Das Merkelsche Südeuropa-Bashing und des Pudels Kern
Ein Kommentar aus südeuropäischer Sicht
Mit vorurteilsbehafteten Parolen versuchte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der vergangenen Woche, ihren Kurs in der aktuellen Euro-Finanzkrise zu begründen. Faul und urlaubssüchtig seien die Südeuropäer, verkündete die Kanzlerin. Die Griechen, Portugiesen und Spanier hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht, verkündete sie oberlehrerhaft.
Aus den betroffenen Ländern und aus Reihen der deutschen Opposition gab es als Reaktion auf die populistischen Stammtischparolen massiv Schelte für die deutsche Regierungschefin. Solche Äußerungen stünden nicht im Lehrbuch für Staatslenker, Frau Merkel betreibe billigen Populismus schallte es als Reaktion aus den belehrten Staaten. Mit Lehrmeinungen ist es jedoch eine Sache, zumal wenn sie umstritten sind. Oft hilft es, eine Quellenangabe zu machen und so den Ursprung der eigenen Meinung zu dokumentieren. Richtig zu zitieren steht jedoch offenbar nicht auf dem Lehrplan deutscher Politprominenz.
Hätte die Kanzlerin ihren Äußerungen hinzugefügt, dass ihr Derartiges von den Regierungschefs der betroffenen Länder mitgeteilt worden ist, dann könnte ihr kaum jemand einen Vorwurf machen. Der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou selbst hat mehrfach behauptet, dass er ein korruptes Land regiert. Sein Vizepremier Thodoros Pangalos setzte sogar noch einen drauf und sagte: "Wir haben alle zusammen das Geld verbraten", womit er die Griechen zur Kollektivschuld verurteilte.
Kanzlerin Merkel trifft solche Menschen regelmäßig als Gesprächspartner bei EU-Gipfeln. Zu ihrer Entschuldigung könnte man anführen, dass Papandreou über seine Äußerungen zur Staatslage hinaus seit Jahren auch propagiert, dass er jeden Tag stundenlang Sport betreibt. Frau Merkel mag bei ihren Griechenlandbesuchen aufgefallen sein, dass ihre dortigen Amtskollegen und deren Minister in der Regel über luxuriöse Anwesen verfügen, die allein mit Ministerdiäten nicht finanzierbar sind.
Dazu kommt, dass Papandreou nach eigenen Angaben seine aktuelle Umweltministerin Tina Birbili in einem Gymnastikzentrum kennen lernte. Andere enge Mitarbeiter rekrutierte der smarte Premier im Flugzeug oder in Cafes. Kann man sich angesichts solch einer Quellenlage wirklich über die Merkelschen Thesen wundern?
Eine Kanzlerin hat schließlich wenig Zeit, selbst im Internet oder über Zeitungen und Zeitschriften die Wahrhaftigkeit ihrer Quellen zu überprüfen. Dazu benötigt sie Berater und gerade diese scheinen versagt zu haben. Vielleicht hätte sie sich lieber ein Beispiel an Papandreou nehmen sollen. Der verfügt aktuell über ein Heer von 88 persönlichen Beratern. Es muss durchaus anstrengend sein, diese hoch qualifizierten Menschen tagtäglich zu begrüßen. Zumal, wenn man wie der griechische Premier in einer kürzeren Amtszeit mehr als doppelt so viele Auslandskilometer wie der amerikanische Präsident Obama aufweisen kann.
Was würde ein Durchschnittsbürger Europas denken, wenn ein befreundeter Abteilungsleiter ihm erklären würde, dass er mehr als alle anderen in seiner Abteilung arbeiten würde. Welche Schlüsse würde dieser Mensch über den Rest der Abteilung ziehen, wenn er wüsste, dass sein Gegenüber dauerhaft in der Weltgeschichte umherreist, über seine Verhältnisse lebt, einen immensen Beraterstab beschäftigt, dabei auch noch täglich Sport treibt und bei dieser Gelegenheit Mitarbeiter rekrutiert?
Unbestritten ist, dass einzelne Griechen zu Lasten der Allgemeinheit massiv über die Verhältnisse lebten. Zweifelsohne haben viele, vor allem deutsche Rüstungsunternehmen und Elektronikkonzerne an Griechenlands korrupter Politik verdient. Man kann es deutschen Steuerzahlern nicht verdenken, wenn sie solch ein Chaos nicht finanzieren wollen. Ebenso wenig sollte man es jedoch den griechischen, spanischen, portugiesischen und irischen in der Mehrzahl ehrlichen Bürgern vorwerfen, dass sie auch nicht für die Fehler europäischer Politiker gerade stehen möchten.
Seit immer mehr bekannt wird, dass alle europäischen Lenker, wie zum Beispiel der Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker, beste Kenntnis über die südeuropäischen Verhältnisse hatten, erscheint die EU unter einem anderen Licht. Aus dem "Europa der Bürger" hat sich eine Stammtischanreihung mit Gewaltexzessen wie in Athen und Dauerdemonstrationen wie in Spanien entwickelt. Stammtischparolen helfen in dieser Situation am meisten denjenigen, die Europa die Probleme eingebrockt haben.