Auf und ab um die Reichensteuer
Frankreich will damit (erneut) unpopuläre Maßnahmen schmackhaft machen und Italien will sie schon wieder streichen
Da auch Frankreich mit in den Strudel der Turbulenzen an den Finanzmärkten geraten ist und die Gerüchte ins Kraut schießen, dass auch das Land die beste Bonitätsnote verlieren könnte, will Frankreich sparen.
Im hektischen gallischen Krisensommer hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy nun seinen Premier François Fillon ein Sparplan verkünden lassen. Der sieht vor allem die Streichung von Steuervergünstigungen vor. Auch Paris will sein Defizit schon in diesem Jahr senken, allerdings nur um eine Milliarde Euro. Dass es Sarkozy damit angesichts der lahmenden Wirtschaft schaffen wird, das Haushaltsdefizit im Land wie geplant 2011 von 7 auf 5,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken, braucht man nicht erwarten. Er wäre froh, wenn er bei gut 6% landet, also ein Defizit ausweist, das noch doppelt so hoch ist, wie es die EU-Stabilitätskriterien festlegen. Die Ankündigungen seiner Regierung sind vor allem erneut heiße Luft, um die Spar-Forderungen zu unterstreichen, die Sarkozy mit Angela Merkel an andere Euro-Länder stellt.
Ob ausgerechnet im Wahljahr 2012 weitere 10 Milliarden Euro eingespart werden, wie Fillon angekündigt hat, um das Defizit 2012 auf 4,6% zu senken, sollte man auch nicht sehr ernst nehmen. Denn auch in Paris werden Gerichte nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht werden. So fällt schon auf, dass es im Präsidentschaftswahlkampf kaum unpopuläre Ausgabenkürzungen geben soll. Die 11 Milliarden sollen vor allem durch wegfallende Steuervergünstigungen eingetrieben werden, also mit Steuererhöhungen durch die Hintertür. So fällt zum Beispiel die absurde Steuerbefreiung auf Überstunden, die Sarkozy eigens eingeführt hatte, auch jetzt (noch) nicht. Nun sollen wenigstens aus dem Lohn für Überstunden Abgaben in die gestressten Sozialkassen fließen.
Hier zeigt sich der erratische Kurs eines populistischen Kurses. Jobs wurden in Frankreich per Überstunden gestrichen oder nicht geschaffen. Die Sozialkassen wurden durch die hohe Arbeitslosigkeit und wegfallende Sozialabgaben auf Überstunden damit zusätzlich belastet, die aber nicht einmal Steuereinnahmen generieren. So muss man sich nicht mehr wundern, wie das hohe Defizit in Frankreich zustande kommt. Wegen der Löcher in den Sozialkassen musste dann Sarkozy auch eine Rentenreform gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung durchsetzen.
Man darf aber gespannt sein, was 2012 von all den Plänen übrig bleibt, falls sich die Stagnation der französischen Wirtschaft im zweiten Quartal in den folgenden Quartale wegen der sich verschlechternden Stimmung wieder in eine schrumpfende Wirtschaftsleistung verwandelt. Erhöhungen von Steuern und Sozialabgaben wirken weiter bremsend auf die ohnehin schwache Konsumlaune der Gallier. Und dass man die Reichen ein wenig stärker besteuern will, nachdem sie freiwillig angeboten hatten, kurzzeitig etwas mehr zu zahlen, ist nur "symbolisch", hat sogar Fillon eingeräumt. Die Steuer in einer homöopathischen Dosis auf Arbeits- und Kapitaleinkommen von mehr als 500.000 Euro im Jahr soll 3% betragen. In den Staatshaushalt sollen daraus jährlich 200 Millionen Euro fließen. "Es handelt sich um eine außergewöhnliche Besteuerung, die zeitlich beschränkt wird, bis das Defizitziel von 3% erreicht ist", beruhigte Fillon aber schon vorbeugend die Reichen im Land. Er meinte aber, damit "Sorge getragen" zu haben, dass die "fiskalische und soziale Gerechtigkeit" gestärkt wird (Mehr Steuern für die Reichen).
Apropos Reichensteuer. Erinnert sich noch jemand daran, dass die in Frankreich schon einmal kommen sollte. Schon 2010 hatte sie Sarkozy angekündigt, um den Bürgern die unbeliebte Rentenreform schmackhaft zu machen. Die Rentenreform kam, die Reichensteuer nicht. Nun gut, wir dürfen gespannt sein, was diesmal real herauskommt. Kommt sie, markierte auch sie eine Kehrtwende des erratischen Kurses von Sarkozy. Schließlich war es sein Prestigeobjekt, 2007 eine maximale Steuerbelastung im Land von 50% durchzusetzen. Für das "bouclier fiscal" (Abgabenschutzschild) war er sogar im rechten Lager immer wieder kritisiert worden. Die "bestürzten Wirtschaftswissenschaftler" in Frankreich hatten sogar von einer "steuerlichen Konterrevolution" gesprochen, für die sie die steigende Verschuldung im Land verantwortlich machen.
In Italien soll die beschlossene Reichensteuer wieder zurückgenommen werden
Was aus der populistischen Reichensteuer werden kann - und wie schnell man sie wieder streichen kann – zeigt sich derzeit auch in Italien. Silvio Berlusconi hatte kürzlich mit seiner verunglückten Rede für Chaos gesorgt. Statt die Finanzmärkte zu beruhigen, erreichte Don Silvio genau das Gegenteil. Getrieben von den Märkten kündigte er kurz darauf eilig doch an, dass Sparmaßnahmen vorgezogen und verstärkt werden sollen. Auch hier war populistisch eine Sondersteuer für Reiche geplant. Sie sollte 5 bis 10% des Einkommens betragen, um die Einnahmen des Staates zu verbessern, der wegen seiner enormen Verschuldung von 120% des BIP schon tief im Schlamassel steckt.
Doch nun wird aus Italien berichtet, dass das gerade vom Kabinett beschlossene Sparpaket wieder aufgeschnürt werden soll, um die Reichensteuer herauszunehmen. So sei jetzt geplant, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Statt den Reichen soll also wohl die einfache Bevölkerung erneut zur Kasse gebeten werden. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es noch nicht. Aber angesichts der Streikdrohung der Millionenkicker im Land, muss natürlich etwas geschehen.