Aderlass in Portugal

Der IWF drückt nun auch Portugal eine Rosskur auf, die das Land noch tiefer ins Desaster treiben wird

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Noch am Dienstag hatte der geschäftsführende Regierungschef Portugals von einem "guten Abkommen" zur Nothilfe des Landes gesprochen. Doch Details, die aus den Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) nach außen gedrungen sind, sprechen eine andere Sprache. Jose Socrates ist nach dem erzwungenen Rücktritt vor den vorgezogenen Neuwahlen am 6. Juni offensichtlich schon im Wahlkampf, wobei seinen Sozialdemokraten derlei Propagandameldungen eher noch mehr Sympathie kosten dürften.

Der IWF will nämlich an der Brüsseler Hand nun auch diesem Land die übliche Rosskur verordnen: Privatisierung, Verschlankung des Staates, Abbau des Kündigungsschutzes, Einschnitte ins Sozialsystem und Steuererhöhungen. Dabei sollen die Banken des Landes mit 12 Milliarden von den 78 Milliarden Euro gestützt werden, die das Land erhalten soll. 52 Milliarden aus dem EU-Rettungsschirm und 26 Milliarden vom IWF kommen.

Damit erhalten die portugiesischen Banken allein etwa 15% der gesamten Nothilfe, was nach Ansicht des Finanzministers Fernando Teixeira dos Santos natürlich nicht bedeutet, dass der Sektor in Gefahr sei. Derlei Sprüche kennt man aus Irland und wir haben es erneut mit einer teuren Bankenrettung zu tun. Verhindert werden soll, dass portugiesische Institute abstürzen, damit keine Kettenreaktion ausgelöst wird.

Spaniens Banken, ohnehin längst von gefährlichen Kreditausfallquoten geplagt, haben zudem noch viel Geld in Instituten des Nachbars stecken. Sie kämen ohne die Rettung in arge Bedrängnis und damit wiederum vor allem Institute in Frankreich und Deutschland. Es geht also erneut, wie bei der Nothilfe in Irland, um eine Bankenrettung. Das gibt den Instituten Zeit, sich noch vor der wohl unabwendbaren Umschuldung abzusetzen.

Mehr Realitätssinn

Als positive Ergebnisse, die noch der offiziellen Bestätigung bedürfen, kann Socrates wohl verbuchen, dass die Zinsen für die Notkredite von 78 Milliarden Euro geringer ausfallen sollen. Schließlich hat man Irland mit enormen 5,8% gerade genug Seil gegeben, um sich selber zu erhängen, auch Griechenland hat mit 5,2% einen Zinssatz bekommen, der unbezahlbar war, weshalb dort schon die Umschuldung vorbereitet wird. Portugal soll, so sickerte bisher durch, einen Zinssatz von bis zu 4,7% erhalten. Dazu kommt, dass die Ziele zur Haushaltskonsolidierung zeitlich gestreckt werden. Statt das Haushaltsdefizit wie geplant schon 2011 auf 4,6% zu senken, dürfen es noch 5,9% sein. Erst 2013 soll das Defizit auf die EU-Stabilitätsmarke von 3% gebracht werden.

In der "Troika" macht sich wohl ein klein wenig mehr Realitätssinn breit, denn Griechenland wurden unerfüllbare Vorgaben gemacht. Da Portugal mit dem harten Sparkurs bisher das Defizit aber nur von 9,3% (2009) auf 9,1% (2010) senken konnte, zeigt, dass auch diese neuen Ziele praktisch unerreichbar sind. Eigentlich sollte das Land 2010 nur noch ein Defizit von 7,3% ausweisen. Dass die Ziele wohl aber trotz der niedrigeren Zinsen bis 2013 unerreichbar bleiben dürften, hängt vor allem damit zusammen, dass man das Land schon in die Rezession zurückgespart hat. Die neue Sparpläne und die massiven Steuererhöhungen werden Portugal noch tiefer in die Rezession treiben. Damit gehen weitere Steuerausfälle und steigende Sozialkosten einher.

