragstext geändert werden, bevor man ihn zur letzten Abstimmung stellt? Kann man einen schon überholten Text beschließen? Werden diesmal die Kriterien schon aufgeweicht, bevor sie überhaupt verabschiedet sind? Wird hier der ordentliche Gesetzgebungsprozess missachtet und pervertiert?"