China und die USA: Der strukturelle Konflikt

Chinesische Militärs werfen US-Luftwaffe Gefährdung der zivilen Luftfahrt vor. Linke diskutieren über den Charakter des Konflikts zwischen den beiden Ländern

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Angesichts der wachsenden Spannungen zwischen den USA und der Volksrepublik China sprechen inzwischen viele Beobachter von einem neuen Kalten Krieg. Historische Vergleiche sind natürlich selten treffsicher, aber ganz wie im Jahrzehnte langen Konflikt zwischen den USA und ihren Verbündeten, nimmt sich Washington Rechte heraus, die es seinem Gegenüber niemals zugestehen würde.

So fliegen US-Aufklärer regelmäßig an der chinesischen Küste auf und ab, meist hart an der Grenze zum chinesischen Hoheitsgebiet und gerne über strittige Territorien. Diese Woche haben chinesische Militärs gewarnt, dass dabei die zivile Luftfahrt gefährdet werde, wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet.

Die US-Luftwaffe habe die Zahl ihrer Aufklärungsflüge über dem Südchinesischen Meer in letzter Zeit deutlich erhöht. Das sei aber zugleich einer der am meisten frequentierten Lufträume der Welt. Zudem benutze die US Air Force die Taktik, dicht hinter zivilen Flugzeugen zu fliegen, um sich zu tarnen. Die Zeitung zitiert verschiedene historische Beispiele ziviler Flugzeuge, die aufgrund einer Verwechselung abgeschossen wurden.

Die jüngsten chinesischen Warnungen gehen auf einen Vorfall am 5. August zurück, bei dem ein amerikanischer Aufklärer von der chinesischen Luftüberwachung zunächst für ein ziviles Flugzeug gehalten und erst in der Nähe der südchinesischen Provinzhauptstadt Guangdong (Kanton) identifiziert wurde. (Das wäre vergleichbar mit chinesischen Militärflugzeugen, die plötzlich und ohne Vorwarnung vielleicht 30 Kilometer vor Seattle oder Los Angeles auftauchen.)

Hierzulande mag mancher hoffen, dass die wachsenden Spannungen in Fernost zwischen dem aufstrebenden China und der Noch-Hegemonial-Macht USA vor allem ein Auswuchs Trumpscher Allmachtphantasien sind und folglich mit dessen etwaiger Abwahl im Herbst wieder abnehmen werden. Der US-Journalist Marc Steiner scheint da allerdings anderer Ansicht. Er spricht von einem Konsens in der US-amerikanischen China-Politik, wonach die Volksrepublik "hart angefasst werden" müsse.

In einem Interview mit dem chinesischen Arbeiterrechtler Kevin Lin spricht er davon, dass die Trump-Regierung den Konflikt eskaliert habe. Zugleich weist er wie auch Lin daraufhin, dass die Lage sehr kompliziert sei und es zahlreiche handelspolitische, geostrategische, technologische und kulturelle Konfliktlinien gebe. Daher sei nicht davon auszugehen, dass unter einem Präsidenten Joe Biden die Spannungen automatisch zurückgehen würden.

Die aktuelle Lage, in der die US-Regierung unter anderem den Streit um überlappende territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer sowie die Demokratiebewegung in Hongkong für eine Zuspitzung der Konfrontation nutzt, hat nach Lins Ansicht viel mit der Corona-Pandemie zu tun. Der US-Präsident habe die Gelegenheit genutzt, China zum Sündenbock für die verheerende Situation in den USA zu machen.

Ansonsten hält Lin nichts vom Vergleich mit dem Kalten Krieg. Der Konflikt sei kein ideologischer, sondern einer zwischen zwei kapitalistischen Staaten. Die progressiven Bewegungen in aller Welt müssten sich auf die wachsenden Spannungen und die Kriegsgefahr einstellen und sich zugleich vergegenwärtigen, dass China ein staatskapitalistisches Land sei. In den USA müssten diese Kräfte verstehen, dass der Hauptgegner im eigenen Land stehe, aber sollten zugleich solidarisch mit den sozialen Bewegungen und der Arbeiterbewegung in China sein.