China und Indien: Setzt Neu-Delhi auf Deeskalation?
Nach neuesten Berichten versucht die indische Regierung, Kohlen aus dem Feuer zu holen. Motiv könnte drohende Isolation sein
Wie es aussieht, dämmert es den politischen Verantwortlichen Neu-Delhi langsam, dass sie im jüngsten Konflikt mit China lieber auf Deeskalation setzen sollten. M.K. Bhadrakunar, ein ehemaliger hochrangiger indischer Diplomat, schreibt auf Asia Times Online, dass sich Vertreter der extrem nationalistischen Regierungspartei BJP und der Opposition am Wochenende in der Landeshauptstadt auf eine entsprechende Linie verständigt hätten.
Nach seiner Darstellung hatten indische Militärs Mitte Juni die Grenze überschritten und chinesische Bauarbeiten an einer Straße gestoppt. Das betroffenen Gebiet, einige Quadratkilometer im äußersten Süden der chinesischen Grenze zwischen Bhutan und Nepal – in der Doklamregion gelegen, aber nicht, wie irrtümlich berichtet und auf vielen Karten gezeigt, das Doklam-Plateau – ist seit vielen Jahren zwischen Bhutan und China umstritten, befinde sich aber seit langem eindeutig unter chinesischer Kontrolle. Es gebe keine Stellungnahme der Regierung von Bhutan, wonach diese Indien um Hilfe gebeten habe.
Die fragliche Straße existiere vermutlich schon seit einem Jahrzehnt oder länger und sollte nun offenbar verbreitert werden. Der Autor schätzt ihren militärischen Wert eher als bescheiden ein. Einerseits sei es von dort zwar nicht weit, um den schmalen Korridor abzusperren, der Indien mit seinen östlichen Landesteilen verbindet.
Andererseits handle es sich bei dem chinesischen Territorium, das sich nördlich des umstrittenen Fleckens Richtung Süden zwischen Indien und Bhutan schiebt, um ein enges Tal, dessen Höhen zu beiden Seiten vom indischen Militär kontrolliert wird. (Letzteres hat auch ein kleines Kontingent in Bhutan stehen.) Als Aufmarschgebiet wäre es damit denkbar ungeeignet.
Der indische All-Parteien-Beschluss vom Wochenende könnte durch die Einsicht beflügelt worden sein, dass Neu Delhi sich in Asien zu isolieren droht. Kurz zuvor war nämlich bekannt geworden, dass auch das befreundete Japan sich an Chinas One-Belt-One-Raod-Initiative beteiligen will. Das berichtet unter anderem die Deutsche Welle.
Im Rahmen des gigantischen, auch als Neue Seidenstraße bekannten Investitionsprogramms sollen von China über Zentral- und Südostasien bis nach Nord- und Ostafrika sowie Westeuropa Eisenbahn, Straßen Häfen, Flughäfen und Telekommunikation ausgebaut werden, um den Warenaustausch zu befördern.
Es geht unter anderem um viel Geld und lukrative Bauaufträge, da will Japan nicht fehlen. Indien stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass es nicht mitmachen könne, da eines der vielen Projekte auch Verkehrsverbindungen von China durch den pakistanisch kontrollierten Teils Kaschmirs sind, den Indien als sein Territorium ansieht.