Beerbt Julia Timoschenko Ministerpräsident Arseni Jazenjuk?
Wahlgewinner bei den Kommunalwahlen in der Ukraine werden nach Umfragen der "Oppositionsblock“ und Julia Timoschenkos Partei "Vaterland“. Die "Volksfront“ von Arseni Jazenjuk tritt wegen Popularitätsverlust nicht zur Wahl an.
Am heutigen Sonntag werden in der gesamten Ukraine Bürgermeister und Gebietsräte gewählt. Auf der Krim und den international nicht anerkannten "Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk finden die Wahlen nicht statt. 26,7 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Für ein Land, welches nur mit Hilfe des IWF vom Staatsbankrott bewahrt wird, ist der finanzielle Aufwand für den Wahlkampf erstaunlich groß. 82 Millionen Dollar gaben die Parteien für den Wahlkampf aus. Überall in den ukrainischen Städten stehen Agitations-Zelte der Parteien und Kandidaten.
Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Arsen Jazenjuk werden bei den Wahlen am Sonntag vermutlich eine Quittung für ihre sozialen Kürzungen und die anhaltende Korruption erhalten. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Reiting“ hätten die Wähler, wären Anfang Oktober Wahlen für die Werchowna Rada gewesen, folgendermaßen abgestimmt: 20 Prozent für den Block Petro Poroschenko Solidarnost (im Oktober 2014: 21 Prozent), 15 Prozent für Julia Timoschenkos Partei "Vaterland“ (5,6 Prozent), 14 Prozent für den Oppositionsblock (9,4 Prozent), zehn Prozent für die rechtsnationale Partei Samopomitsch (10,9 Prozent) und sechs Prozent für die rechtspopulistische Radikale Partei von Oleh Ljaschko (7,4 Prozent).
Timoschenko lockt Wähler mit Gas-Preis-Senkung
Die Wähler der Volksfront von Arseni Jazenjuk, die wegen katastrophaler Umfragewerte nicht zur Wahl antritt, werden am Sonntag vermutlich der Timoschenko-Partei ihre Stimme geben. Timoschenko tritt - wie auch der "Oppositionsblock“ - mit sozialen Forderungen an. Die Oligarchin sprach sich für eine Senkung der rapide gestiegenen Wohnungsnebenkosten (dazu gehören Gas und Elektrizität) aus.
Außerdem schlug die ehemalige Ministerpräsidentin vor, den Bewohnern der nicht anerkannten "Volksrepubliken“ wieder Renten und Kindergeld zu zahlen. Timoschenko weiß, wie man Stimmungen in der Bevölkerung politisch nutzt. Doch ob Präsident Poroschenko der ehrgeizigen Oligarchin bei einem Wahlsieg der Vaterland-Partei eine Macht-Beteiligung einräumt, ist unwahrscheinlich. Poroschenko versucht die Macht in seiner Hand zu halten, wie die Absetzung des Gouverneurs und Oligarchen Igor Kolomoiski im März zeigte.
Schon lange wird darüber gemunkelt, dass Petro Poroschenko den unbeliebten Jazenjuk durch einen anderen Politiker, etwa den Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, ersetzen will. In Berlin zumindest hält man weiter an Jazenjuk fest. Angela Merkel stärkte dem Premier, dessen Popularität bei nur einigen Prozentpunkten liegt, am Freitag bei seinem Besuch in Berlin den Rücken. Auf dem Reformweg hätte der ukrainische Ministerpräsident schon "wichtige Schritte“ geschafft, lobte die Kanzlerin, ohne zu sagen, welche Schritte.
Der Grund des Lobes: Jazenjuk ist der einzige führende Politiker in der Ukraine, der das harte Sparprogramm des IWF ohne Wenn und Aber umzusetzen bereit ist. Doch mit diesem Sparprogramm kann man keine Wähler locken, weshalb die Volksfront von Jazenjuk, die bei den Parlamentswahlen im Oktober 2014 mit 22 Prozent noch die meisten Stimmen bekam, am Sonntag gar nicht zur Wahl antritt. Bereits Im Juli hatte das ukrainische Meinungsforschung-Zentrum für "Soziales Monitoring“ ermittelt, dass für die Volksfront nur noch vier Prozent der Wähler stimmen würden.
Gute Chancen für "Oppositionsblock“ in Mariupol und Dnjepropetrowsk
In den ostukrainischen Städten Mariupol und Dnjepropetrowsk – sie stehen unter Kontrolle der ukrainischen Truppen - droht der ukrainischen Regierung Schmach. In Dnjeprpetrowsk hat der Kandidat des Oppositionsblocks, Aleksandr Wilkul, Chancen Bürgermeister zu werden. Auch in Mariupol droht ein Wahlsieg des Oppositionsblockes, weshalb regierungstreue Kräfte angeblich die Wahlvorbereitungen stören. Dies zumindest behauptet der "Oppositionsblock“.
Die beiden pro-Präsidenten-Parteien, Samopomitsch und Solidarnost, hätten sich mit der Stadtverwaltung verschworen, mit dem Ziel die Wahlen platzen zu lassen, zitiert das ukrainische Internetportal Korrespondent Vertreter des Oppositionsblockes.
Die Stimmung in Mariupol ist Russland-freundlich, wie auch deutsche Korrespondenten schon berichteten. In der Stadt gibt es zwei große Stahlwerke mit insgesamt 40.000 Mitarbeitern. Die Unternehmen gehören dem Oligarchen Rinat Achmetow, der früher Präsident Viktor Janukowitsch unterstützte und nicht als verlässlicher Gefolgsmann der Regierung in Kiew gilt.
Kommunistische Partei darf nicht kandidieren
Die Kommunistische Partei der Ukraine, die bei den Parlamentswahlen im Oktober 2014 mit 3,8 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, ruft ihre Anhänger auf, am Sonntag für die Partei "Neue Macht“ zu stimmen. Auf der Liste dieser Partei kandidieren Kommunisten und andere Oppositionelle.
Kommunisten können in der Ukraine, wo massenhaft Straßen umbenannt sowie Denkmäler und Gedenktafeln für kommunistische Politiker vernichtet werden, nicht offen auftreten. Am 8. Juli hatte der ukrainische Justizminister Pawel Petrenko vor einem Kiewer Gericht einen Verbotsantrag gegen die KPU gestellt. Und am 24. Juli hatte der Minister den drei kommunistischen Parteien in der Ukraine die Teilnahme an Wahlen verboten. Dabei stützte sich Petrenko auf das Gesetz zur "Dekommunisierung“ der Ukraine. Das Gesetz verbietet "Propaganda für kommunistische und nationalsozialistische Regime“.