Massive Sparmaßnahmen bei Sozialkosten, Renten, Löhnen

Deshalb legt die Troika einen besonderen Wert darauf, die Sozialkosten zu beschneiden. Das Arbeitslosengeld soll statt maximal 1257 Euro nun nur höchstens 1048 Euro im Monat betragen. Die Troika weiß, dass ihre Programme die Arbeitslosigkeit (derzeit 11,1% ) wie in Griechenland weiter hochschießen lassen. Die Regierung geht schon jetzt von 13% bis 2013 aus Geplant sind auch Entlassungen im öffentlichen Dienst. Und dazu kommen die geplanten massiven Privatisierungen von Staatsbetrieben. So sollen Milliarden eingenommen werden, doch damit sind auch Massenentlassungen verbunden.

Die Kaufkraft wird auch darüber massiv weiter einbrechen, weil Renten und Löhne nach der verordneten Lohnkürzung bis 2013 eingefroren bleiben sollen, womit die Konjunktur weiter belastet wird. Renten über 1500 Euro sollen sogar gekürzt werden. Zudem sollen Abfindungszahlungen extrem sinken. Statt 30 Tagen sollen nur noch 10 pro gearbeitetes Jahr bezahlt werden, um Kündigungen zu verbilligen.

Das hat der Nachbar Spanien im vergangenen Jahr schon vorgemacht. Statt zu neuen Jobs hat es zur Rekordarbeitslosigkeitsquote von offiziellen 21,3% geführt. Knapp fünf Millionen Menschen, fast die Hälfte der jungen Leute, haben keinen Job mehr.

Knapp eine Milliarde Euro sollen nun auch in der ohnehin prekären Gesundheitsversorgung eingespart werden. Die Zuzahlungen der Bürger sollen zudem steigen, um die Einnahmeseite zu verbessern. Steuervergünstigungen werden deshalb nicht nur bei Rentnern, sondern auch bei Hypothekenkrediten gestrichen. Familien, die schon jetzt wie in Spanien unter steigenden variablen Zinsen leiden, werden also noch stärker belastet. Abgesehen von der sozialen Misere, dass viele Menschen nicht nur den Job verlieren werden, sondern auch die Wohnung, werden durch die steigende Zinslast und die steigende Arbeitslosigkeit, wie in Spanien, auch in Portugal massiv Immobilienkredite faul werden. Neue Milliardenspritzen für portugiesische Banken können also schon eingeplant werden.

Dafür wachsen die Kosten

So richtig einen Tritt vor das Schienbein erhalten, ganz im Stil des IWF, die Geringverdiener. Bei einem Mindestlohn von 485 Euro im Monat, der noch deutlich unter dem in Griechenland liegt, schlagen sich die geplanten Preiserhöhungen für Strom, Gas und öffentliche Verkehrsmittel besonders stark nieder. Das gilt auch für die nächste Mehrwertsteuererhöhung. Der normale Satz wurde schon zuvor auf 23% angehoben. Unter der Knute des IWF soll nach Rumänien nun ein weiteres armes europäisches Land in die Spitzengruppe zu Schweden, Norwegen und Dänemark aufsteigen, die 25% bezahlen. Die haben aber etwas mehr als eine durchschnittliche Sozialhilfe von 242 Euro zu erwarten, wenn sie durch alle Maschen gefallen sind. Und dass Rumänien unter der Anleitung des IWF gerade neue Kredite benötigte, stellt der Wirksamkeit der IWF-Politik ebenfalls die entsprechenden Noten aus.

Während die oppositionellen Sozialdemokraten, real eine christdemokratische und konservative Partei, die voraussichtlich die Wahlen im Juni gewinnen werden, mit den Plänen einverstanden sind, lehnen die Gewerkschaften und die linken Oppositionsparteien sie ab, die etwa 20% im Parlament stellen. Sie sprechen von einer "Farce" und waren auch nicht bereit, mit der Troika zu sprechen. Ihrer Meinung nach hätten der IWF und "Frau Merkel in Berlin" das letzte Wort. Der Dachverband der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes FNSFP hatte schon im April dazu aufgerufen, dass Land am Freitag mit einem Generalstreik lahm zu legen. Die Pläne der Troika, vom Kabinett bereits abgesegnet, dürften zu einer massiven Beteiligung führen. Schon am 1. Mai wurde gegen neue Sparpläne und gegen den IWF protestiert.